Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz kritisiert Annalena Baerbocks Migrationspolitik

Sebastian Kurz Foto: Stefan Groß

Ganz kann Sebastian Kurz (ÖVP) nicht von der Politik lassen. In Sachen Seenotrettung geht er jetzt in die Offensive gegen die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Mehrere in Italien tätige NGOs sollen laut dem Auswärtigen Amt Zuschüsse in Höhe von jeweils 400.000 bis 800.000 Euro erhalten – darunter auch die Organisation SOS Humanity. Für Kurz sind derartige Unterstützungen „hochproblematisch.“ Ein Kommentar von Stefan Groß-Lobkowicz

Er war einst der Shootingstar der österreichischen Politik, auf europäischem Parkett geachtet und geschätzt – gerade in den neuen Mitgliedsländern im Osten Europas. Viele seiner Anhänger sahen ihn gar in einer Führungsposition in Brüssel. Denn der jüngste Außenminister Österreichs setzte in der Flüchtlingskrise 2015 maßgebende Akzente. Kurz war es damals, der die Migrationsflut über den Balkan Richtung Europa stoppte. Nicht der EU oder der damaligen CDU-Kanzlerin Angela Merkel war diese schnelle Reaktion zu verdanken, sondern einem Ausnahmepolitiker, der in Krisen nicht prätentiös die Probleme wegredet, sondern als mutiger Pragmatiker gegen den Strom anschwamm. Nun hat der Ex-Ösi-Kanzler schwere Vorwürfe gegen das deutsche Außenministerium und die Ministerin Annalena Baerbock erhoben. „Das deutsche Außenministerium hat offenbar nicht das Ziel einer restriktiven Migrationspolitik oder die Außengrenzen effektiv zu schützen“, sagte er der „Bild“.

Der Migrationskurs der grünen Außenministerin und ihrer Partei mit ihrer Politik der offenen Tore sorgt derzeit auch dafür, dass die Grünen in Deutschland in der Wählergunst rapide Richtung Keller marschieren. Mit ihrer „Gutmenschen-Politik“ so kritische Stimmen, stoße Baerbock auch bei den europäischen Nachbarländern immer mehr auf Widerstand. Für viele Deutsche ist die Außenministerin gar eine politische Fehlbesetzung, extreme Stimmen verleihen ihr sogar das Prädikat „schlechteste Außenministerin der Bundesrepublik“. Für viele, die ihren Kurs nicht teilen, gründet der grüne Weltrettungsenthusiasmus auf einem naiven Politikverständnis, das an den Interessen der eigenen Bevölkerung radikal und ignorant vorbeigeht. Radikale werfen ihr in Sachen Migrationspolitik sogar Kontrollverlust vor.

Baerbock macht eine falsche Migrationspolitik

Sebastian Kurz hat nun Baerbock vor einer möglichen Migrationswelle in Richtung Europa gewarnt. Auch CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder, der schon 2015 in Richtung Berlin gegen die damalige Migrationspolitik wetterte, fordert nunmehr eine Obergrenze für Geflüchtete, die Aufstockung der Polizei sowie eine strikte Kontrolle an deutschen Grenzen. Allein in diesem Jahr kamen mehr Flüchtlinge als 2015, dem Jahr der ungefilterten Massenmigration, nach Deutschland und in die EU – dies weiß Söder, gerade in der Endphase des heißen Wahlkampfes in Bayern.

In einem Interview mit der „Bild“-Zeitung richtet Kurz seine Kritik insbesondere auf die Unterstützung sogenannter Seenotretter im Mittelmeer seitens der Ampel-Regierung in Berlin. Aber nicht nur gegen das politische Berlin stimmt Kurz sein Klagelied an, im Visier hat er auch die Europäische Union, die, wie er moniert, immer noch keinen effektiven Außengrenzschutz habe. In Brüssel sei man selbst nach Jahren meilenweit von einer Lösung der Flüchtlingsfrage entfernt. Die Fäden der Macht hat die EU schon längst an die korrupte und menschenverachtende Schleppermafia abgegeben. „Die EU hat noch immer keinen funktionierenden Außengrenzschutz. Schlepper entscheiden, wer zu uns kommt – nicht die souveränen Staaten oder die EU“, so Kurz gegenüber „Bild“-Zeitung.

Unterstützung möglicher Seenotretter bleibt höchst problematisch

Was der Ex-Kanzler an Baerbocks offener Tor-Politik grundlegend kritisiert, ist, dass die Grünen-Politikerin Seenotrettungsoperationen unterstützt, die Migranten aus dem Mittelmeer nach Europa bringen. Wie Kurz schon vor Jahren monierte, sei dies der falsche Ansatz. Es befriede nicht die Situation, so der ehemalige ÖVP-Chef, sondern verschärfe diese und sende zudem ein falsches Signal an die Schlepperbanden und Migranten. Wie Kurz hervorhebt, gibt es „leider immer wieder Maßnahmen, die ohnehin schon schlimme Situationen noch schlimmer machen“. Und er fügt hinzu: „Dass das deutsche Außenministerium durch die Unterstützung sogenannter Seenotretter organisiert, dass Migranten nach Europa gebracht werden und nicht in Herkunfts- oder Transitländer, ist hochproblematisch.“ Flankendeckung erhält er unterdessen vom früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU), der ebenfalls kritisiert, dass Deutschland NGOs unterstützt, „die Flüchtlinge eben nicht nur retten, sondern auch nach Europa bringen.“ Dies aber „ist die Geschäftsgrundlage für die Schlepperkriminalität.“

Doch es ist nicht nur Baerbocks scheinbar naive „Gutmenschen-Gesinnung“, die Kurz im Blick hat. Generell kritisiert er ein generelles Politikversagen in Sachen Migration, die letztendlich, wenn der Status quo aufrechterhalten wird, zu weiteren massiven Migrationsbewegungen führen könnte. „Die Realität ist ganz einfach: Hunderte Millionen Menschen auf der Welt leben unter sehr schlechten Bedingungen. Wenn der Eindruck ist, dass unsere Grenzen offen sind, werden sich auch Millionen Menschen auf den Weg machen“.

Kurz: Elon Musk hat mit seiner Kritik recht

Der Ex-Kanzler ist nicht die einzige Stimme, die derzeit Kritik an der Migrationspolitik der Bundesregierung übt. Bereits Tech-Milliardär Elon Musk hatte die Bundesregierung für die Finanzierung von selbsternannten Seenotrettern vor der Küste Afrikas kritisiert. Wie Kurz gegenüber der „Bild“ sagte: „Musk hat hier mit seiner Kritik recht“. Auf einen Tweet des deutschen Außenministeriums auf „X“, Musks „Twitter“-Nachfolger, schrieb dieser: „Sie sind also tatsächlich stolz darauf. Das ist interessant. Ehrlich gesagt, bezweifle ich, dass die Mehrheit der deutschen Öffentlichkeit dies unterstützt. Haben Sie eine Umfrage durchgeführt? Ist es nicht eine Verletzung der Souveränität Italiens, wenn Deutschland eine große Zahl illegaler Einwanderer auf italienischen Boden bringt?“

Über Stefan Groß-Lobkowicz 2149 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".