Dracula: Wiedergänger im dunklen Land – Ein transsylvanischer Fürst schreibt Filmgeschichte

nnenhof mit Brunnen einst Drehort für Nosferatu, Foto: Roland Roth

Bram Stokers (1846-1912) Roman Dracula kann ohne Zweifel als eines der wichtigsten literarischen Werke unserer Zeit bezeichnet werden. Er ist der berühmteste Blutsauger aller Zeiten. Obwohl Dracula bereits unzählige Male umgebracht wurde, ist er einfach nicht totzukriegen. Nicht das Blut seiner Opfer, sondern seine Popularität macht ihn wahrhaft unsterblich. Der irische Schriftsteller Bram Stoker veröffentlichte seinen Roman im Jahr 1897 in England. Das Buch gilt bis heute als der Klassiker der Vampirliteratur und wurde unzählige Male verfilmt. Das Vorbild des Grafen ist der rumänische Fürst Vlad Draculea (1431-1477), genannt „Tepes“, also „der Pfähler“. Dieser beherrschte in den Jahren 1456 bis 1462 auf brutalste Weise die Walachei, also das heutige südliche Rumänien um Bukarest. Dieses Gebiet, welches wegen seinen finsteren Mythen und dunklen Wäldern manchmal auch als das „dunkle Land“ bezeichnet wird, bildete damals die Grenze zwischen dem christlichen Königreich Ungarn und dem islamischen Osmanischen Reich.

Um seine ungesicherte Macht nach innen und außen zu stärken, ließ Vlad seine Gegner, oder wen er auch dafür hielt, mit Vorliebe auf Pfähle spießen und qualvoll sterben. Zwischen 40.000 und 100.000 Menschen sollen während seiner Herrschaft umgekommen sein. Unter den Einheimischen gilt er als Volksheld, weil er nicht nur einmal die angreifenden Türken in die Flucht geschlagen hat. Doch weniger sein blutrünstiges Leben als sein Beiname „Draculea“ dürfte bei Bram Stoker Assoziationen zu Vampiren geweckt haben. Draculea bedeutet „Draculs Sohn“ = „Sohn des Drachen“, da Vlad wie sein Vater Angehöriger des Drachenordens war, den der deutsche Kaiser Sigismund (1368-1437) gegründet hatte. Im Rumänischen bedeutet „dracul“ allerdings auch Teufel.

Der cineastische Wiedergänger

Dracula ist eine der ersten klassischen Horrorgestalten, der ein filmisches Denkmal gesetzt wurde. Die erste Verfilmung mit Ton und dem richtigen Namen im Jahre 1930 brachte ihrem Hauptdarsteller Bela Lugosi (1882-1956) lebenslangen Ruhm ein. Selbst 1958 war die Anziehungskraft Draculas immer noch so groß, dass die berühmte englische Produktionsfirma „Hammer“ zwölf Jahre lang unzählige Variationen der Geschichte inszenieren konnte, die den Hauptdarsteller Sir Christopher Lee (mit vollem Namen Sir Christopher Frank Carandini Lee, 1922-2015) genauso berühmt wie Lugosi machten. Die Dracula-Filme mit Lee waren sehr erfolgreich und der Erstling Dracula aus dem Jahr 1958 ist bis heute ein besonderer Klassiker für Horror-Fans. Die stechenden Augen und die laszive Eleganz von Christopher Lee prägten wie niemand anderer die dunkle Figur des blutdürstigen Grafen.

Auch Roman Polanskis Tanz der Vampire (Originaltitel: The Fearless Vampire Killers) aus dem Jahr 1967 wusste trotz komödiantischen Einlagen durchaus zu gruseln. 1979 gab Ausnahmeschauspieler Klaus Kinski (Klaus Günter Karl Nakszynski, 1923-1991) den melancholischen Grafen in Werner Herzogs Neuverfilmung von Nosferatu. Doch erst 1993 war mit Francis Ford Coppolas „Dracula“ die erste Verfilmung zu sehen, die der Romanvorlage wohl am nächsten kam. Coppolas Bram Stoker‘s Dracula ist bis heute ein Meilenstein aller bisherigen Dracula-Verfilmungen und ganz großes Kino. Der britische Schauspieler und Dracula-Darsteller Gary Oldman verkörperte die Rolle des Dracula einfach hervorragend. Diese Inkarnation des Blutsaugers ist auch die bei Weitem angsteinflößendste Darstellung, denn dieser Dracula ist ein unaufhaltsames und unersättliches Biest. Doch Coppola betonte mit diesem Film vor allem die tragische Seite von Prinz Vlad, wodurch man als Zuschauer den Unhold trotz seiner Taten eher bemitleidet. Das gelingt hier vor allem durch Oldmans herausragendem Spiel. Hinzu kommt die beeindruckende Maskenarbeit. Gerade zu Beginn, wenn wir den Grafen mit seinem legendären, greisen Look das erste Mal zu Gesicht bekommen, ist dies ein beeindruckender Moment. Auch später, als Dracula als furchteinflößendes Biest zu sehen ist, wurde es einfach meisterhaft umgesetzt. Die Filmmusik ist ein weiteres unbestreitbares Qualitätsmerkmal des Films, düster, schaurig, bombastisch und doch oftmals melancholisch und traurig. Genau die richtige Vorlage für die tragische Geschichte des blutsaugenden Grafen.

Es folgten zahlreiche Adaptionen über Vampire, zumeist allerdings mit fragwürdigem Charakter oder verzerrter Darstellung des Vampir-Mythos. 1994 zeigten sich Tom Cruise und Brad Pitt in Interview mit einem Vampir von einer völlig anderen Seite. George Clooney und Quentin Tarantino ließen es in From Dusk Till Dawn 1996 so richtig krachen, Wesley Snipes überzeugte ab 1998 in der Filmreihe Blade als düster dreinblickender Daywalker. Und neben zahlreichen Rohrkrepierern, Buchverfilmungen und Teenagerversionen wie die Twilight-Bestseller überzeugte eine Schar Blutsauger in der nach einer Comic-Vorlage entstandenen Verfilmung 30 Days of Night aus dem Jahr 2007. Die Vampire nutzen hier die in einem Polarnest 30 Tage andauernde Dunkelheit aus, um sich mal wieder so richtig vollzusaugen.

Innenhof mit Brunnen einst Drehort für Nosferatu, Foto: Roland Roth

Murnaus Nosferatu

Anfang des 19. Jahrhunderts reist der Makler Hutter nach Transsilvanien, wo er mit dem unheimlichen Grafen Orlok einen Kaufvertrag über ein Haus in seiner Heimatstadt abschließen will. Orlok entpuppt sich jedoch als Vampir, zwingt Hutter unter seine Kontrolle und bricht nach Wisborg auf, um nach der schönen Frau zu sehen, deren Bild er bei Hutter fand. Auch Hutter, der sich befreien konnte, eilt nach Wisborg zurück, wo es zwischen Pesttoten und Rattenheeren zur entscheidenden Auseinandersetzung kommt…

Dies ist kurz und knapp die Geschichte um den berühmten Wiedergänger Graf Orlok in Friedrich Wilhelm Murnaus Nosferatu. Die Namen der Protagonisten waren anders, aber es war dennoch ein frühes Zeugnis von einem der berühmtesten Wiedergänger der Filmgeschichte. Ursprünglich hätte es den Film wegen eines Urheberrechtsstreits mit Bram Stokers Witwe Florence Stoker gar nicht gegeben und eine gerichtliche Anordnung besagte, dass das komplette Filmmaterial inklusive aller Kopien von Nosferatu zu vernichten seien. Glücklicherweise war das Bemühen nicht von Erfolg gekrönt und es wurden verschiedene Kopien der endgültigen Auslöschung entzogen.

Murnaus Nosferatu ist neben Das Cabinet des Dr. Caligari wohl der beeindruckendste und künstlerisch wertvollste deutsche Horrorfilm aller Zeiten. Mit seiner beeindruckenden Bildsprache, zur damaligen Zeit einzigartigen Naturaufnahmen und dem absolut treffenden Titeldarsteller Max Schreck (1879-1936) sorgte Murnau bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für einen Alptraum, den man auch heute, im Zeitalter von Zombies und zahlreichen Vampirfilmen, nach wie vor nicht so schnell vergisst.

Nosferatu gilt praktisch als einer der ersten Horrorfilme überhaupt. Er nahm mit seiner grandiosen, expressionistischen Gestaltung bis heute einen großen Einfluss auf das Horror-Genre. Das schreckliche

Glanzstück mit seiner überaus dämonischen Hauptfigur und der Darstellung seiner traumartigen, gequälten Seele machten Nosferatu sogar zu einem der wichtigsten Werke des Kinos der Weimarer Republik. Die Dreharbeiten zu Nosferatu begannen im Juli 1921 mit Außenaufnahmen im mecklenburgischen Wismar. Eine Aufnahme vom Turm der Marienkirche über den Wismarer Marktplatz mit der Wasserkunst diente als Eröffnungsszene für den Schauplatz Wisborg.

Weitere Drehorte waren das Wassertor, die Westseite der Georgenkirche, der Hof der Heiligen-Geist-Kirche und der Hafen. Das um 1450 erbaute Wassertor steht heute noch an seinem Ort und ist das Letzte von fünf Toren der ehemaligen Stadtmauer. Der quadratische Backsteinbau prägt die bis heute erhaltene Stadtgestalt der Hansestadt Wismar. Hier schritt Max Schreck alias Nosferatu in einer Szene nach seiner Ankunft im Hafen hindurch. Eine Erinnerungstafel wurde im Boden eingelassen, um diesen historischen Drehort zu würdigen.

Der Hof der Heiligen-Geist-Kirche in Wismar war ein weiterer wichtiger Drehort für die Geschichte um den schrecklichen Vampir. Hier findet man im Innenhof die Stellen mit Holztor und Brunnen, wo der gruselige Blutsauger im Jahre 1921 entlangschritt. Das Eingangstor zum Hof der Heiligen-Geist-Kirche ist im Übrigen auch noch wegen einem anderen TV-Ereignis berühmt: sie dient nämlich als Einfahrt zur Polizeistation der Ermittler von SOKO Wismar. Kuriose Randbemerkung: Wenn die Polizeiwagen in der Serie durch das Tor fahren, wirkt es allerdings im Fernsehen viel größer, als es in Wahrheit ist. Ein gelungener Effekt, dem die TV-Serie nicht zuletzt seinen Charme verleiht.

Darüber hinaus wurden in Lübeck die aufgelassenen Gebäude der Salzspeicher als Drehort für Nosferatus neues Domizil in Wisborg genutzt, auf der Depenaustraße wurden die Särge herabgetragen, ebenso wurden weitere Außenaufnahmen in Lauenburg, in Rostock und auf Sylt durchgeführt. Letztendlich reiste das Filmteam auch in die Karpaten, wo die Arwaburg als gruselige Kulisse für Orloks halbverfallenes Schloss diente. Wismar jedoch ist eine der interessantesten Kulissen für Nosferatu. Dem Charme dieser Stadt hat es keinen Abbruch getan, im Gegenteil: heute ist sie ein gern besuchter Ort für Touristen, die auf der Suche nach den berühmten Drehorten für eines der beeindruckendsten Meisterwerke der Filmgeschichte sind. Wer weiß: Vielleicht hat der ein oder andere Motivjäger einen geheimnisvollen Schatten eingefangen, der als gequälte Seele des Grafen Orlok noch heute durch Wismar, pardon: Wisborg, streift…

Wassertor wo einst Max Schreck als Dracula in die Stadt kam, Foto: Roland Roth

Buchhinweis:

Daniela Mattes und Roland Roth

Mythos Wiedergänger

Was haben Zombies, Dracula und Frankenstein gemeinsam?

Ancient Mail Verlag, Groß-Gerau

ISBN 978-3-95652-305-2

Über Roland Roth 15 Artikel
Roland Roth, Jahrgang 1971, ist seit vielen Jahren Autor von populärwissenschaftlichen Artikeln in verschiedenen Fachzeitschriften und Anthologien. Sein neues Buch trägt den Titel „Merlins Garten – Mythen, Megalithen und vergangene Welten“. Etliche Reisen und Recherchen an mystischen Plätzen und vergessenen Orten sind seine besondere Leidenschaft. Darüber hinaus ist Roland Roth ein großer Hundefan und engagiert sich in der Altenhilfe.