Soll die Jugend doch zahlen!

Die Rentenpolitik der Großen Koalition stolziert in Spendierhosen übers Land. Die Jungen werden ausgeplündert. Dabei hat Schäuble Recht: Es wäre nur fair, dass wir länger arbeiten und flexibel in den Ruhestand wechseln.

Die Große Koalition fühlt sich derzeit an wie Hannover 96 – als sicherer Absteiger. Sie schießt in der Migrationspolitik allerlei Eigentore, ihr Vize-Kapitän Sigmar Gabriel (SPD) wechselt permanent die Spielrichtung und die eigene Fankurve wendet sich massenhaft ab. Die jüngsten Wahlergebnisse waren Kanter-Niederlagen und die Umfragen signalisieren keine Relegation. Also besinnen sich die Großkoalitionäre auf den ältesten Regenten-Trick, endlich wieder geliebt zu werden: Man verteilt Geschenke. Die Große Koalition will vor allem der alternden Bevölkerung Gutes tun und hat eine Rentenpolitik der großen Gaben ausgerufen. Von SPD bis CSU überbieten sie sich geradezu darin, in großen Spendierhosen übers Land zu ziehen und die Alten zu beglücken. So hat die Bundesregierung nun die von Arbeitsministerin Nahles geforderte Mega-Rentenerhöhung abgesegnet. Damit steigen die Bezüge zum 1. Juli im Westen um 4,25 und im Osten um 5,95 Prozent – das stärkste Plus seit 23 Jahren!
Die kostspielige Mütterrente und die noch kostspieligere Rente mit 63 sind bereits eingeführt, nun wird eine „Lebensleistungsrente“ und der „Ost-Sprung“ (die sofortige Angleichung der Rentensysteme Ost und West) debattiert. Die Riester-Rente steht vor der Rückabwicklung, und der Beamtenversorgung bis zur Grundsicherung kommen täglich neue, teurere Ideen aus den Regierungsparteien.
Was so alterslieb klingt, ist in Wahrheit ein dreister Griff in die Taschen den nächsten Generation. Denn das Rentensystem trägt sich schon lange nicht mehr selbst, es muss durch den Bundeshaushalt in dramatischer Weise subventioniert werden. Die Versorgung von Senioren ist heute der mit Abstand größte Kostenposten im Bundeshaushalt. „111 Milliarden Euro werden zur Altersversorgung eingesetzt – das ist eine gewaltige Hausnummer“, kritisiert der Präsident des Bundesrechnungshofes Kay Scheller. Die Grundsicherung im Alter hat er dabei noch nicht einmal einberechnet. Die schlägt mit rund 6,5 Milliarden Euro extra zu Buche.
Insgesamt wird jeder dritte Euro im Bundeshaushalt für die vielfältigen Versorgungslasten ausgegeben. Deutschland leistet sich gewaltige Summen für wohlhabende Rentner, aber bescheidene Etats für Jugend, Forschung und Bildung. „Immer weniger Mittel stehen für investive Zwecke bereit“, warnt Scheller.
Nahles und Gabriel werkeln nun sogar an der Rückabwicklung der Riester-Rentenreform von 2001 – ein Kernelement der Agenda 2010 von Gerhard Schröder. So wirft sich Andrea Nahles in die Pose eines Bulldozers privater Altersvorsorge und verkündet, die gesetzliche Rente sei wesentlich robuster und wetterfester als die private Konkurrenz – als hätte die staatliche Rente keine Probleme.

Mit der Sugardaddy-Attitüde ist der Abstieg sicher

Dabei war die damalige Entscheidung, die Alterssicherung auf mehrere Säulen zu stellen, goldrichtig und ein wesentliches Element für den wirtschaftlichen Reformerfolg Deutschlands in den vergangenen Jahren. Nun herrscht etatistische Restauration.

Auch mit der politisch erzwungenen Nullzinspolitik wird diese Gegenreformation befördert, denn bei Nullzinsen lohnt sich keine private Altersvorsorge mehr. Und so werden Millionen Deutscher hineingetrieben ins staatliche Subsidiensystem, das von der Steuerhand in den Rentnermund lebt.
Da kaum ein anderes Land der Welt so dramatisch altert wie Deutschland, würde verantwortliche Rentenpolitik das Gegenteil der Spendierhosenverstaatlichung bedeuten. Man müsste das rigide, teure System mit festen, einheitlichen Eintrittsaltern liberalisieren, öffnen und der Alterung anpassen.
Ausgerechnet Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) – der älteste unter den Regierenden – kontert mit guten Argumenten die Sugardaddy-Attitüden seiner Kabinettskollegen. Er spricht sich – es lebe die politische Inkorrektheit – für einen späteren Rentenbeginn in Deutschland aus. Und der gesunde Menschenverstand sagt den Deutschen, dass das bei steigender Lebenserwartung zwar nicht populär, aber notwendig sein wird. Es braucht endlich einen Link zwischen Lebensarbeitszeit und Lebenserwartung in der Rentenformel – sonst wird sie von der nächsten Generation nicht mehr finanzierbar.
Wer hingegen immer nur neue Leistungen aus dem staatlichen Füllhorn verspricht, kann auch gleich in seiner Fankurve bei allen unter 50 ins Portemonnaie greifen. Wahlen wird man mit einer derart durchschaubaren Fremdgeld-Politik nicht gewinnen, den eigenen Abstieg eher befördern.

Quelle: Handelsblatt

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/whatsright/whats-right-zur-rente-soll-die-jugend-doch-zahlen/13485978.html

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