Gerade hochaktuell kann man in der heimischen Politik sehen wie wichtig Demokratie ist. Eine übergroße Koalition steht einer verschwindend kleinen Opposition gegenüber. Doch langfristig lebt die Demokratie von der Auseinandersetzung der Gegensätze, von einem produktiven Streit und anschließender Kompromissbildung. Das muss im Umkehrschluss nun nicht etwa bedeuten, dass Bürgerentscheide das non plus Ultra sind. Denn ein Zuviel an Mitbestimmung, Umfragen und diversen Volksbeteiligungen kann Politik auch lähmen. Es kommt also auf ein moderates Mittelmaß an, um zum gesamtheitlichen Wohl der Bewohner eines Staates beizutragen. Es gibt eine Spezies, die dies auf großartige Weise dem Menschen vorlebt: das Volk der Honigbienen. „Jedes wimmelnde Bienenvolk ist ein Musterbeispiel für eine Gemeinschaft, deren Mitglieder Erfolg haben, weil sie zugunsten gemeinsamer Ziele gemeinsam arbeiten.“, so der Autor.
„Geh zur Biene,
du Dichter.
Betrachte ihre Wege
und werde weise.“
Thomas Seeley, Professor für Neurobiologie und Verhalten an der Cornell University in Ithaca, New York und einer der führenden Forscher des Bienenlebens, hat sich die Worte aus George Bernard Shaws „Mensch und Übermensch“ zu Eigen gemacht. Er beschreibt in seinem Buch wie der demokratische Entscheidungsprozess bei den Honigbienen abläuft. „Es wird davon die Rede sein, wie einige hundert der ältesten Bienen aus dem Volk als Nistplatz-Kundschafter tätig werden und die Landschaft nach dunklen Winkeln absuchen. Wir werden erfahren, wie sie die gefundenen potentiellen Wohnorte bewerten, ihre Kundschafterkollegen mit lebhaften Tänzen über ihre Entdeckungen in Kenntnis setzen, in einer hitzigen Debatte den besten Nistplatz auswählen, das ganze Volk zum Abflug veranlassen und die Wolke schwärmender Bienen zu dem neuen Zuhause dirigieren.“, so Seeley. Der Autor verspricht nicht zu viel. Denn wie er von seiner Entdeckerfreude der „sozialen Schönheit“ dieser kleinen Insekten berichtet, ist für interessierte Laien, Imker als auch Wissenschaftler von höchstem Mehrwert. Sein Buch kommt einem geheimen Beisitz im Bundestag gleich, um erneut die menschliche Spezies als Vergleich heranzuziehen, mit Sicherheit aber deutlich lehrreicher.
Mit viel Verve und Leidenschaft, gut lesbar, da frei von schwer verständlichen Fachtermini sowie hochinteressant und erhellend, berichtet Thomas Seeley in zehn Kapiteln von der enormen kollektiven Intelligenz dieser Lebewesen. In unzähligen Experimenten und stundenlangen Beobachtungen, zurückgreifend auf seinen immensen Erfahrungsschatz, kann sich der Leser ein umfassendes Bild von der im Konsens gesuchten und letztendlich demokratisch erlangten Entscheidung bei der Nestsuche machen. Allerdings, und das soll auch mein einziger Kritikpunkt bleiben, mag dies für den Laien mitunter zu ausführlich und ausufernd dargestellt sein. Nämlich immer dann, wenn der Wissenschaftler durchschlägt und sich in zahllosen Diagrammen, Versuchsanordnungen und Auswerteergebnissen zu verlieren droht. Doch glücklicherweise gelingt Seeley immer wieder der Dreh, um ein neues Thema enthusiastisch und mitreißend aufzugreifen und somit den Leser bei der Stange oder dem Bienenkorb zu halten.
Fazit: „Es wurde gesagt, Honigbienen seien Botschafter, die von den Göttern geschickt wurden, und uns zeigen, wie wir leben sollten: in Süße, in Schönheit und in Frieden.“, beendet Thomas Seeley seine Ausführungen. Die Wahrheit dieser Aussage will der Autor gar nicht näher untersuchen. Aber in einem ist er sich – im durchaus demokratischen erlangten Konsens mit dem Leser – sicher: Dass „die Geschichte der wohnungssuchenden Honigbienen das Licht des Staunens auf diese wunderschönen kleinen Lebewesen“ wirft. Sein Buch trägt auf jeden Fall dazu bei, „dass wir diese kleinen Lebewesen mit all ihrer Schönheit und ihrem Sozialverhalten, aber auch mit ihrem Beitrag zur Schaffung einer blühenden, fruchtbaren Welt besser schätzen wissen“.
Thomas Seeley
Bienendemokratie
Wie Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon lernen können
Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel
Titel der Originalausgabe: Honeybee Democracy
Dörlemann Verlag (Februar 2014)
320 Seiten, Gebunden
ISBN-10: 3100751388
ISBN-13: 978-3100751386
Preis: 22,99 EUR
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