Max Tau – Lektor, Verleger und erster Friedenspreisträger

Mehrfach ist Robert von Lucius in seiner langen Laufbahn in Erscheinung getreten: als Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, vor allem in Südafrika, und sodann als Literat in mancherlei Themen. Nun hat er eine sehr schöne und persönliche Würdigung für Max Tau vorgelegt, den bedeutenden Literaturvermittler und ersten Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels.

Max Tau war gebürtiger Oberschlesier, am 19. Januar 1897 wurde er in Beuthen geboren. Er arbeitete in Berlin als Verlagslektor, bis er 1938 vor dem Nationalsozialismus nach Oslo fliehen musste. Doch über die Literatur, die er als geistiges Gepäck in reicher Fülle mitnahm, wurde er zum Weltbürger. 1942 gründete er in einen Exilverlag in Stockholm, wohin er nach der deutschen Besetzung Norwegens ausweichen musste, um überleben zu können. Diesen Verlag führte er bis 1945. Im nicht nur physisch, sondern auch geistig zerstörten Deutschland wurde er zu einem großen Vermittler von Kultur und Literatur. Vielfach wurde er geehrt, er erhielt als Erster den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Seinen Wohnsitz behielt er jedoch in Oslo, dort lebte er bis zu seinem Tod am 13. März 1976. Dort begegnete ihm auch der Autor dieses frisch erschienenen Buches. Das war ein Glücksfall für den jungen Robert, der zunächst noch ein Kind war, und es wird nun zum Glücksfall für die Leser eines wunderschönen, im wahrsten Sinne des Wortes bibliophilen Büchleins, das der Verlag Hentrich & Hentrich ganz aktuell vorlegt.

Große Namen verdankten Max Tau, dass sie und ihr Schreiben bekannt wurden – Nelly Sachs, Albert Schweitzer, Nikos Kazantzakis, Marie Luise Kaschnitz und Wolfgang Koeppen. Dass nordische und vor allem norwegische Literatur, darunter Werke von Sigrid Undset und Olav Duun, über Deutschland ihren Weg in die Weltliteratur fand, war ebenfalls Tau zu verdanken, denn der damals sehr junge Lektor beim Verlag Bruno Cassirers in Berlin stritt beharrlich für sie, das ihm eigene Gespür für Werte und Sprache ließ ihn das tun. Nach dem Krieg trat er für jene ein, die den Weg der inneren oder äußeren Emigration und des Anstands in Jahren des Nationalsozialismus unbeirrt gegangen waren. Dank Tau wurden deutsche Literatur und überhaupt das Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg im einstmals besetzten Norwegen wieder akzeptiert.

Robert von Lucius schreibt in der „Hinführung“ zu seinem Buch: „Der Oberschlesier zeigte, wie wichtig die Aufgabe eines Lektors und Entdeckers ist, der sich selber zurücknimmt, sich aber für jene einsetzt, bei denen er mit der ihm eigenen Begeisterungsfähigkeit Feuer fängt.“ Seine Freunde, schrieb Tau einst selbst, hätten „immer gesagt, ich brauche gar nicht zu trinken, ich bin berauscht geboren“, und v. Lucius fährt fort: „So bereitete er mit seiner Botschaft der Versöhnung und des Friedens trotz erlittenen Schmerzes den Weg seiner deutschen Heimat zurück als anerkanntes Mitglied der Wertegemeinschaft. Und das, obwohl seine Mutter in Auschwitz vergast wurde. Er selbst wurde von Freunden in Berlin wie in Oslo, und das zweimal, in letzter Minute gerettet.“

Von seinem Deutschlehrer Willy Grabert hat Tau, so können wir vermuten, viel gelernt. Der hatte die Lektoren als „Schildknappen oder, militärisch gesprochen, als Vortrupp der Dichter“ gekennzeichnet. Und genauso füllte Tau die Aufgabe des Lektors, der aufspürt, betreut und berät, gute Übersetzer findet, Verleger überzeugt – und wurde schließlich selbst Verleger, zumindest zeitweise. Ohne diese Entdecker und Wegbereiter, die den Dichtern dienten, wüsste man – so Willy Grabert – von Thomas Mann oder Gerhart Hauptmann weniger.

Enorm groß war das Netzwerk von Max Tau. Thomas Mann, Knut Hamsun, Trygve Gulbranssen, Martin Buber, Thomas Theodor Heine sowie die bereits genannten Nikos Kazantzakis und Nelly Sachs hatten freundschaftliche Begegnungen auf Augenhöhe mit Tau. Und oft genug war das entscheidend für eine schriftstellerische Karriere. Auf seine Anregung hin wurde auch der Friedensnobelpreis an Albert Schweitzer vergeben, wurde eine Friedensbücherei in Oslo gegründet; wurde eine Deutsch-Norwegischen Gesellschaft in der Nachkriegszeit gestiftet.

Nochmals Robert von Lucius: „So war es naheliegend, dass auch ihm, der stets gab, gegeben wurde. Tau, von Freunden Magino, der Zauberer, genannt, war der erste Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Sein Name steht als erster eingemeißelt auf der Tafel der Preisträger in der Frankfurter Paulskirche. Neben Willy Brandt war er der einzige Deutsche, dem die norwegische Exilregierung 1944 ihre Staatsangehörigkeit verlieh und ihm so eine zweite Heimat schenkte. Er blieb beiden treu, auf unterschiedliche Weise. Er erhielt zahlreiche Preise und Orden, Schulen und Straßen wurden nach ihm benannt.“

Der Autor dieses schönen Bandes hat dem hier Geehrten selbst viel zu verdanken, auch das wird deutlich. Es ist also auch ein wenig Autobiographie im Spiel – Max Tau, Freund der Familie v. Lucius in Oslo, war die erste „große Gestalt“ des jungen Robert, er blieb präsent als Inbild der Güte und des Gebens. Kinder und Jugendliche nahm er ernst, sichtbar an zwei Buchwidmungen: „Bewahre alles, was Deine Eltern Dir mitgegeben haben; dann wird Dein Lebensweg gesegnet sein.“ Und später, schon an den jungen Studenten: „Wer in der wirklichen Welt arbeitet und in der idealen lebt, hat das Höchste erreicht. Das wird Dir lieber Freund Robert gelingen. Glück auf!“ Der Bergmannsgruß deutet auf seine Wurzeln – Beuthen war eine Bergbaustadt. In wenigen Worten zeigte Max Tau seinen Mitmenschen den Weg, hier und an so vielen Orten. Das Verdienst, dies auf sehr schöne und unprätentiöse Weise herausgearbeitet zu haben, kommt Robert von Lucius zu. Seinem neuen Buch seien viele Leser gewünscht!

Robert von Lucius: Max Tau, Schildknappe der Literatur – Erster Friedenspreisträger,88 Seiten, Broschur, 20 Abbildungen s/w, erschienen bei Hentrich & Hentrich, Leipzig 2023, ISBN: 978-3-95565-595-2, Preis: 8,90 €.

Collage Paulskirche Max Tau

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Über Sebastian Sigler 104 Artikel
Der Journalist Dr. Sebastian Sigler studierte Geschichte, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Bielefeld, München und Köln. Seit seiner Zeit als Student arbeitet er journalistisch; einige wichtige Stationen sind das ZDF, „Report aus München“ (ARD) sowie Sat.1, ARD aktuell und „Die Welt“. Für „Cicero“, „Focus“ und „Focus Money“ war er als Autor tätig. Er hat mehrere Bücher zu historischen Themen vorgelegt, zuletzt eine Reihe von Studien zum Widerstand im Dritten Reich.