Mit Friedrich Schiller hat er es. Und mit Festivals. Irgendwie. Vor fünf Jahren machte er mit einer Version des Schiller-Stoffes vom Geisterseher sein Regie-Diplom am Berliner Maxim-Gorki-Theater (MGT). Prompt lud ihn damit im Jahr darauf Dramaturg Kilian Engels zum Münchner Volkstheater-Festival „Radikal jung“ ein. Ist er wirklich (noch) so radikal jung? Wieder ein Jahr später reüssierte seine „Geisterseher“-Variante bei den Mannheimer Internationalen Schillertagen. 2012 ließ er an Schillers „Räubern“ entlang die Sau raus, beim Kleistfestival seines Heimspielorts, des MGTs, wo er seit der Saison 2010/11 Hausregisseur ist und mit einer Reihe von Inszenierungen, darunter Uraufführungen, hervortrat. Nikolaus Bachlers Ruf an die Bayerische Staatsoper konnte der gebürtige Tübinger mit dem südamerikanischen Namen nicht ausschlagen, um hier mit einer ebenso radikalen wie stimmigen Deutung von Gioacchino Rossinis Oper „Guillaume Tell“ die Münchner Opernfestspiele 2014 zu eröffnen: wieder ein Stoff, den er bei Schiller fand, seinem Landsmann.
Die auf den Max Joseph-Platz als „Oper für alle“ übertragene „Tell“-Premiere saß der 31-Jährige nicht etwa im schwarzen Anzug in der Intendanten-Loge ab. Vielmehr genoss er, mit einem Gläschen Weißwein in der Hand, das – „sein“ – Schauspiel bei 40-minütigem Gewitterregen im Trockenen unterm Dach des Münchner Nationaltheater-Portals. Das kritische Publikum sparte drei Stunden später nicht mit Missfallensäußerungen. Ob er das so ohne weiteres wegsteckte? Als einer, den die renommierte Zeitschrift „Theater heute“ 2010 zum „Nachwuchsregisseur“ kürte, der einen für Frankfurt produzierten wunderbaren „Peer Gynt“ auch beim „Radikal jung“-Festival zeigen durfte und 2011 mit dem Kurt-Hübner-Regiepreis ausgezeichnet wurde, mag er auf die Buhs doch gepfiffen haben.
So radikal jung wie sich das nun alles anhört, ist Antù Romero Nunes nun auch wieder nicht mehr. Die 31 Lebensjahre sieht man ihm nicht an. Man schiebt ihn gerne noch in den Leistungskurs Deutsch am Tübinger Geschwister-Scholl-Gymnasium, auf jeden Fall noch in die Berliner Schauspiel-Hochschule „Ernst Busch“, die der junge Nunes – wie gesagt – mit Schillers „Geisterseher“ abschloss. Ob das Super-Regie-Talent der Oper erhalten bleibt? Mozarts „Don Giovanni“ hatte Nunes jedenfalls schon einmal (2010/11 am Hamburger Thalia-Theater) mit Schauspielern erarbeitet. Das Jonglieren mit den Stoffen, die das Theater an den Menschen heranträgt, scheint dem Sohn eines Chilenen zu gefallen. Er bedient sich der Inhalte je nach Anmutung und Gelegenheit und bringt sie – mit oder ohne unterlegte Musik – auf die Bühne.
Diese bedeutet ihm, so will es scheinen, alles. Schon als Schüler, wie seine jetzt journalistisch tätige Klassenkameradin Anna Kistner 2010 der Öffentlichkeit kundtat: „In der Theater AG war er die umschwärmte Schulberühmtheit“. Heute gilt er „als großes Regietalent“. Ein Senkrechtstarter. Als Schauspieler trat er auf der Tübinger Workshop-Bühne auf, in Hauptrollen. Doch darin fühlte er sich nicht wohl. Auftritte als Darsteller seien ihm sogar „direkt peinlich“ gewesen: „Zieh dir als 16-Jähriger mal vor 900 Zuschauern dein T-Shirt aus!“, gab er Kistner gegenüber zu bedenken. Weil ihn der Rummel um den Schauspieler Antú Romero Nunes nervte, wechselte er just die Seiten und wandte sich der Regie zu. Mit ihr sei es „wie mit einem wilden Tier“, das zuerst klein ist und gefüttert wird, um zu wachsen – „und plötzlich entsteht eine Bestie daraus“. So plötzlich war das dann aber im richtigen Nunes-Leben auch wieder nicht: „Nach dem Abitur habe ich bei Daimler am Fließband Geld verdient und bin davon rumgereist …“ An seine Schauspielschulzeit erinnert Antù sich ungern. Er nahm eine Auszeit, reiste mit zwei Freunden ins Land seiner Mutter, Portugal. Der Schulzwang trieb ihn fort. Den Spaß am Theater gab ihm Jan Bosse zurück, der als Dozent an sein Talent glaubte und es förderte.
Die Welt zu erklären, lag schon dem 26-Jährigen fern. Er wollte sie auch nicht aus den Angeln heben. Nicht einmal Missstände wollte er in seinen Regiearbeiten anprangern. Ihm waren Träume wichtig, als „wahnsinniges Kapital“. Bleibt zu hoffen, dass dieses Kapital noch lange weiter wuchert und die Welterklärungs-Absicht ihn nie überfällt. Übrigens: Wer Nunes` Münchner Nationaltheater-Debüt „Guillaume Tell“ bei den diesjährigen Opernfestspielen verpasste, muss bis Januar 2015 warten. Da steht er, am 18., 21. und 25., wieder auf dem Spielplan
Antú Romero Nunes (31) – von Hans Gärtner beobachtet am Premierenabend seines Staatsopern-Debüts „Guillaume Tell“ vor dem Münchner Nationaltheater
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