Spätestens seit dem Frühjahr 2010, als der isländische Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen Eyjafjallajökull mehrere Wochen lang Asche spie und den Flugverkehr über Europa und Nordamerika beeinträchtigte, haben sich uns Mitteleuropäern diese weit entfernten, als Phänomene geltenden Feuerberge wieder ins Gedächtnis gerufen. Denn wenn überhaupt, „dann nehmen wir sie nur wahr, wenn in den Medien über katastrophale Eruptionen berichtet wird“, schreibt der Geologe Marc Szeglat, der gemeinsam mit Martin Rietze diesen großartigen Bildband über den „Wohnsitz der Götter“ herausgebracht hat. Für sie ist jeder Vulkanausbruch ein Ereignis, „das die Geschichte und Entwicklung der Menschen prägt und Stoff für Mythen und Legenden liefert. Obwohl der Beobachter am Vulkan 'Geologie im Zeitraffer' erfährt, reicht sein Blick oft viele Millionen Jahre in die Vergangenheit.“Vulkane sind ein fester Bestandteil unserer Erde und äußerst wichtig für unsere Ökosystem. Denn ohne diese „Tore zur Hölle“ würde es auf der Erde wahrscheinlich kein Leben geben. „Erste Mikroorganismen entstanden im Einflussbereich hydrothermaler Quellen und ernährten sich von Schwefel vulkanischen Ursprungs“, erklären die Autoren. Hinter ihrem zerstörerisches Potential verbirgt sich zugleich jedoch ein schöpferischer Akt. Die ausgespiene Lava erstarrt zu festem Gestein und lässt dadurch neuen Boden entstehen, der zudem locker, durchlässig und sehr mineralstoffreich – also fruchtbar – ist. Unzweifelhaft wohnt den Vulkanen ein ganz besonderer Zauber inne und – so behauptet Marc Szeglat – „niemand kann sich der Magie eines Vulkanausbruchs entziehen. In der Fantasie des Beobachters werden sie dann wieder lebendig, die alten Mythen und Legenden unserer Vorfahren.“
Mit dem opulenten Bildband gelingt es den beiden Autoren diese Magie auf den Betrachter zu übertragen. Vor allem den großformatigen, imposanten, zum Teil spektakulären Aufnahmen von Martin Rietze, den man zweifelsohne „Kriegsberichterstatter der Natur“ nennen könnte, ist es zu verdanken, diese Fantasie auch visuell zu erspüren. So schaut man zum Beispiel auf einem Foto tief in den rot-orange strahlenden Schlot des Cillarrica auf Chile, im Hintergrund spiegelt sich die untergehende Sonne in dessen Kratersee. Ein anderes Foto zeigt sich glutrot in den Pazifik ergießende Lavaströme auf Hawaii. Beeindruckend schillert ein paar Seiten weiter der giftgrüne Säuresee im Krater des Irazú in Costa Rica oder die blau wabernden Schwaden eines brennenden Schwefelflusses am Kawah Ijen auf Indonesien. Das wohl brillanteste Foto ist ihm mit einem sich entladenden Blitz in der Eruptionswolke des Semeru auf Java gelungen.
Neben den zweifelsohne fabelhaften Aufnahmen dieses Buches vermitteln Rietze und Szeglat einiges an Hintergrundwissen. Nach einer kurzen Einführung und einer kleinen Geschichte zur Vulkanologie erfolgt der Einstieg ins Herz des Buches. Gegliedert in sechs Kapitel (Europa, Afrika, Ozeanien, Asien, Nord-/Mittelamerika und Südamerika) werden nach einem jeweiligen Gesamtüberblick der entsprechenden Region – gleichfalls durch wunderbare Fotosbegleitet – jeweils zwei bis drei prädestinierte „Feuerspucker“ näher unter die Lupe genommen. Für Europa steht zum Beispiel die „Schmiede der Zyklopen“, die mächtige alte Dame „Ätna“, deren Charakter sich derzeit von harmlos effusiv, in explosiv-gefährlich wandelt. Zumindest sind sich viele Wissenschaftler inzwischen einig, dass von dieser Lady in Zukunft mit einem größeren Gefahrenpotenzial ausgegangen werden muss. Das Alter stimmt offensichtlich nicht jeden milde…
Martin Rietze, Marc Szeglat
Vulkane – Schöpfung und Zerstörung
terra magica, (Februar 2012)
176 Seiten, Gebunden
ISBN-10: 3724310455
ISBN-13: 978-3724310457
Preis: 49,99 EURO
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