Sechste Münchner Europa Konferenz: Waigel: „Nur Europa kann die großen Probleme selber lösen“

München, 13. Februar. Bereits zum sechsten Mal hatte die Münchner Europa Konferenz am Vorabend der Münchner Sicherheitskonferenz zu ihrem jährlichen European Dinner geladen. Über 250 Entscheider aus Wirtschaft, Politik und Medien waren der Einladung von Bundesfinanzminister a. D., Dr. Theo Waigel, am 13. Februar  in das Münchner Hotel „Vier Jahreszeiten“ gefolgt. Unter den Gästen waren u.a. der rumänische-proeuropäische Premierminister Ludovic Orban, Klaus P. Regling, Geschäftsführender Direktor des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, der Leiter der bayerischen Staatskanzlei, Florian Hermann, der Vizepräsident der Europäischen Kommission S.E. und Energiekommissar Maroš Šefčovič und EVP-Fraktionsvorsitzender Manfred Weber.

Dr. Theo Waigel, Foto: Stefan Groß

Unter dem Thema: „Verantwortung für Europa – Neue Ideen, Neue Köpfe“ hatte Dr.  Theo Waigel dann die großen Herausforderungen Europas ein Jahr nach der Europawahl gezeichnet. Und der Bundesfinanzminister und Mister Euro machte in aller Deutlichkeit klar: nur Europa kann die Probleme selbst lösen, sei es durch einen Stufenplan für eine Bankenunion, sei es durch die Gründung einer Verteidigungsgemeinschaft, die sich zur NATO bekennt, sei es durch den Aufbau einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Europa, so das Credo, muss sich als Werte- und Solidargemeinschaft, die den Prinzipen der Sozialen Marktwirtschaft verpflichtet ist, den Herausforderungen von Migration und Klimawandel als Gemeinschaft stellen. Bei allen Herausforderungen, die es sukzessive anzupacken gilt, hat Europa aber auch viel erreicht, so Waigel in seiner Begrüßung: Der Euro ist stabil, die Zahl der verschuldeten Volkswirtschaften wird geringer und auch der Rechtspopulismus kann in einem Europa der Einheit in Vielfalt nicht an den demokratischen Fundamenten rütteln.

Grußwort Ludovic Orban

Nein Ludovic Orban hat nichts mit dem Antidemokraten aus Ungarn Victor Orban zu tun, wie es Stavros Konstantinidis in seiner Begrüßung ausdrücklich betonte. Der rumänische Ministerpräsident, dessen Minderheitsregierung im Februar abgewählt wurde, steht für einen proeuropäischen Kurs, den er auch bei seiner rede wiederholte und verurteilt wie Staatspräsident Klaus Johannis Ungarns Bestrebungen nach einer illiberalen Demokratie. Der liberal-konservative Orban von der „Partidul Național Libera“ hielt dann sein Plädoyer auch für ein Europa, das sich nicht in nationale Idiotien und Ideologien verstricken darf.

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Ludovic Orban, Foto: Stefan Groß

Grußwort Klaus Regling

Klaus Regling, Chef des Rettungsfonds ESM, plädierte für eine europäische Einlagensicherung und warb für einen einheitlichen Finanz- und Kapitalmarkt. Der Euro-Raum ist weitaus stabiler als die Kritiker meinen. Doch um das Haus Europa noch  krisenfester zu machen, bedarf es einer gemeinsamen Steuer-und Sozialpolitik und einer noch größerer Stärkung des Euro auf dem internationalen Währungsmarkt. Gegen alle Kritiker von Rettungsschirm und Geldpolitik der EZB betonte Regling, dass alle diese Schwarzmalereien eben nicht zu Hyperinflation, Rechtsbrechung und riesigen Verlusten auf Seiten der Steuerzahler geführt haben. Wäre die Skepsis gegenüber der Eurorettung und er Arbeit des ESM nach der Finanzkrise nicht so groß gewesen, wären einige ESM-Programme kleiner ausgefallen. Was aber wichtiger denn je ist, so Regling, sei es, endlich die Währungsunion zu vollenden.

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Klaus P. Regling, Foto: Stefan Groß

Keynote von Maroš Šefčovič

Maroš Šefčovič ist Vize-Präsident der EU-Kommission und dort zuständig für den Energie-Binnenmarkt. In seiner Keynote unterstrich der Slowake die Herausforderung des Clean Energy Packages für die Zukunft Europas. Europa muss nicht nur ein Vorreiter bei der Bekämpfung des Klimawandels sein, sondern, so das hohe Ziel: „Wir wollen kohlenstoffneutral werden.“ Um die Dekarbonisierung zu erreichen, bedarf es vor allem einer grundlegenden Modernisierung des Energiesektors.  Saubere Mobilität der Zukunft funktioniert aber nicht nur durch Innovationen beim Diesel, sondern auch im kontinuierlichen Ausbau erneuerbarer und regenerativer Energien. Auch beim Thema Batterie gab sich Šefčovič zukunftsgewandt. Hier darf sich Europa nicht von China abhängig machen. Der Schlüssel gegen die chinesische Abhängigkeit ist zum einen eine industriepolitische Kooperation auf EU-Ebene sowie zum anderen eine Batteriezellenproduktion in europäischer Hand. Nur so, da ist sich der Energiekommissar sicher, gelingt die Industriepolitik für das 21. Jahrhundert.

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Maroš Šefčovič, Foto: Stefan Groß

Keynote Manfred Weber

In seiner Keynote mahnte der EVP-Vorsitzenden im Europaparlament Manfred Weber an, dass Europa und die Bundesrepublik derzeit vor großen Voraussetzungen stehen. Innenpolitisch sei die Bundesrepublik derzeit kein Garant für Stabilität und Europa strotzt selbst nicht vor Kraft. Doch diesen Negativbefund gilt es mit allen Mitteln zu beseitigen, so Weber – und das nicht mit Verboten und Regeln, sondern mit einer Wirtschafts-und Haushaltpolitik, die dieses Europa wieder an die Spitze führt. Doch was ist zu tun, fragte der CDU-Politiker im Hotel „Vier Jahreszeiten“? Die Verantwortlichkeit der Politik muss in der Glaubwürdigkeit bestehen, aufrichtige Antworten auf die großen Fragen der Zeit zu geben. Aber gerade in diesen schwierigen Zeiten rief Weber die Europäer auf, selbstbewusster in der Welt aufzutreten. Es geht um nichts anderes als den European way of life zu verteidigen, jenseits von Trump Handelspolitik und AntiMultilateralismus. Denn wo Trump Mauern baut, sei es die Aufgabe Europas, gerade zu Beginn des neuen Jahrzehnts, Brücken in der Handlungspolitik zu schlagen. Aber das gelinge nur, wenn die Europäer endlich mit einer Stimme sprechen, eben als eine Wertegemeinschaft, die auf den Fundamenten von Freiheit und Sozialer Marktwirtschaft basiert.

Aber Weber wagte auch Ausblicke in die Zukunft der Handels- und Sicherheitspolitik. Die Herausforderungen einer klimaneutralen Gesellschaft bedürfen Innovation und technologischem Fortschritt, den nur so lasse sich eine klimaneutrale Wirtschaft in Zukunft aufbauen. Theo Waigel, so Weber, war ein Architekt Europas und des Euro, der nicht nationalistisch verengt dachte. Und genau diesen Mut bedarf es wieder in Europa. Da gilt um so mehr auch für die Sicherheitspolitik. Russland und China sind neue Bedrohungen – und ohne eine eigene Sicherheitsarchitektur steht Europa auf verlorenem Posten. Daher sei es höchst dringend, mehr in die europäische Verteidigungspolitik zu investieren, wie es Franz-Josef Strauß mit seiner Idee einer europäischen Armee ausgesprochen hatte. Und so forderte Weber mit allem Nachdruck eine eigenständige Verteidigungsstruktur für die EU. Diesen Vorschlag goutierte auch das hochkarätige Publikum mit einem langanhaltenden Applaus.

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Manfed Weber: Foto: Stefan Groß

Abschlussbild der Speaker

Hintergrund

Die Münchner Europa Konferenz ist ein politisch unabhängiges und überparteiliches Forum. Es wurde 2015 von Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft ins Leben gerufen, um europäische Aspekte und Prozesse zu erörtern. Die Gründer der Europa Konferenz wollen einen Anstoß geben, für Entwicklungen im europäischen Verbund zum Nutzen der Bürger, aber auch das Verhältnis Europas zum Rest der Welt und insbesondere zu den angrenzenden Regionen beleuchten.

Über Stefan Groß-Lobkowicz 2157 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".