Schlesischer Priester im Widerstand – Zum 140. Geburtstag Bernhard Lichtenbergs

Der schlesischer Priester Bernhard Lichtenberg (1875-1943) gehörte zu den stillen Vertretern des Widerstands gegen den Nationalsozialismus, die wie selbstverständlich das taten, was sie für ihre Pflicht hielten, und die schrecklichen Folgen ihres Handels auf sich nahmen. Geboren am 3. Dezember 1875 in Ohlau, einer Kreisstadt zwischen Breslau und Brieg, als Sohn eines Kaufmanns, studierte er in Innsbruck und Breslau katholische Theologie und wurde 1899 zum Priester geweiht. Zunächst wurde er im oberschlesischen Neisse als Seelsorger eingesetzt, später in der Reichshauptstadt Berlin. Von 1913 bis 1930 war er Pfarrer der Herz-Jesu-Gemeinde in Berlin-Charlottenburg, 1932 wurde er zum Dompfarrer der Sankt-Hedwigs-Kathedrale berufen und 1938 zum Dompropst ernannt.
Schwierigkeiten mit der aufstrebenden NSDAP bekam er schon vor 1933, als er Abgeordneter der Zentrumspartei im Parlament von Berlin-Charlottenburg war, und später als Bezirksabgeordneter von Berlin-Wedding. Von NSDAP-Gauleiter Joseph Goebbels (1894-1945) wurde er 1931 heftig angegriffen, weil er zum Besuch des Anti-Kriegsfilms „Im Westen nichts Neues“(1930) aufgerufen hatte. Sofort nach der „Machtergreifung“ 1933 wurde seine Wohnung von der GESTAPO durchsucht. Als ihm 1935 von denschlimmen Zuständen im Konzentrationslager Esterwegen durch einen Zeugen berichtet wurde, reichte er eine Beschwerdeschrift bei Reichsminister Hermann Göring (1893-1946) ein, auf die er zunächst keine Antwort bekam.
Erst als er zweimal nachgefragt hatte, erhielt er ein Schreiben von Dr. Werner Best, dem stellvertretenden Leiter der GESTAPO in Preußen, und von Theodor Eicke, dem Leiter des Konzentrationslagers Esterwegen. Danach wurde er von der GESTAPO in Berlin wegen „Verbreitung von Greuelpropaganda“ verhört und misshandelt, ohne freilich die Quelle seiner Informationen zu verraten. Nach der „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938, die mit Judenpogromen verbunden war, betete Bernhard Lichtenberg jeden Sonntag öffentlich für die Verfolgten und protestierte am 28. August 1941 in einem Brief an Reichsgesundheitsführer Dr. Leonardo Conti (1900-1945) gegen die systematische Ermordung unheilbar Kranker und Behinderter.
Am 28. Oktober 1941 wurde er, von zwei Frauen denunziert, von SS-Leuten verhaftet und am 22. Mai 1942 wegen „Kanzelmissbrauchs“ und wegen Vergehen gegen das „Heimtückegesetz“ (1934) zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, die er im Strafgefängnis Berlin-Tegel und im Durchgangslager Berlin-Wuhlheide verbrachte. Nach Verbüßung seiner Haft wurde er aber nicht entlassen, sondern in „Schutzhaft“ genommen. Auf dem Transport ins Konzentrationslager Dachau in Niederbayern verstarb er am 5. November 1943 im Städtischen Krankenhaus in Hof/Oberfranken. Bevor die GESTAPO eingreifen konnte, wurden die sterblichen Überreste des Priesters am 11. November nach Berlin überführt und am 16. November auf dem alten Domfriedhof der Sankt-Hedwigs-Gemeinde in Berlin-Gesundbrunnen beigesetzt.
Ähnlich wie der protestantische Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) aus Breslau in der Evangelischen Kirche genoss nach 1945 auch Bernhard Lichtenberg in der Katholischen Kirche hohe Verehrung. Seine Gebeine wurden 1965 in der Unterkirche der Ostberliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale begraben. Büsten von ihm wurden 1991 im Berliner Bernhard-Lichtenberg-Haus und 1992 in der Hofer Marienkirche aufgestellt. Am 23. Juni 1996 wurde er vom Papst selig gesprochen. Bernhard-Lichtenberg-Straßen gibt es seit 1962 in Berlin-Plötzenseeund seit 1974 in Berlin-Prenzlauer Berg, auch der Platz vor dem Gefängnis in Berlin-Tegel trägt seinen Namen, in Berlin-Spandau ist eine katholische Grundschule nach ihm benannt, auch der Platz vor der Stadtpfarrkirche Sankt Marien in der Hofer Altstadt heißt seit 2013 Bernhard-Lichtenberg-Platz. Schließlich wurde Bernhard Lichtenberg am 18. Mai 2005 von der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel als „Gerechter der Völker“ geehrt.

Über Jörg Bernhard Bilke 263 Artikel
Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.

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