Roderich Kiesewetter: Grammatik und Sinn von Abschreckung
Bundestagsabgeordneter Roderich #Kiesewetter, Sprecher Krisenprävention, CDU-Obmann Außenpolitik, stellvertr. Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Vorsitzender Beirat Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Oberst a.D.: „Es ist bedauerlich, daß nur wenige in Deutschland Grammatik und Sinn von #Abschreckung verstanden haben und dies auch der Bevölkerung erläutern. Abschreckung ist eine #Sicherheitsgarantie, die vor Angriffen von Aggressoren schützt. Das Ziel ist somit, einen Krieg und das in Deutschland exzessiv verwendete Wort kriegerische „Eskalation“ zu verhindern. Wie das funktioniert:
1. Die #UKRAINE gab 1994 ihre Nuklearwaffen ab und erhielt dafür u.a. gem. Budapester Memorandum Sicherheitsgarantien (USA, GBR, RUS). Diese Garantien enthielten jedoch keine glaubwürdige Abschreckung. Denn der Ukraine wurde 1) ein MAP für eine NATO-Mitgliedschaft verweigert, mit der dann eine nukleare und konventionelle Abschreckung enthalten gewesen wäre. 2) Die Ukraine wurde militärisch nicht ausreichend unterstützt, um eine Abschreckungswirkung zu entfalten. Beides führte dazu, daß Russland nicht vor einem Angriff auf die Ukraine „abgeschreckt“ wurde. Die Ukraine ist in ihrer Existenz bedroht, Russland führt einen Vernichtungskrieg.
Sicherheitsgarantien, die die Ukraine bei einem „Waffenstillstand“ bzw. im Zuge von Verhandlungen benötigt, sind deshalb „Abschreckung“. Sie müssen so stark sein und so glaubwürdig, daß Russland niemals mehr angreift. Das bedeutet, die Kosten eines Angriffs müssen für RUS enorm hoch sein und die Erwartung mit militärischen Maßnahmen Erfolg zu haben (Kosten-Nutzen) extrem gering. Deshalb ist eine perspektivische NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine die effektivste und glaubwürdigste Sicherheitsgarantie und somit die effektivste Abschreckung. Bis dahin schafft man Abschreckung v.a. durch entschlossenes und geeintes Handeln von möglichst vielen Unterstützerstaaten, die die Ukraine militärisch, wirtschaftlich und politisch unterstützen.
2. #ISRAEL hat eine enorm gute Abschreckung gehabt, da es militärisch stark ist und den dauerhaften Raketenterror und Angriffe auf die Zivilbevölkerung durch Hizbollah und Hamas seit fast 20 Jahren in der Regel abwehren konnte und mit militärischer Stärke einen größeren kriegerischen Angriff abhielt – bis zum 7. Oktober. Durch den genozidalen Angriff von Hamas und Islamischem Dschihad auf die israelische Bevölkerung und die brutale Ermordung und Entführung von über 1.200 Menschen hat diese Abschreckung massiv gelitten. Daraus folgte, daß Israel nicht mehr die Schutzwirkung hat und der Iran sowie seine Terrorgruppen nicht mehr von kriegerischen Angriffen abgehalten werden. Deshalb geht der Beschuss auf Nordisrael durch die Hizbollah unvermindert weiter und die Hamas weigert sich, israelische Geiseln freizulassen.
Wie bei der Ukraine, ist Israel in seiner Existenz bedroht. Iran und seine Proxies haben als klares Ziel die Vernichtung Israels. Israel muss deshalb diese Abschreckungswirkung wiederherstellen, um seine Bevölkerung zu schützen und auch um eine Ausweitung des Krieges zu verhindern. Neben der Befreiung der Geiseln, ist das Ziel des militärischen Vorgehens gegen die Hamas in Gaza ebendiese Abschreckung wiederherzustellen, in dem die Terrorstrukturen der Hamas zerstört werden. Die Tötung der Hamas-Führung ist deshalb völkerrechtlich legitim und militärstrategisch richtig. Man kann jetzt die israelische Regierung kritisieren oder wie dies militärisch durchgeführt wird, das ist aber hier nicht das Thema. Oberstes Ziel muss es sein, den Iran und seine Proxies vor einem großen Angriff auf Israel „abzuschrecken“. Damit würde auch eine Ausweitung des Krieges und somit eine „Eskalation“ verhindert.
Die Partner Israels, insb. die USA versuchen deshalb, die Abschreckung so zu erhöhen, daß der Iran vor einem Großangriff abgehalten wird. Sollte es dennoch dazu kommen, dient diese Abschreckung und militärische Stärke dazu, einen Angriff möglichst vollständig abzuwehren. Deshalb haben die USA Flugzeugträger und Kampfjets in die Region verlegt und versuchen eine Schutzallianz zu schaffen. Nur mit Abschreckung, wie es die USA tun, lässt sich ein großer Krieg im Nahen Osten verhindern. Deutschland sollte seinen Teil beitragen und Israel unterstützen. Unsere militärischen Mittel sind sehr begrenzt, es geht allerdings auch hier um das Signal der Abschreckung und das Zeichen, daß Israel nicht allein steht, sondern es Unterstützer hat (möglichst viele), denn mit Entschlossenheit und Geschlossenheit wird die politische Abschreckungswirkung erhöht. Sowohl Russland als auch der Iran und seine Terrorgruppen haben deutlich gemacht, daß Diplomatie sie nicht vor militärischen/terroristischen Angriffen „abschreckt“. Das geht leider nur mit militärischer Stärke und entschlossenem und geschlossenem Handeln einer möglichst großen Anzahl an Partnern, die politische, militärische und wirtschaftliche Konsequenzen aufzeigen.
Diese Grammatik der Abschreckung ist es, die wir begreifen sollten. Abschreckung dient dazu, einen Krieg zu verhindern. Sie ist kein Selbstzweck, kein Säbelrasseln und keine Kriegsspielerei! Abschreckung hilft, Aggressoren davon abzuhalten, Zivilisten in Ukraine und Israel zu töten und sie hilft, kriegerische Handlungen einzudämmen, also einen großen Krieg zu verhindern. Es wäre hilfreich, wenn diese Grammatik und das Ziel medial stärker in den Fokus rücken, um in der öffentlichen Debatte besser verständlich zu machen, worum es bei Sicherheitspolitik geht und sich nicht in Eskalationshysterie, Schein-Diplomatie und Kriegstreiber-Rufen zu ergehen. So wird nämlich der Aggressor gestärkt und einer Täter-Opfer-Umkehr Vorschub geleistet.““