In Rudolstadt steht der älteste Bismarckturm weltweit – wie lange noch?

Umschlag Bismarckturm – So sieht es aus, das neue Buch (Ausschnitt)

 

Astrid von Killisch-Horn: Der Bismarckturm zu Rudolstadt, 160 Seiten, broschiert, hrsg. vom Freundeskreis Bismarckturm Rudolstadt im Kulturbund e.V. Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt, Rudolstadt 2023; € 19,95, zu beziehen über die Autorin und den Herausgeberverein.

Der Name Bismarck polarisiert bis heute. Schon zu seinen Lebzeiten, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, war der „eiserne Kanzler“ für manchen Sozialisten eine Hassfigur, von Monarchisten, Konservativen und den korporierten Studenten wurde er dagegen umjubelt. Quasi mit seinem Tod verspürte man vielerorts den Wunsch, zum Andenken, ja aus Dankbarkeit Bismarcktürme oder -säulen zu errichten. Im thüringischen Rudolstadt steht der weltweit älteste dieser Bismarcktürme. Eingeweiht wurde er bereits am 1. April 1899, gerade acht Monate nach dem Tod des großen Reichskanzlers.

Doch es steht nicht gut um den Rudolstädter Bismarckturm. Er ist stark beschädigt, wurde in der DDR-Zeit dem Verfall anheimgegeben, Vandalismus tat ein übriges. Die Zinnenkrone ist längst heruntergebrochen, Wasser ist ins Mauerwerk gedrungen, die Außenwände sind mit Graffiti verunziert, was den Mauersteinen enorm schadet; teilweise könnte er sogar bald einstürzen. Um dieses Bauwerk zu retten, ist unverzüglich Hilfe nötig.

Zur dringend notwendigen Sanierung des originellen und einzigartigen Bauwerks hat sich im Jahre 2021 ein Freundeskreis zusammengetan. Aus dessen Reihen wurde eine Dokumentation zur Geschichte des Rudolstädter Bismarckturms erstellt. Das im Selbstverlag erschienene, liebevoll gestaltete, sorgfältig hergestellte, broschierte Buch soll dazu beitragen, die Sanierungskosten für den ältesten Bismarckturm der Welt aufzubringen – nach jetziger Schätzung wird die enorme Summe von 110.000 Euro benötigt.

Die Geschichte der Bismarcktürme beginnt mit der legendären Bismarckehrung der deutschen Studentenschaft am 1. April 1895 in Friedrichsruhe zum 80. Geburtstag des damals schon hochbetagten Reichskanzlers. Die Initiative ging von Albert Leicher aus, einem Korporierten aus Bonn, das war bereits im WS 1895/96. Im alsbald gebildeten Preisgericht war auch Professor Dr. Paul Wallot, der Erbauer des Reichstages, vertreten. Doch erst mit dem Tod Bismarcks kam die Sache in Fahrt. Initiator für die Errichtung des ersten Turms seiner Art war der „Rudolstädter Abend“, ein Stammtisch also.

Der „Abend“ wurde 1877 von aus Rudolstadt stammenden Studenten in Leipzig gegründete. 1884 verlegte sich die Runde in die Heimat; es waren renommierte, zumeist auch korporierte Herren, die sich wöchentlich zu Gesellschaftsabenden und weiteren Aktivitäten trafen. Sie führten einen Zirkel nach Art eines Altherrenstammtisches und pflegten enge Kontakte zum Rudolstädter Senioren-Convent der Corps an Tierärztlichen Hochschulen. Diese Herren also hatten den Ehrgeiz, den ersten Bismarckturm der Welt zu bauen. Die Kosten für den Bau und seine Ausstattung brachten sie ohne die Hilfe Dritter auf – und sie legten los.

Bismarck Gesamtansicht. Ein Idyll des Wilhelminismus – der Rudolstädter Bismarckturm um 1900.

Knapp zehn Meter wurde der Rudolstädter Turm hoch, mit Anbau sechs Meter lang, in der Breite gut drei Meter – und er sah aus wie eine kleine, fürwahr, eine sehr kleine Burg. Als er seinen Zinnenkranz noch hatte. Ganze sechs Wochen, vom 10. Februar bis zum 20. März 1899, waren nötig, um ihn zu errichten. Zu Bismarcks Geburtstag war die Einweihung geplant. Und auch die gelang! Der Turm wurde mit einer Feuerschale bestückt, und am 1. April 1899, dem ersten, den der Jubilar nicht mehr erlebte, wurde sie erstmals entzündet. Regelmäßig wurde von nun an am Rudolstädter Bismarckturm gefeiert. Am 1. April, dem Geburtstag, am 21. Juni, Sommersonnenwende, und natürlich am 30. Juli, dem Todestag, wurde die Feuerschale entzündet. Der liebevoll dekorierte Anbau des Turmes, ein kaum zwölf Quadratmeter großer Raum, konnte für Feiern in kleinerer Runde genutzt werden.

Die ganz druckfrische Dokumentation zeigtt nun, ausführlich bebildert, die Geschichte der des Bismarckturms und seines Erbauervereins anhand der erhaltenen, ausführlichen Jahresberichte. Zitiert wird auch aus dem „Tag- und Gastbuch“ des Bismarckturms, das bis 1945 geführt wurde. Auch die Geschichte des Verfalls nach 1945 sowie die – nicht offizielle – Umbenennung in „Geschwister-Scholl-Turm“, noch heute so in manchen Karten verzeichnet, werden beschrieben. Interessant die Bilder von den ersten Sanierungsaktivitäten durch einen Freundeskreis noch zu DDR-Zeiten ab 1985, bedrückend der heutige, mehr als erbärmliche Zustand durch Vandalismus und Verwahrlosung. Den Herausgebern um Astrid von Killisch-Horn ist ein gleichwohl wundervolles Buch gelungen, dem durch hohe Vertriebszahlen hoffentlich auch der nötige Erfolg beschert wird, um den Turm sanieren zu können, denn der Verkaufserlös geht zur Gänze in die Sanierung des Turmes ein.

Rudolstadt hat durch Eingemeindungen nach 1990 mittlerweile drei weitere Bismarcksäulen in Keilhau, Heilsberg und Remda. Diese drei Bauwerke werden auch in kurzen Beiträgen mit Bildern dargestellt. Rudolstadt hat damit die größte Dichte an Bismarcksäulen oder -türme weltweit. Insgesamt existieren noch 174, davon 146 in Deutschland, es waren ursprünglich 240. Doch es gibt nur einen Bismarckturm, der der älteste weltweit ist, und dessen Verfall hat bedrohliche Ausmaße angenommen. Ihn zu retten sollte eine Selbstverständlichkeit sein! Wer das Projekt finanziell unterstützen möchte, kann an folgendes Konto spenden: Kulturbund e.V. Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt, IBAN: DE17830503030011030615, Kennwort: Bismarckturm. Die Ausstellung einer Spendenquittung ist möglich – Name und Anschrift erbeten.

Astrid von Killisch-Horn: Der Bismarckturm zu Rudolstadt, 160 Seiten, broschiert, hrsg. vom Freundeskreis Bismarckturm Rudolstadt im Kulturbund e.V. Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt, Rudolstadt 2023; € 19,95, zu beziehen über die Autorin und den Herausgeberverein.

Idee und Mitarbeit: Michael Hacker

Der Rudolstädter Bismarckturm war in seinen besseren Zeiten ein beliebtes Postkartenmotiv. Hier eine Außenansicht, kombiniert mit der seltenen Wiedergabe des liebevoll dekorierten Innenraumes.

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Über Sebastian Sigler 104 Artikel
Der Journalist Dr. Sebastian Sigler studierte Geschichte, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Bielefeld, München und Köln. Seit seiner Zeit als Student arbeitet er journalistisch; einige wichtige Stationen sind das ZDF, „Report aus München“ (ARD) sowie Sat.1, ARD aktuell und „Die Welt“. Für „Cicero“, „Focus“ und „Focus Money“ war er als Autor tätig. Er hat mehrere Bücher zu historischen Themen vorgelegt, zuletzt eine Reihe von Studien zum Widerstand im Dritten Reich.