Interview mit dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt – Dr. Reiner Haseloff – Wir dürfen die ostdeutschen Identitäten nicht vergessen

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff in der Staatskanzlei in Madgeburg, Foto. Dr. Dr. Stefan Groß Lobkowicz

Im Gespräch mit dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff sprach Stefan Groß-Lobkowicz  über die Säkularisierung in den neuen Bundesländern und über das christliche Werte- und Menschenbild.

Herr Ministerpräsident, Sie sind in der DDR aufgewachsen. Was bedeutete es in diesem Land, für seinen Glauben einzutreten?

Zumindest brauchte es eine gewisse Widerstandsfähigkeit. Diese war nur durch eine funktionierende und religiös sehr stark gebundene Familie und Kirchengemeinde möglich, die den Schutzraum dafür gebildet haben, dass man den dauerhaften Attacken gegen die Religion und gegen die Kirchen entsprechend widerstehen konnte. Es war eine Entscheidung gegen das System und die feststehende Ideologie, die atheistisch war. Diese führte dazu, dass jeder, der Mitglied der SED werden wollte, in der Regel gleichzeitig aus der Kirche austreten musste. Es war eine Entscheidung für oder gegen dieses materialistische, atheistische, marxistisch-leninistische System, welches die Kirche und die Religion als Gegenpole einer zukunftsfähigen Entwicklung – ganz im Sinne des Marxschen Begriffs, dass die Religion Opium des Volkes ist – eingestuft und abgelehnt hat. Dem religiösen Menschen wurde dann vorgeworfen, die objektive Realität verkehrt herum wahrzunehmen, also auf dem Kopf stehend.

Wie lebendig ist der christliche Glaube im Kernland des Protestantismus heutzutage?

Die Reformation war ein ziemlicher Bruch innerhalb des damaligen „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“. Trotz des Bekenntnisses zum Christentum war die konfessionelle Spaltung schon eine erhebliche Schwächung der inneren Einheit des Christentums und Europas. Der 30-jährige Krieg war ein Ergebnis davon und letztendlich auch die Reichseinigung ab 1870/71, die nicht den gesamten deutschen Sprachraum umfasste, sondern als kleindeutsche Lösung von Anfang an ebenfalls Mitteleuropa spaltete. Diese Spaltung war weitestgehend konfessionell bedingt, weil im preußisch dominierten Deutschen Kaiserreich nach 1871, auch konfessionell von der Bindungsquote her, der Protestantismus die dominierende Religion war. Die kritische Politik und Sicht Bismarcks gegenüber der katholischen Kirche führte dann zum Kulturkampf und zur Bildung der „Deutschen Zentrumspartei“, in der sich die benachteiligte katholische Minderheitsbevölkerung politisch artikulieren konnte. Aber in der Gesamtheit des Deutschen Reiches war das Verhältnis zwischen Protestanten und Katholiken ungefähr 65 Prozent zu 35 Prozent, also zwei Drittel protestantisch und ein Drittel katholisch. Noch in meinem Geburtsjahr 1954 war die Konfessionsbindung mehrheitlich protestantisch. 90 Prozent waren es in meiner Heimatstadt Lutherstadt Wittenberg. Heute hingegen haben wir im Osten Deutschlands nur noch Taufquoten von ca. 5 Prozent.

Innerhalb einer Generation hat sich durch die klare Kampflinie des atheistischen DDR-Systems die Zahl der Christen stark reduziert. Im Osten ist das Christentum von der statistischen Bedeutung her gesehen eine Marginalie. Der positive Effekt – trotz der absoluten Minderheitensituation – war, dass man ökumenisch bis in die einzelnen Schulkassen hinein zusammenrückte. Ich war zusammen mit meinem evangelischen Klassenkameraden der einzige, der nicht zur Jugendweihe gegangen ist. Wir Katholiken waren vor die Situation gestellt, entweder die Jugendweihe zu begehen oder die Firmung. Bereits ab Anfang der 50er Jahre ging die Zahl der Taufen deutlich zurück. Bereits1968 waren wir Christen in der Minderheit. Selbst in einem Lutherland über irgendwelche Minderheiten oder Mehrheiten eine Diskussion zu führen, geht vor dem Hintergrund der totalen Säkularisation und Kirchenferne hier in Ostdeutschland an den Realitäten vorbei.

Sehen Sie eine Verbindung zwischen einer säkularisierten Gesellschaft und dem Anwachsen von rechten Strömungen, der AfD beispielsweise? Oder anders gefragt. Wenn das christliche Weltbild samt seinem Wertebild wankt, öffnet sich da der Raum für Relativismus und Diktatur?

Ich würde keine Kausalität damit verbinden, weil ganz Europa insgesamt eine Säkularisierungswelle erlebt. Dieses Anwachsen von rechten Strömungen hat sich innerhalb von wenigen Jahren immer mehr ausgeprägt. Man darf dabei nicht vergessen, dass die AfD eine Gründung aus der westdeutschen Elite heraus ist. Fast alle wesentlichen Leitfiguren in den Fraktionen, in der Partei und auch in den Landtagen, kommen aus dem Westen.

Die Affinität, Protest zu wählen, findet Nährboden in einer Gesellschaft, wo man ein Viertel weniger Geld verdient hat und – aufgrund anderer Biographien sowie bedingt durch das DDR-System – nur einen Bruchteil an Vermögen ansammeln konnte. Hier stellen sich die Menschen dann berechtigt die Frage nach der Alterssicherung, ob genügend Rücklagen da sind, um nach 45-jähriger Arbeit nicht zum alimentierten Sozialhilfeempfänger zu werden. Fünfzig Prozent der Menschen im Osten waren in den 90er Jahren nicht in originärer Beschäftigung. 25 Prozent der Erwerbspersonen waren arbeitslos gemeldet, die anderen 25 Prozent in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, in Vorruhestandsregelungen, in Fortbildungsmaßnahmen, in Kurzarbeit etc. Das sind alles Erlebnisse, die diese Menschen verarbeiten mussten. Im Westen gab es diesen Bruch nicht. Doch stellen wir uns rein hypothetisch vor, wenn es andersherum wäre, wenn in der alten Bundesrepublik die Hälfte der Menschen viele Jahre hinweg nicht in originärer Arbeit gewesen wären, wenn fast alle Immobilien des Bundes oder der freien Unternehmen durch Ostdeutsche gekauft worden wären, wenn alle Universitäten fast komplett von aus Ostdeutschland stammenden Professoren dominiert wären und in allen Landesregierungen zu einem großen Teil aus Ostdeutschland stammende Minister mitregieren? Diese Befindlichkeiten kann man nicht einfach ignorieren.

Jedoch: All die Veränderungen nach der Wende haben die Ostdeutschen mitgetragen was für ihre Weltoffenheit spricht und letztendlich den Wunsch zeigt, dass Ost und West zusammenwachsen. Dieser Wunsch wurde im Osten entwickelt. Wenn man diesen Blick in den Fokus rückt, zeigt sich wie irrational die gesamte Ost-West-Diskussion ist, die derzeit in den Medien geführt wird, inklusive des Vorwurfs an die Ostdeutschen, demokratiefeindlich zu wählen.

Ich selbst als Politiker, der Mitglied der Partei der Deutschen Einheit ist, habe auf diese Zeit gewartet und den Mauerfall als den glücklichsten Moment erlebt. Am Anfang der 1990er Jahre bin ich selbst ins kalte Wasser gesprungen und habe mich aus einem gesicherten Job heraus in die Kommunalpolitik als stellvertretenden Landrat wählen lassen. Seitdem bin ich für die Einheit und die Entwicklung des Landes tätig. Und für mich gilt: Ich muss ja wenigstens versuchen zu verstehen, warum es in den ersten zwanzig Jahren nach der Wende eine Euphorie gab, die sich in einem ziemlich identischen Wählen von in den wesentlichen westdeutschen Parteien niederschlug und warum sich das jetzt wieder auseinanderentwickelt. Dafür muss es objektive Gründe geben. Dirk Oschmann aus Leipzig hat dazu ein Buch mit dem Titel „Der Osten – eine westdeutsche Erfindung“ geschrieben. Als Physiker mit viel Mathematik im Studium komme ich, obgleich ich das Buch nicht so geschrieben hätte, an den statistischen Fakten nicht vorbei. Wenn man weiterhin die Mitte stabil und ausreichend groß halten will, wie das in der Deutschlandkoalition in Sachsen-Anhalt aus CDU, SPD und FDP der Fall ist, muss ich doch wissen, was der Grund ist, warum Menschen die AfD oder das Bündnis Sahra Wagenknecht wählen. Wenn ich mich nicht mit den Fakten und mit den Nöten der Menschen auseinandersetze, weiß ich ja nicht, was zur Stärkung der demokratischen Mitte entweder förderlich oder abträglich ist.

Wenn ich mir Europa anschaue, sehe ich überall ein Abweichen von dem, was man sich idealtypisch vorstellt. Für mich als Demokraten der Mitte ist diese Entwicklung außerhalb Deutschlands beunruhigend, weil auch dort die Flügel links und rechts immer größer werden. Bei der Europawahl hat es für die gesamte Mitte unter Einbeziehung der alten Linken deutliche Verluste gegeben. Eine Ausnahme im Osten ist z. B. das Eichsfeld, das nie rechtsextrem gewählt hat, auch zur Nazizeit nicht, weil es eben eine katholische Hochburg ist. Aber Fakt ist: Die Mitte hat in den Ländern bei der Europawahl in ganz Ostdeutschland und jetzt bei den drei Landtagswahlen keine Mehrheit mehr.

Nach dem Aus der Ampel – ist damit auch der Gesetzentwurf zur Ablösung von Staatsleistungen an die Kirchen vom Tisch? Die Kirchen in Deutschland erhalten diese Staatsleistungen für die Enteignung deutscher Kirchen und Klöster Anfang des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Säkularisierung. Außer Hamburg und Bremen zahlen deshalb alle Bundesländer eine jährliche Summe an die katholische und die evangelische Kirche. 2022 waren es bundesweit insgesamt rund 602 Millionen Euro. Aus welchen Gründen sind Sie gegen das Ampel-Projekt. Es gibt Ihrerseits ja eine kirchliche und eine fiskalische Gegenargumentation. 

Bei dieser Entscheidung waren wir im Bundesrat 14 zu null, also 14 Bundesländer sind dagegen. Die zwei Stadtstaaten Bremen und Hamburg haben sich mangels Betroffenheit zurückgehalten. Alle Flächenländer Deutschlands, ob Ost oder West, haben gesagt, dass diese Diskussion über die Ablösung der Staatsleistungen zur Unzeit kommt. Wir als Bundeländer sind finanziell derzeit gar nicht dazu in der Lage, diese Ablösung zu zahlen. Neben dieser historischen Komponente der Staatsleistungen, die auf die Säkularisation von 1803 zurückgehen, sind für mich die beiden großen Kirchen, die jüdischen Gemeinden und alle Religionsgemeinschaften Wertegeneratoren. Sie sind auch mit Blick auf unser Grundgesetz und auf den Wertekodex, der diesem zugrunde liegt, unverzichtbar. Unser Welt- und Menschenbild wäre ohne die jüdisch-christlichen Wurzeln undenkbar – angefangen bei der Würde des Menschen und dem Schutz des ungeborenen Lebens. Wenn wir diesen Wertekanon wegnehmen oder immer weiter zurückdrängen, frage ich mit Blick auf das Diktum von Ernst Wolfgang Böckenförde („Der freiheitliche, säkulare Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist …“), was ist die Alternative? Dies ist für mich keine Frage von Quantitäten, sondern welcher alternative Wertekodex würde zur weiteren Begründung der Präambel des Grundgesetzes und der wesentlichen Artikel und der Ewigkeitsartikel dienen können? Da sehe ich keine Alternative. Dieser Kodex ist nicht in einem klassisch-diffusen Begriff von Humanismus zu finden, da mit diesem bereits vieles begründet wurde, so auch die Diktatur der DDR. Ich sehe daher keine anderen Werte als die jüdisch-christlichen, aus der sich unsere Gesellschaft speisen kann. Diesen Wertekanon gilt es weiterhin, auch mit Blick auf die Ewigkeitsklausel. in der Gesellschaft präsent zu halten. Ich als Politiker sehe daher keine Alternative, an welcher Grundkonzeption sich eine zukünftige Gesellschaft orientieren soll. Diese Werte, die über Generationen weitergegeben, als universelle Werte gelten und immer eine Letztbegründung brauchen, kann man nicht aushebeln. Wenn sie in einer Gesellschaft nicht mehr existent sind, ist eine Renormierung der Gesellschaft aus diesen Werten unmöglich. Auf diese Grundkonzeption haben sich die Mütter und Väter nicht umsonst geeinigt.

Schon zum zweiten Mal haben Sie im Bistum Regensburg Konnersreuth besucht. Therese Neumann, genannt Resl von Konnersreuth, liegt Ihnen am Herzen. Zudem haben Sie in diesem Jahr das Fritz Gerlich-Denkmal besucht. Was verbinden Sie mit der „Resl“ und Fritz Gerlich für unsere heutige Gesellschaft, was können wir für unseren Glauben von diesen Persönlichkeiten lernen?

Man braucht einen gewissen religiösen Bezug, um die Spiritualität und diese konkrete Biografie von Theresa von Konnersreuth zu erkennen. Das Entscheidende für mich ist aber, welche Wirkung sie entfaltet hat. Sie und ihr Umfeld waren ein Stachel im Fleisch des Nationalsozialismus. Und Fritz Gerlich war als Intellektueller in den Medien ein Hauptgegner von Adolf Hitler in den zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre. Durch die Lektüre der Zeitung „Der gerade Weg“ wusste Hitler sehr genau, welche Gefahr für ihn von diesem Medium ausging. Gerlich hatte seinen Wertekanon sehr stark auf Theresa von Konnersreuths Denken aufgebaut, die in ihrem Umfeld sehr klar gemacht hat: Dieser Nationalsozialismus, diese rassistische und völkische Ideologie ist unchristlich, Hölle und Sünde zugleich. Gerlich wurde aufgrund seiner Kritik gemeuchelt. Er leistete von 1931 bis zu seiner Festnahme am 9. März 1933 publizistischen Widerstand auch gegen die NSDAP und den Nationalsozialismus in Bayern. Gerlich zeigte als einer der ersten, was das für eine Katastrophe ist, diesem Hitler die Macht in die Hand zu geben. Für mich als Politiker ist Gerlich ein Vorbild. Ich bewundere diese Personen, gerade aber auch die Resl, die den Mut hatte, sich gegen die Einflussnahme durch die NSDAP zu wehren. Ihr Mut und ihre Widerstandskraft sind für mich beeindruckende Lebenszeugnisse. Für mich verkörpern Personen wie Gerlich und Theresa von Konnersreuth ein Stück Heilsgeschichte. Sie haben damit gezeigt, dass es Menschen gab, die nicht hinter diesem Diktator standen, sondern diesem ihr christliches Menschenbild entgegengehalten haben und so verdeutlichten, dass das, was im Nationalsozialismus geschehen ist, eine Sünde und ein unglaubliches Verbrechen war.

Sie raten den Katholiken in Deutschland zu einem weltkirchlichen Blick. Könnten Sie das bitte erklären? Wie bewerten Sie den Ausgang der Weltsynode in seinen Auswirkungen auf den katholischen Sonderweg der deutschen Kirche?

Es ist immer gut, wenn Synoden mit einer klaren Positionierung stattfinden. Aber diese Synode war weltkirchlich besetzt, um uns in Deutschland klarzumachen, dass wir formal eine Untergröße sind, die von der Entwicklungsperspektive her eher sich selber durch die gesellschaftliche Entwicklung und durch die wachsende Kirchenferne marginalisiert. Wir in der DDR haben aus einer Minderheiten- und Diaspora- Situation heraus erlebt, dass wir nur überlebten und Weltkirche gewesen sind, weil wir mit Rom verbunden waren. Wir wussten, dass Rom wiederum dafür sorgt, dass der „Tross“ beisammen bleibt. Deswegen kann es durchaus regionale Unterschiede geben, eine Buntheit im Glauben. So erleben wir von unseren polnischen Schwestern und Brüdern in den Gemeinden jetzt, dass sie ihre eigene Spiritualität wieder beleben und unsere Gottesdienste bereichern.

Aber vielleicht noch ein anderer Gedanke zur Synode: Wir müssen uns einfach zurücknehmen. Deutschland ist nicht der Nabel der Welt. Wir haben aus unserer eigenen Geschichte doch ausreichend nachgewiesen bekommen, dass nichts problematischer ist als wenn wir glauben, wir hätten den Stein der Weisen gefunden.

Wir haben die Unterstützung der westdeutschen Kirche in der DDR-Zeit unbedingt gebraucht. Wir waren ja immer auch Bistumsteil. Rom hat bewusst nicht die Grenzen geändert. Ein wichtiges Ereignis der DDR-Kirchengeschichte war das große Katholikentreffen 1987 in Dresden mit 100.000 Teilnehmern. Joseph Ratzinger, damals Kurienkardinal in Rom, reiste als Vertreter des Papstes in die Elbestadt – und er machte uns deutlich, dass Rom hinter uns steht und uns hinter dem Eisernen Vorhang nicht im Stich lassen wird. Der Heilige Stuhl, insbesondere Johannes Paul II., ist es gewesen, der verhinderte, die DDR völkerrechtlich anzuerkennen. Die Möglichkeit zur Wiedervereinigung war damit durch Rom gegeben. Und aus der Lutherstadt Wittenberg kommend kann ich nur sagen: Nichts ist schlimmer, als wenn aus dem christlichen Glauben heraus Spaltungen und Absetzbewegungen existieren. Man muss Kompromisse finden, damit wir zusammenbleiben. Nur so haben wir eine globale Möglichkeit, unsere Werte und unsere Solidarität bis hin zu den Mechanismen von Caritas und Kolping zu praktizieren. Es geht darum, dass wir mit unserem universellen Netzwerk für den christlichen Glauben und die damit einhergehende Solidarität und Menschlichkeit eintreten.

Thema Lebensschutz: Assistierter Suizid, die Legitimierung der Leihmutterschaft, die Aufweichung von Paragraf 218 zur Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen. Alles ambitionierte Ideen von Grünen, Linken und Sozialdemokraten. Wie weit dürfen wir gehen, steht unser menschliches Weltbild in Gefahr oder wird nach dem Ampel-Aus alles anders?

Ich will mich daran erinnern, was uns die Mütter und Väter des Grundgesetzes dort im unmittelbaren Erleben der NS-Zeit niedergelegt haben. Wir sind gut beraten, uns an dieser Grundintention zu orientieren und auf diese zurückzubesinnen – auch mit ihren Ewigkeitsartikeln. Das Bleiben an der Ursprungsintention und dem Ursprungstext ist die eigentliche „historische Mission“. Das Grundgesetz entstand vor dem Hintergrund von Personen, die ihre geschichtliche Erfahrung mit eingebracht haben, was an Unheil auf dieser Welt durch Menschen möglich ist. Und deswegen muss man sehr sorgsam mit all diesen Werten umgehen, um nicht einer Bewegung Vorschub zu leisten, die diese wieder in Frage stellen will.

Unter den veränderten politischen Bedingungen, also nach dem Aus der Ampel und dem Erstarken der CDU – werden Sie bei der nächsten Landtagswahl wieder antreten?

Die nächste Landtagswahl muss unbedingt mit einer gemeinsamen und starken demokratischen Mitte gewonnen werden. Und alles, was dafür notwendig ist, ist zu gegebener Zeit zu entscheiden. Diese Entscheidung fällt üblicherweise seit Jahrzehnten in Deutschland circa ein Jahr vor der Landtagswahl durch die Partei und ihre Gremien.

Sehr herzlichen Dank für das ausführliche Interview

Das Gespräch führte am 18. N0vember 2024 Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz

Über Stefan Groß-Lobkowicz 2175 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".