SED-Rentner Egon Krenz versucht sein politisches Wirken zu rechtfertigen

Der Egon aus Hinterpommern - Umschreibungen und Weglassungen

trabant pkw auto trabi alt ddr oldtime, Quelle: Tama66, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig https://pixabay.com/de/photos/trabant-pkw-auto-trabi-alt-ddr-2975738/
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Man erinnert sich noch an das vor Glück strahlende Gesicht des SED-Funktionärs Egon Krenz, als er am 18. Oktober 1989 als Nachfolger Erich Honeckers zum SED-Generalsekretär ernannt worden war und sechs Tage danach auch noch zum Staatsratsvorsitzenden. Sieben Wochen später, am 6. Dezember, wurde er aller seiner Ämter enthoben und schließlich von Gregor Gysi aus der SED/PDS ausgeschlossen.

SED-Karriere

So tief wie Egon Krenz fällt man selten! Geboren am 19. März 1937 als Schneidersohn in Kolberg/Hinterpommern, floh er mit seiner Mutter 1944 nach Damgarten/Vorpommern. Seit seinem Beitritt zur FDJ 1953 und zur SED 1955 ging es nur noch bergauf. Er besuchte 1953/57 das „Institut für Lehrerbildung“ in Putbus/Rügen und war 1957/59 in Prora/Rügen freiwillig NVA-Soldat. In Moskau erwarb er in den Jahren 1964/67 auf der Parteihochschule ohne Abitur den Titel eines „Diplom-Gesellschaftswissenschaftlers“. Sein Aufstieg 1983  bis ins höchste Machtzentrum, das Politbüro, schien unaufhaltsam, bis der SED-Staat im Herbst 1989 kollabierte.

Krenz sucht sei politisches Wirken zu rechtferigen

Mehr als drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall versucht nun der SED-Rentner, der heute zurückgezogen in Dierhagen an der Ostsee lebt, sein politisches Wirken zu rechtfertigen. Der Leser aber fragt sich, ob man heute solche DDR-Erinnerungen noch veröffentlichen sollte. Inzwischen sind die Archive aus 40 Jahren DDR-Geschichte geöffnet, Dutzende von Zeitzeugen befragt, wissenschaftliche Aufarbeitungen geschrieben worden, die den SED-Staat, trotz aller ideologischen Verklärung, als blutige Diktatur erscheinen lassen, die zur Machtabsicherung Hunderte ihrer Bürger an der innerdeutschen Grenze hat erschießen lassen.

Die Schwierigkeit seiner heutigen Sicht auf die Vergangenheit besteht darin, dass er zwischen zwei Polen pendelt: Zwischen der alten Ideologie, der er nach wir vor verhaftet ist, und der widerwilligen Anerkennung der Verbrechen, die Kommunisten im „Klassenkampf“ verübt haben. Ein Beispiel: Über Stalins Tod am 5. März 1953 schreibt er: „Ich war wie gelähmt, fühlte mich auf einmal verwaist.“ Später spricht er von „Stalins Verbrechen“, entschuldigt sie aber sofort: „…weil es gesellschaftliche Umstände gab, die sein Handeln begünstigt hatten.“

Verquere Argumentation

Solch verqueren Argumentationen durchziehen das ganze Buch! Dass  es in der DDR 40 Jahre hindurch keine freien Wahlen gab, verschweigt er; dass die „Junge Gemeinde“ 1952/53 gnadenlos verfolgt wurde, kommt nicht vor; die Berufsverbote, die Massenverhaftungen, die Fluchtbewegung sucht man vergebens in diesem Buch, das im Jahr 1974 endet. Im Folgeband, den Egon Krenz schon angedroht hat, wird er auch von der „chinesischen Lösung“ sprechen müssen, die er 1989 bei den Leipziger Demonstranten anwenden wollte. Man darf gespannt sein!

Egon Krenz „“Aufbruch und Aufstieg. Erinnerungen“, Verlag edition ost, Berlin 2022, 288 Seiten, 24.00 Euro

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Über Jörg Bernhard Bilke 258 Artikel
Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.