Stefan Aust: Der Baader Meinhof Komplex, Hoffmann und Campe, Hamburg 2017, ISBN: 978-3-455-00033-7, 32 EURO (D)
1985 erschien die erste Auflage des Buches von Stefan Aust mit demselben Titel. Mit dem Fall der Mauer sind neue Erkenntnisse aufgetaucht: Eine Gruppe der RAF lebte mit gefälschten Identitäten in der DDR, einige andere kooperierten mit der Stasi. Aufgrund dieser Akten und ausführlichen Interviews mit Beteiligten wurde das Buch zum ersten Mal 1997 ergänzt. Nun sind viele neue Fakten hinzugekommen, die eine vollständige Neuauflage des Buches notwendig machte. Erstmals ist das Buch auch mit Fotos ausgestattet worden. Einige Vorgänge werden detaillierter beschrieben als in früheren Versionen des Buches.
Das Buch will möglichst die Fakten sprechen lassen und Wertungen vermeiden: „Dieses Buch ist keine Anklageschrift und nicht das Plädoyer eines Verteidigers. Es ist auch kein Urteil, weder in juristischer noch in moralischer Hinsicht. Es soll ein Protokoll sein, eine Chronik der Ereignisse von Juni 1967 bis zum ‚Deutschen Herbst‘ 1977, (…)“. (S. 13)
Diese neuen Recherchen von Aust führten zu zwei neuen Erkenntnissen: „Wie genau man innerhalb der RAF über die Tatsache des Selbstmordes der Gefangenen in Stammheim Bescheid wusste und wie systematisch man die Mordlegende gestrickt hat. Und: Welch ein ungeheures Versagen des staatlichen Fahndungsapparates dazu geführt hat, dass Schleyer nicht befreit wurde, obwohl es schon weniger als 48 Stunden nach der Entführung einen konkreten Hinweis auf sein Versteck gab.“ (S. 16)
Das Buch beginnt mit der Mord des Polizisten Kurras an dem Studenten Benno Ohnesorg 1967 und dem anschließenden Weg in den Untergrund eines Teil der Studentenbewegung. Die beiden weiteren Kapitel handeln von der Konstituierung der RAF, ihren Zielen, Aktionsformen und das Innenleben der Gruppe. Anschließend folgt der Prozess gegen führende Mitglieder der Gruppe von 1975-1977. Dann geht es um die Ereignisse im Herbst 1977: die Entführung und Ermordung Hanns Martin Schleyers, die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs Landshut und die Selbstmorde der inhaftierten führenden Mitglieder der ersten Generation der RAF und deren Folgen.
Dieses Buch hebt sich wohltuend schon in früheren Auflagen von der Dämonisierung und Abrechnung mit der ersten Generation der RAF ab, genauso ist es auch diesmal. Es enthält neue Erkenntnisse und wurde vollständig überarbeitet, auch wenn noch – wie der Autor selbst einräumt – noch einige Fragen offen bleiben. Auch für Leute, die die früheren Fassungen kennen, ist die Neuauflage zu empfehlen.