Eigentlich braucht Deutschland eine Partei wie die LINKE. Doch um die Genossen steht es derzeit nicht gut. Die Doppelspitze um Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler hatte der Partei in den vergangenen Jahren nicht gut getan, den Verfallsprozeß gar noch beschleunigt. Von den einstigen Rekordzahlen im Osten nach der Wende musste sich die SED-Nachfolge-Partei längst verabschieden. In den fünf neuen Bundesländern, wo man einst Erfolgsraketen gegen die etablierte CDU/SPD Achse zündete, jubiliert jetzt der rechte Rand um Björn Höcke. Schon bei der Bundestagswahl 2021 war der Niedergang zu spüren. Damals war die Partei an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und nur dank der Grundmandatsklausel mit 39 Abgeordneten in den Bundestag eingezogen. Aktuell muss die LINKE fürchten, wieder an den fünf Prozent zu scheitern.
Längst ist die einst im Osten starke LINKE auf dem Abstellgleis. Bemühungen die Partei auch für den Westen attraktiv zu machen, fruchteten nicht. Die alten Kader sind verstorben, die junge Generation wählt lieber Grün. Dabei fehlt es nicht in charismatischen Köpfen in ihren Reihen: Sahra Wagenknecht, Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch sind altgediente Patrioten und von vielen Bürgern in allen politischen Lagern geschätzt.
Die Partei braucht mehr Bürgerlichkeit
Mit dem Thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, immerhin der erste Ministerpräsident der LINKEN und seit 5. Dezember 2014 im Amt, hat man einen Politiker, der charismatisch vermittelnd und auf den ersten Blick kein Radikaler, sondern eher ein Versöhner ist. Doch auch Ramelow kann derzeit mit 21 Prozent in den Wahlumfragen die AfD mit fast 33 Prozent auf der Überholspur nicht stoppen. Dass der 1956 als Sohn einer studierten Hauswirtschaftsleiterin im niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck geborene Politiker für so etwas wie Bürgerlichkeit und Mitte steht, zeigt sich zumindest dann, wenn der ehemalige CDU-Chef des Freistaates, Mike Mohring, seine Partei auffordert, sich offen für Gespräche mit den Linken nach der Landtagswahl zu zeigen.
Während ein bisschen Bürgerlichkeit den LINKEN Not täte, läuft eine Personalie dazu wieder quer. Carola Rackete soll Spitzenkandidatin der Linken für die Europawahl werden. Die deutsche linke Klima- und Flüchtlingsaktivistin erlangte internationale Bekanntheit, als sie im Juni 2019 als Kapitänin der Sea-Watch 3 aus Libyen kommende Flüchtlinge bzw. Migranten im Mittelmeer aus Seenot rettete. Nach wochenlangem Warten auf eine Genehmigung und eines Verbots durch italienische Behörden hatte sie damals den Hafen der Insel Lampedusa angelaufen und verbrachte einige Tage nach der Festnahme im Hausarrest. Später wurde das Verfahren gegen Rackete wegen Widerstands gegen ein Kriegsschiff eingestellt.
Rackete ist einfach die falsche Personalie
Rakete ist für die LINKE zu radikal, zu öko. Sie will sich für Verteilungsgerechtigkeit, Menschenrechte, eine gesunde Umwelt und ein stabiles Erdklima stark machen – außer Gerechtigkeit nicht unbedingt Themen der Linken. Mittlerweile wächst der Widerstand gegen die Rebellin im eigenen Lager. Kritik an der Personalie kam schon Anfang August. Damals sagte Klaus Ernst, von 2010 bis 2012 Vorsitzender der Partei: „Der Vorschlag des Parteivorstandes, die parteilose Carola Rackete an sämtlichen Parteigremien vorbei als Spitzenkandidatin für die Europawahl auszurufen, beweist weiter die Geisterfahrt der politischen Führung der Linken.“ Ernst legte noch einen drauf: Rackete vertrete Positionen, „die mit der Programmatik der Linken kaum vereinbar sind“. So werde die Partei weiter gespalten, was so Ernst, auch „das Ziel des Parteivorstandes“ sei. Auch für den Linken-Bundestagsabgeordneten Alexander Ulrich läuft die Nominierung von Rackete in die falsche Richtung. „Mit der Europa-Kandidatur von Carola Rackete verprellen wir Arbeitnehmer und stoßen all unsere traditionellen Wähler vor den Kopf.“ „Frau Rackete wird so eher zu einem Wählerschreck und zu einem Geschenk für die AfD.“ Wie Ulrich darüber hinaus betont, sei es „grundfalsch, allein um frühere Grünen-Wähler zu werben.“ Und er fügte hinzu: Die neue Personalie zeige in aller Deutlichkeit, dass die LINKE „trotz jahrelanger Wahlniederlagen nicht verstehen will, warum wir bei vielen Arbeitnehmer, sozial Benachteiligten oder Friedensbewegten kaum noch wählbar sind“. Wie Ulrich kritisch darüber hinaus noch vermerkt, steht die radikale Klimapolitik und der Ruf nach offenen Grenzen nicht für das Klientel der LINKEN, wenn Sozialthemen weiter vernachlässigt werden. Damit könne man nichts gewinnen, sondern nur weiter verlieren. „Wir können nicht alle Menschen aufnehmen, die zu uns kommen wollen“, so der LINKEN-Fraktionsgeschäftsführer.
Europawahl am 9. Juni 2024
Am 9. Juni 2024 findet die nächste Europawahl statt. Alle fünf Jahre haben die Wähler der EU die Möglichkeit, ein neues Parlament zu wählen. Bei der letzten Jahr 2019 hatte die Union 28,9 Prozent der Stimmen erzielt, die SPD kam auf 15,8 Prozent, die Grünen auf 20,5 Prozent. Die AfD erzielte 11 Prozent, die Linke 5,5 Prozent und die FDP 5,4 Prozent.