Leibniz und sein Einhorn – Die faszinierende Einhornhöhle

- Einhorn Darstellung aus der Protogaea von G.W. Leibnitz (gedruckt 1749, gemeinfrei).

Wenn Sie mal im Harz unterwegs sind, sollten Sie unbedingt auch die faszinierende Einhornhöhle besuchen. Sie befindet sich rund eineinhalb Kilometer nördlich der Ortschaft Scharzfeld im Landkreis Osterode am Harz. Direkt am Besuchereingang zur Höhle befindet sich das Haus Einhorn mit kleinem Höhlenmuseum. Die Einhornhöhle kann man ausschließlich nur mit Führungen besichtigen. Fotografieren ist streng verboten. Der Führer erklärt auch, weshalb: Fledermäuse hausen in der Höhle und würden sich zu sehr gestört fühlen. Die etwa 45 Minuten dauernde Führung durch die Höhle ist sehr kurzweilig und informativ gestaltet. Nach der Führung lohnt sich in jedem Fall eine Rast in der kleinen Gaststätte, die ansprechend gestaltet ist und in der man über die Einhornhöhle und andere Dinge plaudern kann.

Die Einhornhöhle hat eine Ganglänge von insgesamt über 600 Meter, von der man 270 Meter begehen kann. Aufgrund neuester Forschungsergebnisse kann heute davon ausgegangen werden, dass der Gesamthohlraum allerdings um ein Vielfaches größer ist als die uns heute bekannte Einhornhöhle. Innerhalb der Hauptstrecke reihen sich mehrere große Hallen und Dome aneinander, die durch niedrige Gänge miteinander verbunden sind.

Seit dem 17. Jahrhundert ordnet man die hünenhaften fossilen Knochen den Großsäugern wie zum Beispiel dem Höhlenbären zu und stellt damit fest, dass sie nicht dem sagenumwobenen Einhorn entstammen. Das Fabeltier, dass es wohl leibhaftig niemals gegeben hat, war dennoch Namensgeber für diese Höhle. Ausgrabungen um 1985 lieferten Funde, die eine Besiedlung der Höhle durch Neandertaler bereits vor rund 120.000 Jahren bestätigen.

Bereits im 16. Jahrhundert war die Einhornhöhle bekannt und wurde als Zwergenloch bezeichnet. Funde von Knochen und Zähnen ordnete man Fabelwesen wie dem Einhorn zu. Das Knochenmaterial aus der Höhle wurde als sogar als Heilmittel veräußert.

Neben den geschäftstüchtigen Einhorngräbern wurde die Höhle bei Herzberg aber bereits seit geraumer Zeit von Geowissenschaftlern und Forschern aufgesucht, so bereits von dem Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716) im Jahr 1686. Der Politiker, Jurist und Erfinder Otto von Guericke (1602 – 1686), der damalige Bürgermeister von Magdeburg, berichtete bereits 1672 in seinen Neuen Magdeburger Versuchen von einem Fossilfund im Zeunickenberg bei Quedlinburg, den er als das Skelett eines Einhorns interpretierte: »Es trug sich auch in diesem Jahre 1663 zu, (…) dass man das Gerippe eines Einhorns fand.«

Leibniz allerdings ging bei der Sache mit dem Einhorn einen Schritt weiter und »rekonstruierte« sogar anhand der Knochenfunde ein Einhorn, das in seiner Schrift Protagaea über Geologie und Naturgeschichte als Fantasie-Rekonstruktion des angeblichen Einhorns präsentiert wurde. Diese monströse Darstellung ziert auch heute noch den Eingang zur Einhornhöhle.

Andere Gelehrte wurden auch auf diese populäre Lokalität aufmerksam. Ende des 19. Jahrhunderts führte der Berliner Arzt und Anatom Rudolf Virchow (1821 – 1902) Grabungen durch und erkannte schnell, dass es sich bei den Knochenfunden um fossile Reste von Großsäugern handelt. Der Dichter Hermann Löns (1866 – 1914) suchte die Höhle ebenfalls auf.

Im Mai 2014 stießen Forscher durch Bohrungen auf bisher unbekannte Bereiche der Höhle. Durch eine hereingelassene Kamera konnte festgestellt werden, dass es sich um einen vermutlich über Jahrtausende verschlossenen Raum handelt, dessen Spannweite auf mindestens 20 Meter geschätzt wird. Vermutlich verfügte er über einen eigenen Höhleneingang, vor dem bei einer Ausgrabung Knochen von eiszeitlichen Tieren gefunden wurden. Im Sommer 2017 wurde eine weitere 40 Meter tiefe Bohrung durchgeführt, dabei entdeckte man einen bisher unbekannten Höhlenraum, der vermuten lässt, dass die Einhornhöhle eine Gesamtlänge von einem Kilometer hat. Seit 2019 wird weiter fleißig gegraben und hierbei fand man bereits den großen Knochen eines Höhlenbären und seinen Unterkiefer mit Zähnen.

Die Einhornhöhle war 2010 ein Drehort der Neuverfilmung von den Abenteuern des Tom Sawyer, einem Roman des bekannten US-amerikanischen Schriftstellers Mark Twain (1835 – 1910). Im Jahre 2017 wurden Teile der deutsche Science-Fiction-Mysteryserie Dark im Bereich der Einhornhöhle gedreht. In dieser auf dem Streamingdienst Netflix ausgestrahlten Fernsehserie geht es um düstere Geschichten, Geheimnisse und sogar Zeitreisen.

 

Über Roland Roth 15 Artikel
Roland Roth, Jahrgang 1971, ist seit vielen Jahren Autor von populärwissenschaftlichen Artikeln in verschiedenen Fachzeitschriften und Anthologien. Sein neues Buch trägt den Titel „Merlins Garten – Mythen, Megalithen und vergangene Welten“. Etliche Reisen und Recherchen an mystischen Plätzen und vergessenen Orten sind seine besondere Leidenschaft. Darüber hinaus ist Roland Roth ein großer Hundefan und engagiert sich in der Altenhilfe.