Da scheinen sich viele heute einig: die Rede von Risikorationalität sei als Ideologie zu deklarieren und zu vermeiden, wie Ulrich Beck neulich in der FAZ schrieb. Unser Risikosoziologe weiß natürlich, dass seine Risikoverwerfung nicht ohne Kosten zu bekommen sei – da wird so ganz nebenbei eine Zeitenwende herbeigeredet und unsere Gegenwart just als eine – zumindest energietechnische – Endzeit unterstellt (die er als Energiewende = Demokratiewende entdramatisieren will). Denn wenn das weitere Reden vom Risiko, das man einzugehen gewillt sein muß, als Übergehen ins ideologische Reden zu begreifen wäre, dann wird der Begriff Risiko als für die technische Moderne überhaupt entbehrlich und bloß noch sozusagen ‚historistisch’ interessant. Dann hat man– philosophisch – den Schritt getan, nicht mehr primär das Wahrscheinliche zu kalkulieren (d.h. es zu minimieren), sondern das Mögliche überhaupt zu vermeiden. Damit verlangen wir – singulär – nur im Umgang mit der Kerntechnik, was wir uns ansonsten lebensweltlich und technologisch selbstverständlich niemals zumuten. Eine solche Forderung kann man getrost als Hypokrisis des gegenwärtigen deutschen Common senseidentifizieren! Nun will ich diesem Gerede vom Ende des Risikos (das kernkatastrophisch erzwungen sei) nicht seinerseits – wie billig – als Ideologie etikettieren, sondern (anthropologisch) zu vermuten geben, dass wir Menschen wahrscheinlich per se Risikowesen sind. Denn: Zu wissen, das alles, was man tut, unter Risikoformat steht, gehört doch wohl zu den ältesten Erzählungen über unsere Selbsterhaltung überhaupt. Das Risiko für den Menschen ist selbstverständlich nicht erst – modern – mit der Kerntechnik hoch geworden, – denn die (alttestamentarische) Idee mit der Arche bringt ja schon Noah – prototypisch – in die Lage, als Erster ein Restrisiko zu bedenken … d. h. mit einem existenziellen Risiko zu rechnen, dass, wenn der Kahn nicht nach menschlichen Ermessen sicher gebaut würde, alle menschliche und tierische Erbschaft endgültig verloren zu haben. Wenn Noah gedacht haben würde, das Mögliche (des Absaufens) überhaupt zu vermeiden, dann hätte er das Ding natürlich nicht gebaut und wir brauchten uns heute keine Sorgen mehr zu machen …
Kurzum: Diese Hazard-Natur (John G. Bennett) von uns Menschen macht doch vor allem erst unser Menschliches aus, unsere Freiheit, die man als bedeutungsgleich mit Risiko bestimmen könnte! – Das, was wir sind, erfahren wir doch immer besser aus den alten Erzählungen, als aus hysterischer uninformierter Television …
Und wenn dann, was ja im Begriff Risiko einbegriffen ist, der worst case eintritt, und uns eine kerntechnische Anlage um die Ohren fliegt, ja was dann? Ist dann das Ende der Menschheit gekommen, ist die betroffene Landschaft auf unabsehbare Zeit unbewohnbar? Eine Atomwüste? – Unsere Erfahrungen mit der Kerntechnik seit 1945 zeigen doch, dass das gerade nicht unser unabwendbares Schicksal ist! Wir haben – schlimmer als die beiden AKW-Unfälle in Tschernobyl und Fukushima – zweimal mit Atombomben unvorbereitete Städte zerstört (und viele Jahre lang AtomBomben in der Atmosphäre getestet)! Was ist also mit Hiroshima und Nagasaki? Was war fünfundzwanzig Jahre nach Hiroshima? 1960 war die Stadt wieder bewohnt und hatte fast wieder eine Million Einwohner! Dass fünfundzwanzig Jahre nach Tschernobyl (und jener Unfall ist doch in keiner Weise mit der Explosion einer Atombombe vergleichbar)rings um den Unglücksreaktor kein neues urbanes Leben sich entwickelt hat, liegt nicht an den kerntechnischen Verwüstungen, sondern an den sozialen und zivilisatorischen Verwahrlosungen der Sowjet- bzw. postsowjetischen Mentalität, die jenen Zustand mit einer – klassisch russischen – Oblomow-Haltung hinnimmt.
In der Moderne lernt man aus solchen Unfällen und Katastrophen, hier entwickelt sich eine sich ständig überprüfende und korrigierende Ingenieurskunst, die verkümmern würde, wenn sie ihre Zeit an risikoarme Klein-Klein-Technik verschwenden würde.
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