Immergleiche britische Komödie wenigstens ohne Happy End
David Nicholls: Ewig Zweiter. Kein&Aber 2006, 283 S., 19,90 Euro, ISBN: 3-036-95153-9.
Stephen McQueen ist die zweite Besetzung für das Stück „Verrückt, verworfen und gefährlich“ über Lord Byron am Hyperion Theatre in London. Er hat kurz einen Auftritt als Geist, darf aber ansonsten nur darauf hoffen, dass der Star des Stückes, Josh Harper, ausfällt, damit Steve einmal die Titelrolle spielen kann und ihm der Durchbruch als erfolgreicher Schauspieler gelingt. Auch außerhalb des beruflichen Lebens spielt McQueen nur die zweite Geige: seine Ex-Frau ist wieder verheiratet und erwartet ein Kind, flirtet aber weiter mit ihm; die obligatorische siebenjährige gemeinsame Tochter entfremdet sich vom Vater, und sogar seine eigene Wohnung wirkt wie eine Parallelwelt ohne Kühlschrank.
Damit reiht sich das Buch ein in die Reihe der gewohnten englischen Literaturimporte, die mit ihrem anfangs hoffnungslosen, aber für Kenner aussichtsreichen Setting eines Mittelklasse-Antihelden alle gut eingerichteten Leser und Filmfreunde da abholt, wo sie es sich mit Chips und Erdnüssen bei Nick Hornby und Richard Curtis gemütlich gemacht haben. Mit „Ewig Zweiter“ hat der Verlag einen Titel gewählt, der auch alle Scheiternden und wirklich Zu-kurz-gekommenen anspricht, dabei besonders alle scheitenden Kunstschaffenden, die glauben, hier vielleicht noch was lernen zu können.
Die Rollen, die der dreißigjährige Stephen McQueen bisher gespielt hat, waren entweder Leichen oder ein singenden Eichhörnchen, das sogar ein Verkaufsschlager wurde. Seine Ex-Frau bezeichnet das als Scheitern. Sie selbst war früher auch Schauspielerin, hat aber schnell den Schritt ins lukrativere Investmentbanking getan und drängt Steve dazu, das auch zu tun. Ihrem messbaren Erfolg, sie hat ein Haus, eine intakte Ehe und überlegt, das Kind auf eine Privatschule zu schicken, steht Steves Versagen als Schauspieler klassisch antipodisch gegenüber. Er hält an seinem Traum fest und an der idealistischen Einstellung, man müsse das tun, was man am besten könne und hinter dem man steht. Seine Lebendigkeit gegenüber dem Establishment – übrigens auch einer Schauspielerkarriere – , gezwungenermaßen seine Unangepasstheit wendet sich mehr und mehr in eine Farce je älter er wird und je absehbarer er mit diesem Weg keinen Eintritt in eine ökonomisch gesicherte Daseinsweise findet.
Das Thema des Scheiterns wird daher in diesem Roman verwässert zu einer Aufforderung, den richtigen Absprung zu finden, sich den Wirklichkeiten zu stellen, die Jugend hinter sich zu lassen, erwachsen und vernünftig zu werden. Aus diesem Grund kann es kein Happy End geben, Happy Endings sind gefühlhafte utopische Erfüllungen, nicht das Sich-zusammenreißen und Kompromisse-machen, das den Zweitligisten zusteht. Steve behält also seine Lebendigkeit zum Preis des voraussichtlich weiterführenden Scheiterns, und der Roman bleibt wenigstens in dieser Hinsicht integer.
Ansonsten kommt man beim Lesen schnell in den Text der typischen englischen Komödie:
Verwirrung und Lügen, die deutlich einer Komödienschreiberfeder entstammen; Liebe, Verwicklung, Enttäuschung und die obligatorische Tochter, sich dem Haupthelden entfremdet. Steve gerät in den Dunstkreis von Josh befreundet, verliebt sich in Joshs Frau Nora mit zugehörigem Eklat, hat mehrere Alkoholaussetzer und spielt schließlich Lord Byron vor einem Publikum von 7 Personen. Erzählt wird das alles etwas tapsig, ungefährlich, fast süß geschrieben im Stil von „…in letzter Sekunde fällt dem Held ein auf dem Fünfmeterbrett ein, dass er nicht schwimmen kann.“ Es ist fluffig und schnell lesbar, dabei durchaus unterhaltend, aber flache Unterhaltung.
Die Entwicklungen sind vorhersehbar. Man weiß, er kriegt seinen großen Auftritt, aber wenn der Titel des Buches wahrhaftig sein will, dann muss er scheitern, also scheitert er. Man weiß, Nora tritt noch mal auf, eventuell fliehen sie zusammen. Und es ist so: Nora erwartet ihn am Ende in seiner Wohnung und eventuell fliehen sie zusammen.
Man erkennt an Nicholls Stil den Drehbuchautor, der sein „Drehbücher erfolgreich schreiben“ Handbuch brav gelesen hat, auch an der Konstruktion der schemenhaften und eindimensionalen Charaktere: Der Held, ein trotz allem gutaussehender 30er, der was kann und der Bildung hat, aber leider nicht zum Zuge kommt, weil er viel zu brav ist und nie die richtige Chance hatte; der erfolgreiche Überschauspieler, der immer ein bisschen an Johnny Weismüller als Tarzan erinnert, nie zu spät kommt, immer gesund ist, umschwärmt, aber dumm. Er gesteht Stephen, ihn um seine Belesenheit und seine Art, sich in die Rollen einzuarbeiten, beneidet zu haben. Als Mensch ist er nicht abstoßend, sogar eine Art Psychogramm wird aufgebaut, aber er ist eindeutig derjenige, der die Ehe zerstört.
Dann seine Frau, die auch mehr sein soll als sie ist, die sarkastische, intelligente, sexy Nora, ehemaliges Bandmitglied. Sie soll ihren Mann lieben, betrinkt sich aber ständig (wohl ein Zeichen von Verzweiflung) und sticht aus der Künstlermasse nur heraus, weil sie Steve auf dem Loftklo begegnet ist und ihm verschwörerisch zugezwinkert hat.
Trotz der Verarbeitung von Filmen, Szenen Drehbüchern, Filmbeschreibungen bleibt die Romansubstanz bruchstückhaft filmisch, für einen filmhaften Roman ist zu wenig Film lesbar, aber vielleicht klappt es dann – die Filmrechte sind schon verkauft – bei der Verfilmung eines romanhaften Filmes mit vielen Off-Einsprachen des Helden. Manchmal wird es ja ganz glücklich gelöst, die mehrseitigen langweiligen inneren Monologe im Film durch einfaches Dastehen und Starren auszudrücken.
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