Für den Schriftsteller Erich Loest (1926-2013) wäre dieser Festakt am 30. März in der Leipziger Universität ein Augenblick des Triumphes gewesen: er hatte nach jahrelangen Querelen um das Bild des DDR-Staatsmalers Werner Tübke (1929-2004) „Arbeiterklasse und Intelligenz“ (1973) , 2006 dem Leipziger Maler Reinhard Minkewitz, geboren 1957 in Magdeburg, den Auftrag erteilt, einen Gegenentwurf mit dem Titel „Aufrecht stehen“ zu schaffen. Von den sieben Aufrechten gegen Behördenwillkür, ideologische Bevormundung und politische Verfolgung ist heute keiner mehr am Leben: Die beiden Professoren Ernst Bloch, Philosoph, 1957 zwangsemeritiert, und Hans Mayer, Literaturwissenschaftler, begingen 1961 und 1963 „Republikflucht“, bekamen dann Lehrstühle in Tübingen und Hannover angeboten und starben 1977 und 2001. Diedrei Studenten wurden entweder, weil sie für demokratische Verhältnisse eintraten, 1951 in Moskau erschossen wie Herbert Belter (1929-1951) oder zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt wie Wolfgang Natonek (1919-1994), der acht Jahre im Zuchthaus Bautzen saß, oder wie Werner Ihmels (1926-1949), der dort starb. Der Leipziger Studentenpfarrer Siegfried Schmutzler (1915-2003) war 1957/61 im Zuchthaus Torgau an der Elbe eingesperrt, und der Leipziger Erich Loest wurde 1957 für sieben Jahre nach Bautzen verbracht, bevor er 1981 den SED-Staat verlassen durfte. Was Linde Rotta (1937), die Lebensgefährtin Erich Loests, und der ausführende Maler Reinhard Minkewitz, beabsichtigten, war eine Rehabilitierung von DDR-Intellektuellen, deren Lebens- und Berufsweg durch eine ideologisch ausgerichtete Politik zerstört worden war. Heute weiß man aus den Archiven, dass es sich um Hunderte gehandelt haben muss, die in den 40 DDR-Jahren davon betroffen waren.
Das Bild „Arbeiterklasse und Intelligenz“, das Werner Tübke 1970/73 im Auftragder Leipziger Karl-Marx-Universität erstellte machte ihn berühmt und wurde 1974 mit demDDR-Nationalpreis ausgezeichnet. Der Leipziger Kunsthistoriker Frank Zöller, das aus Bremen stammt, interpretierte das Bild derart, dass der staatstreue Maler fast zum heimlichen Widerstandskämpfer stilisiert wurde.
Da war die Festrede des GRÜNEN-Politikers Werner Schulz, geboren 1950 in Zwickau, der das, was im SED-Staat vier Jahrzehnte lang praktiziert wurde, nicht vergessen wollte, eine wahre Wohltat! Er ließ nichts aus, wenn er die Verbrechen aufzählte, die von den Kommunisten auch in Leipzig begangen worden sind, ohne dass sie dafür jemals belangt worden wären: „Die Verbrechen und Verwüstungen, die im Namen des Kommunismus begangen wurden, zu vergessen, zu verdrängen oder zu verharmlosen, wäre der sicherste Weg für seine Reinkarnation. Darum ist seine Verdammung keine politische Leichenschändung. Im Gegenteil: es gibt eine Partei, die eine kommunistische Plattform unterhält und über neue Wege zum Kommunismus nachdenkt…Die Geschichte hat den gläubigen Anhängern der kommunistischen Ideologie viel zugemutet. Denn die DDR ist so gründlich gescheitert, wie man nur scheitern kann: ökonomisch, politisch und moralisch. Doch vor allem, und darum ging es heute und hier, ist sie an ihrem Menschenbild gescheitert.“
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