- Auf den Flügeln unsterblicher Evergreens wie Renato Rascels „Arrivederci Roma“ oder moderner Klassiker wie Antonello Vendittis „Roma“ in der originellen Interpretation von Michele De Rossi an der elektrischen Geige ist in der Pasinger Fabrik eine sehenswerte Ausstellung eröffnet worden, die über den ganzen Sommer zu sehen sein wird.
ROM, BLICKE – so der verheißungsvolle Titel – verbindet zwei unterschiedliche Medien – Fotografie und Malerei – auf ungewöhnlicher Art und bietet gleichzeitig Anlass zu erneuter Reflexion über die Ewige Stadt. Die Fotos stammen vom Christof Kirzinger, der seit 2012 in Rom lebt, nämlich seit seinem Studium der Architektur. Und Architektur im „Kontext mit Mensch und Natur“ ist das Hauptthema einer Reihe, die verschiedene Perspektiven eröffnet. Mal ist der Kontrast zwischen Antike und Moderne, zwischen feierlichen Stunden und trostlosen Einblicken in eine herunter gekommene Gegend, die den Bauforscher in einer Stadt im stetigen Wandel besticht. Mal rückt der Tagesverlauf in den Mittelpunkt seines Interesses mit suggestiven Sonnen- und Mondaufgängen, die die Denkmäler der Metropole in einzigartigen Veduten verwandeln, sie wie Juwelen in ihrer Einmaligkeit aufwerten und zur Schau stellen. Blicke, die verzaubern wie der rote Mond neben der großen Kuppel vom Petersdom oder ein Blitz, der plötzlich die Dunkelheit erhellt und ungeahnte Kulissen zum Vorschein bringt.
Foto: Christof Kirzinger
Sternenhimmel mit Langzeitbelichtung festgehalten sind ein wiederkehrendes Sujet. Die Nacht überhaupt, in der sich die Stadt – endlich zur Ruhe gekommen.- sich von der Kamera wie eine müde gewordene Geliebte küssen lässt. Vergessen ist dann die Hektik, die sie charakterisiert, der Trubel der Märkte und der Lärm des Verkehrs, der sie tagsüber wachhält und gleichzeitig des Öfteren lahmlegt. Der Verkehr immer wieder in einem urbanen Gebilde, das noch vor 150 Jahren von Mauern eingeschlossen war und nun von allen Seiten planlos und aggressiv angegangen wird. Der Verkehr als die alles bestimmende Kraft, die den Rhythmus der Stadt bestimmt und ihre scheinbar unsterbliche Schönheit bedroht. Der Verkehr als ein Diktator, der Kirzinger zweifellos auch zu faszinieren scheint. So sehr, dass er sich in einer anderen Fotoserie mit einem der Jahrhundert-Mythen der Mobilität, dem legendären FIAT Cinquecento, eingehend beschäftigt hat. Eine „Stil-Ikone“, die wie kaum eine andere mit Rom verbunden ist. Seine parallel laufende Fotoausstellung „Cinquecento“ wird in der Villa Ebenböck gezeigt, wo er z.Z. als Artist in Residence und Gaststipendiat der LHS München wohnt.
Nicht nur Naturphänomene wie das Hochwasser im Tiber werden fokussiert, sondern auch die prekäre soziale Wirklichkeit einer Metropole mit riesigen, beinah unlösbaren Problemen, wie die Straßenlöcher, die vor kurzem sogar den Endspurt vom diesjährigen „Giro d’Italia“ massiv gehindert und fast aufs Spiel gesetzt haben. Besorgniserregende Situationen, die das romantische Image der Stadt rasch in Vergessenheit geraten lassen. Dazu zählen das Verschwinden der Spatzen, die hungrigen in der Überzahl vorhandenen Möwen zum Opfer fallen, die inmitten von Ratten hausenden Obdachlosen am Tiber-Ufer oder die am Rande des Vatikans angesiedelten Clochards, die die Großzügigkeit von Papst Franziskus in den letzten Jahren dorthin gelockt hat und zunehmend zum Problem für die öffentliche Ordnung werden.
Foto: Christof Kirzinger
Glanz und Elend Roms finden ihren Niederschlag auch in den Gemälden, die Rachele del Nievo zwischen den Fotos zeigt. Werke mit ambivalentem Charakter, die die Ästhetik des Schönen mit gesellschaftskritischen Ansätzen verbinden. Auf gebrauchten Kartonagen, die noch die Anschriften ihrer Adressaten, Firmenlogos oder Inschriften wie „Öffnungsseite“ tragen, hat die engagierte Rachele del Nevo Motive mit Stiften und Markern eingezeichnet, die sich von Rom inspirieren lassen. Kunstmotive auf Verpackungen, die man sonst wegwirft. „Arte Povera“ einer Street Art-Künstlerin, die zu den zehn übrig gebliebenen gehört, die von der chinesischen Konkurrenz noch nicht verdrängt wurden und ihre Rom-Ansichten immer noch auf der Straße verkaufen. Dort hat sie Kirzinger tatsächlich kennengelernt. Aus der zufälligen Begegnung ist nun eine geglückte Kooperation entstanden, die sogar in die Darstellung gleicher Motiven – wie z.B. die Kuppel von St. Andrea della Vale – gipfelt.
Die Fotografie und die Malerei der zwei Künstler bieten unterschiedliche Blicke auf Rom, die verzaubern oder auch nicht. Im Vordergrund steht die Pracht einer Architektur, die den Bogen von der Antike bis hin zur Moderne spannt, gleichzeitig aber auch ihre Dekadenz. Und dennoch bleibt die Stadt „caput mundi“, wie die in einem Foto abgebildete Inschrift erinnert, die sich am Eingang des Cimitero Acattolico, dem Friedhof der nicht-katholischen Ausländer, befindet: ROM DU BIST DIE WELT
ROM, BLICKE
Christof Kirzinger – Fotografie
& Rachele Nievo – Malerei
Ausstellung mit Rahmenprogramm
Pasinger Fabrik
GALERIE – Bis zum 12.08.2018
Öffnungszeiten: Di-So 16 – 20 Uhr –
Eintritt 4, /2. €
LICHTHOF & BAR – 04.07.-16.09.2018 –
Öffnungszeiten: täglich 10-23 Uhr
Eintritt Frei
Pasing – S-Bahn 3/4/6/8/ in 10 Minuten Takt direkt vom Hauptbahnhof
CINQUECENTO
Christof Kirzinger – Fotografien
EBENBÖCKHAUS bis zum 16.09.2018
Ebenböckstr. 11 /Eintritt frei
Geöffnet zu den Veranstaltungen oder nach Vereinbarung