Eröffnungs-Premiere der Salzburger Festspiele 2015: Wolfgang Rihms „Die Eroberung von Mexiko“. Fünfmal steht die klassische zeitgenössische Oper auf dem Spielplan. Drei Wochen vor dem Termin verraten Ingo Metzmacher (Dirigent), Peter Konwitschny (Regisseur), Johannes Leiacker (Ausstatter) und die Dramaturgin Bettina Bartz, warum ausgerechnet ein „modernes“ Stück Musiktheater – entstanden 1987/1991 – das Festival an der Salzach einläutet. „Den trägen Hörer aufrütteln“ …, „den ungeübten Zuschauer für zeitgenössisches Musiktheater gewinnen“. Das ist der vor versammelter Presse kundgetane einhellige Wille des Produktionsteams.
Die philosophierenden Köpfe dieser aufrüttelnd politisch-ethisch intendierten Neuinszenierung nahmen sich viel Zeit für ihre Erklärung, weshalb der im Kampf zweier Kulturen unterlegene Montezuma von einer Frau, dem Willen des Komponisten gemäß, verkörpert wird. Nicht nur zwei völlig gegensätzliche Welten treffen aufeinander: Hernàn Cortez, der Azteken-Feind, der im Namen der spanisch-katholischen Kirche die Unterwerfung des exotisch hochkulturellen Naturvolks mit brutaler Gewalt zu erreichen sucht, vertritt das männliche Element, während das Opfer, Montezuma, eine Frau sein muss. Die Frau als Beute.
Mit diesem Stoff wird eher die Kirche als das (aufgeschlossene) Publikum Probleme haben. Für Regisseur Konwitschny ist es allerdings „fünf vor Zwölf“, was die breite Einsicht in die Erkenntnisse aus jener geschichtlichen Tatsache der Eroberung Mexikos im 16. Jahrhundert angeht. Für ihn, der für den erkrankten Luc Bondy als Spielleiter einsprang, geht es aber weniger um Gewalt von außen als um „verpasste Kommunikation“. Selbst die in dieser Oper (mit einer stummen Rolle) eingesetzte Dolmetscherin bringt die beiden aufeinander prallenden Protagonisten nicht zusammen.
Als „ausgesprochenen Glücksfall“ bezeichnet Ingo Metzmacher, der Rihms Oper bereits vor 23 Jahren in Hamburg uraufführte, die beiden Sängerpersönlichkeiten Angela Denoke (Montezuma) und Bo Skovhus (Cortez). Sopran und Bariton haben gewissermaßen „das letzte Wort“ in diesem Werk: Am Schluss singen sie, endend mit einem Moment der Stille, ein Duett a cappella – was, nach anderthalb Stunden vorangegangenen Singens und „großen Lärms“, höchsten musikalischen Kraft-Einsatz erfordert. Der Text: das letzte von vier außergewöhnlich schönen Gedichten des ehemaligen mexikanischen Botschafters Octavio Paz. Seine Lyrik ist in das Libretto, das auf in Mexiko aufgezeichnete Visionen Antonin Artauds zurückgeht, kunstvoll eingebaut. „Um Mann und Frau“ geht es in dieser Oper, „um Plus und Minus, um alle Gegensätze, die darauf achten müssen, sich nicht selbst zu zerstören“. Die historischen Fakten rund um die höchst komplexe Aztekenreich-Zertrümmerung sei der äußere Anlass für die grundsätzliche Aussage.
Nach der Premiere der Oper „Die Eroberung von Mexiko“ (26. Juli) gibt es vier Folgevorstellungen: am 29. Juli, und am 1., 4. Und 10. August. Ort: die Felsenreitschule. Johannes Leiacker ist sich mit Ingo Metzmacher einig, dass gerade diese Rihm-Oper mit ihrem exklusiven Raumklang-Anspruch nirgendwo wirkungsvoller zur Geltung gebracht werden könne als in Salzburgs Spezial-Spielstätte, die einst der Festspielgründer Max Reinhardt in den Mönchsberg hineinbauen ließ.
FOTO (Hans Gärtner): Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler mit Ingo Metzmacher, Peter Konwitschny und Bettina Bartz in der Salzburg-„Kulisse“
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