Wo waren die Frauen, als die Umwälzungen 1848 fast in eine echte Revolution mündeten? Dieses Thema ist im Jubiläumsjahr, 175 Jahre danach, naheliegender denn je, erleben wir doch hierzulande gerade in diesen Jahren große Schritte hin zur Gleichberechtigung der Frauen. Da macht es schlichtweg perplex, daß die ständig wütend fordernden Gender-Lobbyisten kein Wort darüber verlieren, welch großer Mut, welch bemerkenswerter Aufbruch bei den 1848er-Frauen zu beobachten ist.
Kaum zu glauben! Renate Reimann ist es, die den Frauen von 1848 zu Ehren verhilft. Im Jahre 2023 bedarf es dieser umsichtigen Forscherin aus Graz, um den revolutionär denkenden Frauen in ihrem Jubiläumsjahr zu Ehren zu verhelfen. Die Themenkombination „Frauen“ und „1848“ gab es dabei bereits einmal, und zwar im renommierten Jahrbuch „Einst und Jetzt“, Jahrgang 2002, aber auch da war Renate Reimann bereits mit von der Partie. Was lag nun näher, als zum Jubiläum dies Thema in einer Schriften zu publizieren?
Renate Reimann legt auf drei Seiten die gesellschaftlichen Voraussetzungen dar, die Frauen damals gesamtgesellschaftlich hatten – das genügt. Mit einigen biographischen Skizzen, die teils erstaunen ob des Mutes, den diese Frauen an den Tag legten, setzt sie fort – am ehesten bekannt ist hierzulande vielleicht noch Mathilde Franziska Anneke, sie zierte eine Briefmarke der Deutschen Bundespost in einer Portostufe für große Briefsendungen. Sodann geht es um demokratische Frauenvereine. Hier kristallisiert Reimann bald schon, schwerpunktmäßig, die Bildung heraus. Denn sehr energisch begannen bereits die 1848er-Frauen darum zu kämpfen, an den Universitäten zugelassen zu werden.
Mit dem Einzug an die Universitäten ging einher, dass die Frauenvereinigungen quasi nahtlos auch die Attitude von Korporierten annahmen. Ja, selbstredend waren sie korporiert, also mitglieder von weiblichen Studentenverbindungen. Die frühesten Anfänge von Frauenverbindungen sind bei Renate Reimann sehr gut nachzuvollziehen, denn sie arbeitet logisch die Fakten heraus und legt sie bestens nachvollziehbar vor. Eine lohnende Lektüre – denn das reaktionäre, rechtsextreme „Driite reich“ machte diese form der erkämpften Frauenrechte zunichte.
Die andere Hälfte des handlichen, schön gestalteten Reimann-Bändchens ist ergänzend den Themen Musik und Literatur der 1848er-Zeit gewidmet, was das Schwerpunktthema gut ergänzt, wobei hier kein Vorurteil aufkommen kann – beide machten sie Musik, Männer wie Frauen! Es ist insgesamt sehr dankenswert, dass sich der Steirische Studentenhistoriker-Verein dieser beiden Texte angenommen hat, denn sie erschienen vorher in den eher als „entlegenen“ zu nennenden „Akademischen Frauenblättern“, den Semesterberichten des Vereins Grazer Hochschülerinnen. Heinrich Heine, Christian Dietrich Grabbe, Ferdinand Freiligrath, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben – die Namen sind prominent. Spannend wird es dann nochmals bei den Theoretischen Denkern der 1848er Revolution, die Renate Reimann ebenfalls benennt, und soviel sei verraten: Marx & Engels sind auch dabei!
Natürlich ist es Ludwig van Beethoven, mit dem eine Abhandlung über revolutionäre Musik beginnen muß. Von diesem Urknall der politischen Revolutionsmusik des napoleonischen Zeitalters, auf das letztlich die Revolution von 1848 eine logische Antwort ist, dekliniert sie die Musikgeschichte knapp, aber vollständig. Wir sehen uns mit Frauen und Männern auf den Dresdner und Frankfurter Barrikaden ebenso wie bei den korporierten Studenten, die revolutionäre Inhalte über die Liedform einprägsam verbreiteten. Und eben bei den mutigen Frauen, die die Revolution von 1848 prägten. Renate Reimann versteht es, den übergreifenden Blick zu bewahren. Allgemeingeschichte wird durch studentenhistorische Herangehensweise nicht selten transparenter, sie wird besser erklärbar. Ein äußerlich kleines, über die Allgemeingeschichte hinausgehendes Buch belegt es. Denn dies ist Studentengeschichte vom Feinsten!
Reimann, Renate, Vormärz und Revolution – Literatur und Musik im Vormärz, Frauen auf den Barrikaden von 1848, Schriftenreihe des Steirischen Studentenhistoriker-Vereins, herausgegeben von Reinhold Reimann, Folge 40, Graz 2023, broschiert, 64 Seiten. Weitere Informationen beim Rezensenten.