Schillerjahr 2009: Friedrich Schiller und die Gartenkunst

Friedrich Schiller (1759-1805) gilt als aufgeklärter Dichter, Tragödienschriftsteller und ästhetischer Theoretiker. Daher muß es den Leser verblüffen, ihn – wie hier versucht wird – vor dem Hintergrund der Gartenthematik zu interpretieren. Schiller geht – ähnlich wie Goethe – von einer Klassifikation unterschiedlicher Sujets und damit von differenten Darstellungsebenen der Kunst aus. Geschichtlich gesehen sind Schillers ästhetische Schriften einer Periode zuzuordnen, wo die Gartenkunst ihre Vorrangstellung innerhalb der Hierarchie der Künste bereits verloren hatte. Die große Revolution der Gartenkunst war nicht nur in England – dem Land der neuen Gartenkultur – vorüber, sie neigte sich auch in Deutschland ihrem Ende zu. Auf die Begeisterung folgte die Enttäuschung, da sie die von vielen ihren Vertretern geforderte soziale Revolution nicht einlösen konnte. Erst mit der Idee vom Volksgarten kam man der Verwirklichung sozialer Utopien näher, diese Zeit hat Schiller leider nicht mehr erlebt.

Schiller war zeit seines Lebens an einer Sozialutopie interessiert und suchte nach demjenigen Medium, das diese umsetzen kann. Er distanziert sich auf dieser Suche sowohl von der rationalistischen Metaphysik und Psychologie der deutschen Schulmetaphysik und ihren Vertretern Wolff und Baumgarten als auch vom Skeptizismus und der empirischen Forschung, wie sie Locke und Hume vertraten.

Schiller, der in seiner Jenaer Zeit selbst Gartenbesitzer war, hat sich aber nicht so intensiv – wie beispielsweise die berühmten Gartentheoretiker Hirschfeld, Rapp, Grohmann u.a. – mit theoretischen und praktischen Fragen, die die Gartenkunst betreffen, auseinandergesetzt. Das Interesse an der Gartenkunst war für ihn in erster Linie, wenn man seine Geistesentwicklung betrachtet, philosophischer Natur.

Seine philosophisch-ästhetischen Vorstellungen zur Gartenthematik äußert er einerseits in seinem Werk „Über den Gartenkalender auf das Jahr 1795“ und in dem mit Goethe und Meyer gemeinsam verfaßten „Dilettantismus-Aufsatz“ vom 3. Mai 1799, andererseits in seinen theoretischen Schriften, die im Hinblick auf die philosophische Konzeption als tragende Gerüste seines gesamten Denkens zu begreifen sind. Seit 1790/91 beschäftigt sich Schiller intensiv mit der Philosophie Kants. Die Suche nach der synthetischen Einheit zwischen Sinnlichkeit und Verstand/Vernunft wird unter unterschiedlichen Prämissen diskutiert. Die „Kallias“-Briefe geben dabei einen ersten Einblick in Schillers programmatische Ästhetik, denn in ihnen entfaltet er – in der Nachfolge Kants – sein ästhetisches Konzept des Schönen. Neben den „Kallias“-Briefen sind es die Werke „Über Anmuth und Würde“, „Über das Pathetische“, „Über das Erhabene“ (erschienen 1793 in der Zeitschrift „Neue Thalia“), „Über die tragische Kunst“ (erschienen 1792 in der Zeitschrift „Die Neue Thalia), „ Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen“ (geschrieben 1793, erschienen 1795 in der Zeitschrift „Die Horen“), „Über naive und sentimentalische Dichtung“ (veröffentlicht in drei Folgen 1795/96 in der Zeitschrift „Die Horen“) und die Schrift „Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich bewirken?“ (erschienen 1785), in denen Schiller sein ästhetisches Programm weiter vervollständigt.

Schiller kannte nicht nur die ästhetischen Schriften seiner Zeit, die er sich zum Studium besorgte, sondern war mit den Schriften des Gartentheoretikers Johann Gottlieb Rapps besonders gut vertraut, der vor dem Hintergrund der Kantischen Philosophie eine Gartenästhetik zu entwickeln suchte. Mit Rapp, den Schiller persönlich kannte, stimmt er überein, daß die „Liebhaberei für schöne Gärten in Deutschland immer allgemeiner geworden“ ist, kritisiert aber, daß die neue Mode nicht „zum Vorteil des guten Geschmacks“ beitrage. Schiller sieht in den neuen englischen Gärten „Geburten des nördlichen Geschmacks“. Diese „sind von einer so zweideutigen Abkunft und haben bis jetzt einen so unsichern Charakter gezeigt, daß es dem echten Kunstfreund zu verzeihen ist, wenn er sie kaum einer flüchtigen Aufmerksamkeit würdigte und dem Dilettanism zum Spiele dahin gab“. Der Kritik am rein englischen Garten war die kritische Sicht auf die französische Gartenkunst vorausgegangen. Im Zeitalter des Barocks kann von einer Freiheit der Natur keine Rede sein kann, denn „der Baum mußte seine höhere organische Natur verbergen, damit die Kunst an seiner gemeinen Körpernatur ihre Macht beweisen konnte“. Schiller distanziert sich daher von einer rein französischen Gartenmanier, weil sie nach Gestaltungsprinzipien verfährt, die der, der Natur immanenten, Freiheit radikal widersprechen. Einem Garten, in dem die Natur eingeschränkt und beschnitten wird, kann der Jenaer Ästhetiker nichts abgewinnen, denn zu sehr verlangt er nach dem Ideal der Freiheit und nach der Einbettung derselben in die erscheinende sinnliche Wirklichkeit. Dem mechanisch-mathematischen Gestaltungsprinzip, das die französische Gartenkunst prägt, stellt er seine Idee des Organischen gegenüber, denn in dieser sieht er – wie Kant in der „Kritik der Urteilskraft“ – das Fundament naturphilosophischer Forschung und ästhetischer Gestaltung.

Im „Über dem Gartenkalender auf das Jahr 1795“ schreibt er dazu, daß die Gartenkunst zwar von der irrigen französischen Methode rein symmetrischer Ordnung zurückkommt, „aber nur um sich“ in „dem entgegengesetzten zu verlieren“. Schiller distanziert sich sowohl von der rein französischen als auch von einer rein englischen Gartengestaltung. Entweder überwiegt wie im französischen Barockgarten ein Gestaltungselement, das von der Idee reiner Notwendigkeit und damit von einer radikalen Vorherbestimmtheit ausgeht, oder es herrscht ein Gestaltungsprinzip vor – wie im englischen Garten –, dem es an jeder Formbestimmtheit fehlt. Kritisch bemerkt er zu den Extremen gartenkünstlerischer Vorstellungen: „Aus der strengen Zucht des Architekts flüchtete sie sich in die Freiheit des Poeten, vertauschte plötzlich die härteste Knechtschaft mit der regelosesten Lizenz, und wollte nun von der Einbildungskraft allein das Gesetz empfangen.“ Die englische Gartengestaltung folgt nicht mehr den Regularien des Verstandes, sondern endet, so Schiller, in der Formlosigkeit, da sie von einer formellen Ordnung, die für die Rezeption des Gartens als Kunstwerk notwendig ist, abrückt und nur der reinen Assoziations- und Einbildungskraft Spielraum verschafft. Er schreibt: „Die Welt, wie der Realist sie um sich herum bilden möchte und wirklich bildet, ist ein wohlangelegter Garten, worin alles nutzt, alles seine Stelle verdient und, was nicht Früchte trägt, verbannt ist; die Welt unter den Händen des Idealisten ist eine weniger benutzte, aber in einem größeren Charakter ausgeführte Natur.“ Während der Garten des Realisten nach dem Kompositionsprinzip der Ordnung und dem Nutzaspekt aufgebaut ist, steht der Garten des Idealisten für ein Naturkonzept, das der Freiheit der Natur Ausdruck verleiht. Reine Regelmäßigkeit und Freiheit der Natur, d.h. französische und englische Gartenkunst stehen sich solange gegenüber, so lange sich Regelmäßigkeit (Ordnung) und Unregelmäßigkeit (Freiheit) ausschließen. In der Nachfolge von Hirschfeld und Rapp fordert Schiller daher einen Gartentypus, in dem sich sowohl französische als auch englische Gestaltungsprinzipien zu einer Einheit verbinden.

Schiller kritisiert wie Goethe künstlerische Vorstellungen, die Welt in Miniatur nachbilden zu wollen. Eine Welt in die „Gartenmauer […] einschließen zu wollen“, schließt ebenso eine Mißachtung der Natur mit ein, in der zwar alles durch Notwendigkeit geschieht, die aber darum nicht nur Notwendigkeit ist. Wie Schillers vorkritische Studien in den „Philosophischen Briefen“ belegen, begreift er die Natur im Anschluß an Leibniz als ein organisches All-Ganzes, indem sich das Absolute offenbart und als eine Welt, in der das absolut Göttliche erscheint. Vom Standpunkt der Vernünftigkeit aus betrachtet ist die Ansammlung von Gartenstaffagen mit propädeutischem Gehalt ein künstliches Produkt reiner Denktätigkeit. Die Darstellung der Welt im Kleinen – verbunden mit dem Wunsch nach Variabilität, d.h. nach einem aus dem Barock bekannten Darstellungsmittel, mit dessen Hilfe die Vielheit der Wahrnehmung- und Empfindungsleistungen gesteigert werden sollte –, lehnt Schiller vor dem Hintergrund ab, da es sich hierbei um schlechte „Übersteigungen“ handelt, die weder dem sinnlichen noch dem vernünftigen Bewußtsein entgegenkommen. „Kein Wunder also, wenn er über dem Ringen nach Mannigfaltigkeit ins Tändelhafte und – weil ihm zu den Übergängen, durch welche die Natur ihre Veränderungen vorbereitet und rechtfertigt, der Raum und die Kräfte fehlten – ins Wirkliche verfiel. Das Ideal, nach dem er strebte, enthält an sich selbst keinen Widerspruch; aber es war zweckwidrig und grillenhaft, weil auch der glücklichste Erfolg die ungeheuren Opfer nicht belohnte.“ Im Hinblick auf die Gartenanlagen in Schwetzingen und im Seifersdorfer Tal schließt sich Schiller der Kritik Rapps an, denn „eine Empfindsamkeit, welche Sittensprüche, auf eigne Täfelchen geschrieben, an die Bäume, hängt“ erklärt er für affektiert. Er spricht sogar von einer „barbarischen“ Gestaltungsmethode, wo „Moscheen und griechische Tempel in buntem Gemische“ nebeneinander stehen. Auf dem Wege der „schlechten“ Nachahmung gelingt es nicht, der Natur zu entsprechen. Der dieser Gestaltung zugrunde liegende Geschmack dient nicht, wie Schiller es fordert, als Vorstufe zur Sittlichkeit, sondern bleibt dem sinnlichen Erlebnis zu sehr verpflichtet. Der Geschmack und das Geschmacksurteil stehen, so Schiller, als verbindendes Mittelglied zwischen Sinnlichkeit und Vernünftigkeit. Rein sinnliche Geschmacksurteile können zur Verbesserung der moralischen Anlage nichts beitragen. Nur jene Form der Geschmacksbildung, die „dem Gemüt eine für die Tugend zweckmäßige Stimmung“ gibt, weil sie „die Neigungen entfernt, die sie hindern, und diejenigen erweckt, die ihr günstig sind“, ist befähigt, zu einer tugendhaften Selbstbestimmung beizutragen. Der „gute“ Geschmack kann demgemäß nur einer sein, der „die Moralität des Betragens“ begünstigt, selbst wenn „durch seinen Einfluß nie etwas Moralisches“ erzeugt wird. Ein moralisch-sittliches Bewußtsein hat keine, so auch keine ästhetischen Grundlage, als sich aus dem sittlichen Willen allein heraus zu bestimmen und dem Gesetz der Vernunft zu gehorchen. Denn nur derjenige handelt sittlich gut, der ohne zu fragen, ob die Handlung Annehmlichkeiten hervorbringen könnte, sich aus der Gesetzmäßigkeit heraus für das Gute entscheidet. In diesem Zusammenhang betont Schiller auch, daß der „sinnliche Trieb“ der „natürliche innere Feind der Moralität ist“.

Ausgehend von seiner kritischen Sicht auf die zu seiner Zeit geltenden Gartenkonzepte fragt Schiller nach der Stellung der Gartenkunst innerhalb der hierarchischen Ordnung der Künste. In diesem Zusammenhang sei seine Äußerung vom naiven und sentimentalen Dichter gestellt, die folgendes beschreibt: „Dem naiven Dichter hat die Natur die Gunst gezeigt, immer als eine ungeteilte Einheit zu wirken, in jedem Moment sein selbständiges und vollendetes Ganzes zu sein und die Menschheit, ihrem vollen Gehalte nach, in der Wirklichkeit darzustellen. Dem sentimentalischen hat sie die Macht verliehen oder vielmehr einen lebendigen Trieb eingeprägt, jene Einheit, die durch Abstraktion in ihm aufgehoben worden, aus sich selbst wiederherzustellen, die Menschheit in sich vollständig zu machen und aus einem beschränkten Zustand in einem unendlichen überzugehen.“ Analog dazu könnte man diese beiden Begriffe für die unterschiedliche Darstellungsform in der Gartenkunst verwenden, der Schiller aber nicht diesen hohen Stellenwert einräumt. Als Beispiel dazu sei wieder der englische Garten genannt, wobei, so Schiller, es keine Regel innerhalb seiner ästhetischen Gestaltung gibt. Eine rein nachahmende Rekonstruktion der Natur läßt sich zwar mit der Idee des Naiven vereinen, genügt aber nicht dem Anspruch des sentimentalen Künstlers. Die naive Kunst, d.h. die verlorene Idylle im englischen Garten geht von der Vorstellung eines Ideals aus und sucht nach der Einheit von Natur, Mensch und Kunst, sie verfehlt dabei aber die neuen Forderungen ästhetischen Denkens. Aus Schillers Sicht ist die englische Gartenkunst aus dem Kanon der Künste auszuklammern.

Der Mensch des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts geht nicht mehr – wie der Mensch der Antike – von einer synthetischen Einheit zwischen Sinnlichkeit und Sittlichkeit aus, sondern muß diese Synthese allererst neu zu stiften. Diese hohe Aufgabe schreibt Schiller aber nicht dem Gartenkünstler und der Gartenkunst zu, sondern der idyllischen Dichtkunst, der es gelingt, die Entfremdung des Menschen von sich und von der Natur aufzuheben, indem sie die „Hirtenunschuld auch in den Subjekten der Kultur“ darstellt und so nicht zurück nach Arkadien, sondern nach Elysium führt. Anders gesagt: Für Schiller verbietet sich der Rückzug in die geschichtliche Welt der Antike, wie sie vom englischen Gartentypus angestrebt wird, weil man diese Idylle (naive Kunst) überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann. Damit kritisiert Schiller nicht nur das Arkadienideal, das bei manchen englischen Gärten, so auch in Wörlitz, Pate gestanden hat, um die Betrachter durch das Medium der Gartenkunst an eine „vorzeitige“ Harmonie zwischen Landschaft, Kunst und Kultur heranzuführen, sondern sieht in der Gartenkunst eine mimetische Nachahmung am Werk, die sich nicht mit seinen ästhetischen Idealen vereinbaren läßt. An die Stelle einer bloß naiven und – wie im Werk „Über naive und sentimentalische Dichtung“ nahegelegt – satirischen oder elegischen Kunst setzt Schiller ein Idyllenverständnis, das sich aus dem Kampf der widerstrebenden Konzepte ergibt. Nicht die Satire, die die sinnliche Welt dem Idealen subsumiert, nicht das Elegische, das das Ideale dem Sinnlichen unterordnet, sondern die synthetische Einheit und Harmonie beider versteht Schiller als „Ideal der Schönheit“ und damit als Axiom einer wirklichen Kunstgattung. Der Kampf der Gegensätze führt dabei nicht zur Aufhebung, sondern zu ihrer Vereinigung. Diesen Kampf trägt nicht nur das Subjekt aus, das auf dem Weg zur „schönen Seele“ ist, wie Schiller in „Anmuth und Würde“ betont, diesen Kampf begreift Schiller als Fundament einer gesellschaftlichen Entwicklung, an deren Ende er die Gesellschaftsidylle sieht. Sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Schönheit verbinden sich im „Ideal der Schönheit“ miteinander. Nur auf diesem Wege gelingt es, daß die Neigungen mit dem sittlichen Gesetze zur „höchsten sittlichen Würde“ verschmelzen. Der Charakter des Schönen besteht darin, „daß aller Gegensatz der Wirklichkeit mit dem Ideale, der den Stoff zu der satirischen und elegischen Dichtung hergegeben hatte, vollkommen aufgehoben sei und mit demselben auch aller Streit der Empfindungen aufhöre“. Schiller will das Naive in Dichtung und Kunst, wie er es am Beispiel Geßners und der Hirtenidylle vorführt, negieren, da die Hirtenidylle „weder ganz Natur noch ganz Ideal ist“. Im Unterschied zu Geßner sieht Schiller in Miltons „Paradies lost“ ein Beispiel gelungener sentimentalischer Idylle. Wenn Schiller die Einheit von „Gehalt“ und „Form“ fordert, welche Bedeutung hat dies für die Gartenkunst? Gemäß dieser Forderung muß ein Garten inhaltlich sowie formal als eine Einheit konzipiert werden, wobei sich der Inhalt in der sinnlichen Wirklichkeit widerspiegelt sowie umgekehrt die Form auf den Inhalt verweist. Die naive Nachahmung – mit den Mitteln künstlerischen Schaffens – reicht Schiller demnach nicht nur nicht aus, um von Kunst zu reden, sondern durch sie wird der künstlerische Gehalt geschmälert. Für Schiller kämen demnach nur Gärten als Kunstobjekte in Frage, die, wie oben bereits erwähnt, die Einheit von Gehalt und Form darstellen. Ein Garten, der nur nach der Regel der Kopie, d.h. auf bloße Nachbildung angelegt ist, transportiert niemals das „Ideal des Schönen“, da dieses über sich selbst auf eine individuelle und soziale Verbesserung hinweisen muß. Das Gartenerlebnis kann zwar die Sinneswahrnehmung schärfen, trägt aber nichts zur Moralität des betrachtenden Subjekts bei. In einem Brief an seinen Freund Körner schreibt er – über seinen ersten Aufenthalt im Tiefurter Park – sehr kritisch, daß er mit den dortigen Parkspielereien nichts anfangen kann. Demgegenüber äußert er sich im „Über den Gartenkalender auf das Jahr 1795“ positiv zu den Anlagen in Hohenheim und der Solitude bei Stuttgart. Diese zwei Gärten begreift er als ideale, die seinen Vorstellungen von der Gartenkunst am nächsten kommen. Sicherlich ist die von ihm formulierte Kritik der Einseitigkeit der gestalterischen Methode in der Gartenkunst überspitzt, wenn man Gartenanlagen betrachtet, wie sie sich in Wörlitz, Kassel, Weimar u.a. finden. Weder in Wörlitz, Kassel und Weimar liegt eine reine Regellosigkeit im Gestaltungsprinzip noch ein rein idealisiertes Gestaltungskonzept zugrunde. Die genannten Gärten sind weder auf eine rein sinnliche Wirkung noch auf eine reine Verstandes- oder Vernunftwahrnehmung zu reduzieren, sondern siedeln sich im Zwischenraum von sensualistischer Wahrnehmung und gehaltsästhetischem Kompositionsgefüge an. Der Idealgehalt der Wörlitzer Anlage zeigt, daß Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Dessau-Anhalt mit Hilfe des Gesamtkomplexes sein Programm einer Gartenrevolution einerseits durchführen wollte, andererseits aber auch daran interessiert war, den Garten als Raum aufgeklärt-sozialutopischer Vorstellungen zu begreifen. Wie von Schiller in den ästhetischen Schriften gefordert, findet sich in der Tat in Wörlitz ein Erziehungsprogramm, das aufklärerische und reformpädagogische Ideale vermittelt. Sowohl das Wechselspiel zwischen Angespanntheit, die sich durch die Rezeption von Kunstwerken im Garten ergibt, als auch die darauf notwendige produktive „Leerheit“, der es bedarf, um das Verarbeitete zu genießen, gehört zum Gestaltungsmittel der Wörlitzer Anlagen. Schiller selbst äußert sich kein einziges Mal konkret zum Wörlitzer Gartenreich. Mit Sicherheit kannte er das Gartenreich, zu dem die ganze gebildete Welt – auch Goethe und der Herzog Carl August – hinpilgerten. Daß er aber den deutschen Landschaftsgarten par excellence – zumindest in seinen ästhetischen Schriften – völlig ignoriert, ist ein Zeichen für sein geringes Interesse an dieser Kunstgattung. Selbst wenn sich Schiller mit gartentheoretischen Fragen beschäftigt, gibt er letztendlich nur seine eingeschränkte Sicht auf die Gartenkunst. Mit seiner Kritik am Garten schließt er sich Goethe an, der der Gartenkunst im Rahmen der „Bildenden Künste“ auch nur einen untergeordneten Rang zugesteht.

Für beide Denker aber gilt – für Goethe in Weimar und für Schiller in Jena (zumindest in ihrer rein privaten Lebenssphäre) –, daß sie ihre Gärten als Refugien der Intimität und des künstlerischen Schaffens verstanden.

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Über Stefan Groß-Lobkowicz 2155 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".

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