Und Ihr dachtet, die Emanzipation der Frau, verbunden mit Gender Mainstreaming, sorgt für die Gleichberechtigung an den Universitäten? Weit gefehlt! Ein Übersichtsband aus dem WJK-Verlag zeigt, daß die Damen zu Kaisers Zeiten viel emanzipierter waren, als es heutige Gender-Vorkämpferinnen wahrhaben wollen. Ausgerechnet in Verbindungen taten sie sich zusammen, und zwar sowohl Schülerinnen wie Studentinnen. Ihr queeren, gegenderten Jüngerinnen der Heiligen Greta – aufgemerkt!
Damenverbindungen florieren landauf, landab. Diese Tatsache passt so ganz und gar nicht ins Bild derer, die den Geschlechterkampf für die Gesellschaft hierzulande propagieren. Auf ganz unaufgeregte Art hält Kurt Bertrams wirksam dagegen. Einen schönen, umfangreichen Band, der zum Hineinlesen einlädt, hat er vorgelegt. Das Thema ist indessen höchst aktuell, denn ein Jubiläum steht bevor – seit fast 125 Jahren ist es Frauen hierzulande per Gesetz erlaubt, als ordentlich immatrikulierte Studentinnen akademische Titel zu erwerben; die entsprechenden Erlasse stammen aus dem Frühjahr 1900, aus dem Großherzogtum Baden. Der Reichstag in Berlin billigte den Vorstoß aus dem liberalen Südwesten, und wenige Jahre später war auch in Preußen der Weg frei für die Immatrikulation von Frauen.
Knapp, sachlich und vollständig schildert er die Frühphase akademischer Bildung für Frauen in Deutschland, und die begann immerhin mit Dorothea Erxleben, die 1754 von der Universität in Halle an der Saale, schon damals eine der großen Hochschulen im Lande, promoviert wurde. Göttingen und Gießen folgten zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Es handelt sich hier um rare Einzelfälle, aber natürlich bemerkenswerte Biographien selbstbewusster Frauen. Auf fünf kompakt und informationsreich gestalteten Seiten ist dazu alles gesagt. Dann geht Betrams gleich zu den Damenverbindungen über. Die Antwort auf die Frage, warum das so ist, wird alle Studentenhistoriker aufhorchen lassen und die Gender-Vorkämpferinnen vielleicht eine Spur frustrieren: Die weibliche Seite des Korporationswesens ist praktisch so alt wie die die reguläre Immatrikulation von Frauen. Gender-Amazonen aller vereinigten Länder und aller 64 diversen Geschlechter, hört die Signale!
Die Vollständigkeit der geschichtlichen Darstellung nach derzeitigem Forschungsstand kann bestätigt werden. Und schon bald treten in diesem offenkundig sorgfältig zusammengestellten Band auch Illustrationen hinzu, vor allem läßt der Autor auch das Genre der Karikatur nic ht aus. Das wirkt nicht nur belebend, sondern es ermöglicht erst die gesellschaftlichen Rückschlüsse. Nicht zuletzt geht es hier um die gesellschaftlichen Reaktion, war doch im 19. Jahrhundert die seit altersher gepflegte Kultur an den Universitäten noch rein männlich. Die wenigen Studentinnen früherer Jahrhunderte ändern an diesem Gesamtbild nichts. Teils sehr lustige Umdichtungen recht bekannter Lieder auf die weibliche Studentin ergänzen dieses ebenfalls knappe, aber insgesamt runde und erhellende Kapitel.
Nun folgt ein Überblicksteil, der den ganzen Reichtum de Welt der Damenverbindungen erkennen lässt. In einer enormen Fleißarbeit hat Bertrams über 100 akademische Damenverbindungen aufgelistet, nochmals rund 100 Schülerinnenverbindungen, auch Mädelschaften, vervollständigen das Bild. Erstaunlich übrigens, wieviele jüdische Akademikerinnen sich in dezidiert jüdischen Damenverbindungen zusammenschlossen, solange das im immer antisemitischer tendierenden Europa möglich war. Vielfach ist die Abbildung einer erhaltenen Couleurkarte angefügt, was großartig ist. Bildbandqualität wird indessen nicht ereicht, aber es ist schön, überhaupt optische Eindrücke zu haben. Sehr viel zum Selbstverständnis und zum Stil der jeweiligen Verbindung in ihrer Zeit erklärt sich schließlich aus solch einer Couleurkarte.
Einer lexikalischen Auflistung der Verbände der Damenverbindungen folgt ein umfassender Teil mit Einzeldarstellungen. Ein ausführlicher Aufsatz über die heutige weibliche Verbindungslandschaft schließt die insgesamt runde und stimmige Darstellung ab. Bertrams zeigt: Um die Damenverbindungen kommt kein Korporierter herum. Und eigentlich auch kein gendergetriebener Gesellschaftsspalter. Das Verbindungswesen, zunächst rein männlich geprägt, quasi parallel zur französischen Revolution entstanden, hat sich auf herrliche Weise ausgebreitet. Und das nicht zuletzt, weil seit über 120 Jahren die Damenverbindungen hinzugetreten sind, und speziell diese wachsen heutzutage überdurchschnittlich, so scheint es uns.
Natürlich wird so etwas andernorts dann gern gecancelt – es wird nicht erwähnt, weil es nicht in die schöne, neue, woke Welt passen will, die als Heilserwartung im Sternzeichen der Heiligen Greta über allen Protesten gegen alles und jeden steht. Die Damenverbindungen, die auf Instagram und Facebook auch die Online-Welt erobern, beweisen, dass sich Frauen ihre rechte und ihren Platz in der Gesellschaft auch ganz ohne Festkleben an der Straße, ohne hässliche Gesichter im Fernsehen und ohne das Auspfeifen missliebiger Professoren erreichen lassen – mit Band, Mütze und gelegentlich einem Gläschen Sekt. Das für Fachhistoriker notwendige, für Genderkämpferinnen aber mutmaßlich höchst unbequeme Buch von Kurt Bertrams kann uns in dieser Sichtweise nur bestärken.