Mit dem Einsatz der KI steht der Mensch in der Gefahr, sich selbst abzuschaffen

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Sie ist das Goldene Kalb unserer Moderne – die Künstliche Intelligenz. Fast religiös wird sie angebetet, fast religiös die Heilserwartung, die man sich durch ihre Hilfe verspricht. Der neue Mensch, so die utopische Hoffnung und das Mantra der Gegenwart, wird unermesslich von ihr profitieren: mehr Freiheit, mehr Zeit und weniger Arbeit. Immer tiefer greifen die Algorithmen in eine fast schon durchdigitalisierte Lebenswelt des Menschen ein, erweisen sich als die neuen Leviathane, die alles endliche Wissen in sich aufsaugen und letztendlich als neue Macht steuern.

Schon vor vielen Jahren diagnostizierte der Philosoph Günther Anders: „In keinem anderen Sinne, als Napoleon es vor 150 Jahren von Politik, und Marx es vor 100 Jahren von der Wirtschaft behauptet hatte, ist die Technik heute unser Schicksal.“ Aus der einstigen Angst vor der Technik-Apokalypse, aus der Technikphobie, ist eine Euphorie entsprungen, die Grenze und Maß vergessen zu haben scheint. Schon Anders warnte davor, dass es das Wesen der Technik sei, die Menschheit zum Verschwinden zu bringen, denn ihre immanente Logik lautet ohne uns. „Prometheisches Gefälle“ hatte Anders die Spaltung von menschlicher Unvollkommenheit einerseits und der immer größer werdenden Perfektion seiner Maschinen andererseits genannt.

Bereits vor Anders war es Martin Heidegger, der in seinem Buch „Die Technik und die Kehre“ vor einer sich verselbständigenden Technik warnte, wodurch der Mensch nur zum Besteller des Bestandes wird. Technisches Handeln, so Heideggers zivilisationskritische Analyse, vollzieht sich nicht jenseits menschlichen Tuns, aber eben „nicht nur im Menschen und nicht maßgebend durch ihn.“ Durch die „Herrschaft des Gestells“, wie er die Macht der Ingenieure und der Technik nannte und durch die Verselbstständigung der technischen Prozesse, kommt der Mensch buchstäblich unter die Räder. Er werde so einerseits zum Herrn der Erde, andererseits durch die Verkehrung des Zweck-Mittel-Verhältnisses vom „Gestell“ entmachtet und zum bloßen Moment des alles umspannenden technischen Prozesses.

Die moderne Technik erscheint damit zum einen als Resultat der rationalen Wissenschaften, zum anderen werden die Schwierigkeiten immer größer, diese Technik zu begreifen und einzuhegen, ein unauflösliches Paradox. Bereits Herbert Marcuse bemerkte zur Technik „Nicht erst ihre Verwendung, sondern schon die Technik ist Herrschaft.“ Max Horkheimer wiederum hatte die Dominanz einer technisch-rationalen Vernunft kritisiert, die er instrumentale nannte. Sie stehe letztendlich für die Versklavung der Natur durch die schrankenlose Herrschaft des Wissens. Mit der KI tritt nunmehr ein neuer Akteur auf die Bühne, der selbst die instrumentelle Vernunft in den Schatten stellt. Ist diese immerhin ein Produkt der menschlichen Geisteskraft, wenngleich sie in der berühmten „Dialektik der Aufklärung“ in ihr Gegenteil, den Mythos verfällt, übereignet der Mensch mit dem Gebrauch der KI willfährig und bewusst sein Wissen derselben, wohlwissend, dass diese eine herzlose ist, nur summieren, kalkulieren, imitieren, extrapolieren und bluffen kann, aber keine Ahnung von der Welt hat.

Mit dem Einsatz der KI steht der Mensch in der Gefahr, sich selbst abzuschaffen. Aus Freiheit heraus macht er sich zum Untertanen einer Kraft, die für ihre Kritiker eine dämonisch-dunkle Macht bleibt. Der Mensch als Krone der Schöpfung, als Bild Gottes, der die Funken der göttlichen Intelligenz in sich trägt, übergibt seine Kreativität einer Macht, vor der, hätte sie Johann Wolfgang Goethe gekannt, schon gewarnt hätte. In seiner Ballade „Der Zauberlehrling“ (1797) schrieb er: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister. Werd ich nun nicht los.“

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Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".