Für Martin Heidegger war die gesamte menschliche Existenz ein Sein zum Tode. Denn Existieren heiße, Möglichkeiten zu ergreifen, andere fallen zu lassen. Der Tod aber sei die letzte, unausweichliche Möglichkeit. Und es sei die Befindlichkeit der Angst, die den Tod als diese letzte Möglichkeit erschließe, der immer der jemeinige Tod sei, in dem es ganz und nur um mich gehe, so Heidegger. Zugleich stellt der Tod, insbesondere der jemeinige, eine ungeheuerliche Ungeheuerlichkeit dar, die uns erschüttert und oft auch überfordert, die uns irgendwie ratlos macht. Eine Meditation über den Tod und damit auch das Leben.
Der Tod als das Ende des Lebens, welches auf dieses zurückstrahlt
Angesichts des Todes eröffne sich ein abgesteckter Entscheidungsraum innerhalb dessen man existiere, meinte der Großmeister des Nachdenkens über den Tod. Erst wenn wir diesen bewusst annehmen, so existieren wir als Ganzes. Damit sei der Tod nicht einfach ein letztes Geschehnis, sondern er strahle auf die Existenz des Daseins zurück. Die Sterblichkeit und Endlichkeit des Daseins bestimme damit dieses schon während seines Lebensvollzugs, so Martin Heidegger.
Ich glaube, je älter wir werden, desto mehr wird uns bewusst, was für eine Ungeheuerlichkeit der Tod darstellt. Wenn er quasi immer weniger abstrakt und weit weg, sondern immer konkreter wird, immer näher rückt. Wenn man mit spätestens Anfang/Mitte vierzig in die zweite Lebenshälfte eintritt und einem irgendwann gewahr wird, dass man ab jetzt, selbst wenn alles optimal läuft, seinem Tod schon näher ist als seiner Geburt. Oder wenn einem mit Mitte/Ende fünfzig bewusst wird, dass man nun endgültig ins letzte Drittel seines Lebens eingetreten und die Mitte des Lebens vorüber ist.
Der Raub des Lebens
Oder wenn man jemanden verliert, der einem nahe oder gar sehr nahe stand. Einige erleben das ja sogar bereits in jungen Jahren, dass sie einen Menschen verlieren, der ihnen ganz nahe stand, die Großeltern, die eigenen Eltern, womöglich der beste Freund, die beste Freundin oder der eigene Partner. Oder sie sterben selbst ganz jung. All das erschüttert uns noch mehr, da wir das als eine Art Raub, als Lebensraub empfinden. Gibt es eine größere Ungerechtigkeit als jemandem das Leben zu rauben, das noch nicht mal zur Hälfte, womöglich nicht mal zu einem Drittel gelebt wurde? Warum tut die Natur, warum tun das andere Menschen? Irgendwie können wir das nicht fassen.
Generell aber ist die Ungeheuerlichkeit des Todes, ob früh oder spät, so groß, dass sie uns allgemein zutiefst erschüttert. Wir sehen ja den eigenen Tod weniger als Wegfall alles Kummers, aller Sorgen und Nöte, aller Schmerzen, weniger als ewige Schmerzbefreiung, sondern eher so, dass uns quasi alles weggenommen wird. Alles! Sogar unsere Existenz.
Das Unfassliche: unser eigenes Sein und nicht mehr sein
Sowohl das andere Menschen verlieren als auch die Aussicht auf den eigenen Tod übersteigt irgendwie unsere inneren Kräfte, unser Fassungs- und Erfassungsvermögen. Das heißt, unser Denkvermögen, die Fähigkeit, weit über das unmittelbar vor uns Liegende hinauszublicken, unser Bewusstsein, speziell unser Bewusstsein, die Geliebten nie wieder zu sehen und das Bewusstsein von uns selbst in seiner Endlichkeit, führt uns am äußersten Rand an das Unfassbare, das Unfassliche, das Ungeheuerliche.
Das erzeugt eine gewisse Ratlosigkeit in uns, wie wir damit umgehen, wie wir damit fertig werden sollen. Eine Ratlosigkeit, um die wir seit Jahrtausenden kreisen und die uns, zumindest ab einem bestimmten Alter, keine Ruhe lässt, geht es doch im elementarsten Sinne um uns selbst, um unsere eigene Existenz, um unser eigenes Sein oder nicht mehr sein.
Liebe und Trost
Das Einzige, was mir dazu einfällt ist dies: Trost und Liebe, Liebe und Trost. Wenn wir es schaffen, das einander zu schenken, wird das Ungeheuerliche, das Unfassliche, das Unfassbare in ein anderes, in ein wärmeres Licht getaucht. Mehr haben wir womöglich nicht, das aber schon.
Quelle: Jürgen Fritz