Schon mal in einer Oper gewesen, in der ein Schwein eine Hauptrolle spielte? Im Münchner Nationaltheater gab`s sowas. Am Silvesterabend. Ob das von Wenzel am Bändel geführte Stalltier – Regisseur David Bösch wollte es so – auch in den Folgeaufführungen von Bedrich Smetanas Oper „Die verkaufte Braut“ die goldene Schleife um den Leib behält, ist nicht sicher. Kurz vor Neujahr passte das Glücksschwein. Mit ihm hatte seinen Spaß, wer das Turbulente mag und nichts gegen die Allgegenwart eines gottlob geruchfreien Riesenmisthaufens hatte, den Ausstatter Patrick Bannwart nicht um die Burg mal kurz wegräumen ließ. Willi, das Glücksschwein, steht übrigens wie Bannwart und Falko Herold (Kostüme) auf der Besetzungsliste, ist gebürtiger Münchner Jahrgang 2017 und erhielt auf dem Filmtierhof Gut Harpfing seine Ausbildung, um Musik und Menschenmassen ertragen zu lernen.
Willis Herrchen: die „arme Sau“ Wenzel, sympathisch gespielt und gesungen von Wolfgang Ablinger-Sperrhacke. In der „Verkauften (eher: verschacherten) Braut“ ist Wenzel der gut eingesäumte Bauerntölpel, Marke „Reich, aber dämlich“. Zu scheu, um selber ein Mädel an Land zu ziehen (was alle zu Unrecht meinen). Der Heiratsvermittler Kezal soll`s richten. Der verschlagene Agenten-Stenz hilft gegen Zaster beim Bauer-sucht-Frau-Spiel nur allzu gern. Jegliche Händel sind ihm recht, um andere übers Ohr zu hauen. Doch rechnete er nicht mit dem listigen,„von weit her“ gekommenen Knecht Hans (Pavol Breslik in Bestform), in den seine, Kezals, „Handelsware“ namens Marie über beide Ohren verliebt ist. Am Ende der vertrackten G`schicht` ist, pardon, „die Sau“ Kezal dann der Verlierer. Hans und Marie, die Gewinner, stülpen, nach vielem Her und Hin, dem unerträglichen Schaumschläger und Phrasendrescher einen Blechkübel Heu über den Schädel. Versohlen hätten sie ihn sollen!
Für diesen Kezal holte David Bösch, der der angestaubten Story von 1866 entschieden zu viel Elektronik-Fummelei verpasste, in seiner Vorliebe für Gag/Drastik-Mixturen, Günther Groissböck als Rollendebütant nach München – nicht unbedingt zu des Star-Basses Vorteil, der arg überzog, dabei aber so manche Basses-Tiefe schuldig blieb, auch wenn ihm der Sprung über zwei Oktaven, vom hohen e` bis zum tiefen E, durchaus gelang. Gegen einen monströs dauerdampfenden Misthaufen mit viel hochmotiviertem schrägem Bauerndorf-Volk war schwer anzukämpfen.
Aufsehen erregte dieser typengenaue Chor fürwahr, am Pult gut versorgt von Tomàs Hanus. Mit dem Bayerischen Staatsorchester ging der mährische Vollblut-Dirigent, in München kein Unbekannter, bisweilen schroff um, er jagte es durch die Ouvertüre, bürstete das Meiste auf rustikal und burlesk (bei der regie- und ausstattungsmäßig aufwändigen, aber eher faden Wanderzirkus-Szene) und verschenkte, schade und nochmal schade, manch lyrischen Glanz aus Smetanas nicht tot zu kriegender Partitur. Den hätte besonders das Pummelchen Marie nötig gehabt. Selene Zanetti, dem BSO-Opernstudio entwachsen, ergriff mutig ihre Titelpartie-Chance, um der ganz auf Zartgefühl gehenden Landpomeranze Marie staatsoperngerecht zu werden. In ihrer großen Arie im 3. Akt („Endlich allein!“) wurde sie`s. So war`s nur recht und billig, auf dem Bulldog-Schild das M zwischen zwei rote Herzen und darunter das Wort ARIE (für M-ARIE) in Großbuchstaben zu setzen.
Was für eine hübsche Überraschung, dass am Ende des bejubelten Bühnen-Klamauks jeder Besucher der Silvestervorstellung, gefüllt mit einem rosa Edelmarzipan-Schweinchen (s. Foto), ein Tütchen mit diesem Kfz-Taferl als Souvenir mitbekam. Schwein gehabt und Schwein gekriegt.