Frische, aktuelle, cool produzierte Musik, hautnah am Zeitgeist – das ist das musikalische Triptychon, das Fischer Z im Frühjahr 2024 präsentiert. Wobei unter diesem Bandnamen natürlich die Stars des New Wave bekannt sind. Seit ein paar Jahren tritt indes auch John Watts, der künstlerische Kopf der Band seit der Debüt-LP „Word Salad“ (1979), als „Fischer Z Solo“ auf. Fischer Z ist damit zugleich ein Pseudonym eines genialen Musikers und der Bandname einer der Ikonen des New Wave und des White Reggae – Fischer Z steht hier ebenbürtig neben neben The Police und Madness.
Und nun „Triptych“, das neue Album. Enorm die Tiefe, die menschliche Tragik, die emotionale Dimension, aber auch die politische Botschaft. John Watts, der nach wie vor alles komplett allein komponiert und arrangiert, nimmt seine Hörer mit in die heutige Welt des geistigen Europa, aber mit den Erfahrungen aus mehreren Jahrhunderten, ein soziales Gewissen, unbeschadet dessen aber auch sehr britisch. Eingeweihte wissen, daß er aus einer alten englischen Offiziersfamilie stammt. Frieden bewahren und dabei wissen, wie das geht, alles kongenial in Musik verpacken und bestens verständlich präsentieren – kaum einer kann das wie John Watts
Thematisch ist das Album dreigeteilt – klar, ein Triptycon. Sehr fragil, die Verletzlichkeit sublim transportierend, die so manch ein Hörer gut wird nachvollziehen können, sind dabei die Lieder, die von der Liebe handeln. Sie sind bereits auf einer Vorab-EP zu hören gewesen, und auf „Triptych“ sind sie an den Positionen 1, 4, 7 und 10 zu finden – und handeln eigentlich von einer einzigen, großen Liebe, deren Namen der Künstler aber nicht verrät. „Nefertete“ beschreibt den Abend, an der er sich verliebte. „This Woman And I“ und „Man Man Man“ beschreibt den Beziehungsalltag mit Schmerz und Freude – vor allem natürlich Letzerem.
„The Hamburg Beat“ ist bereits ein kleiner Independent-Hit geworden und wird von Leuten wie Tom Glas in Bayern 1 gespielt. Das will etwas heißen, aber dieses Lied ist auch etwas Besonderes, es beschreibt das Ende der für den Künstler so bedeutenden, fünfjährigen Liebesbeziehung. John Watts selbst schreibt dazu, wie immer natürlich mit gewissem Hintersinn: „It’s the most tragic prophetic song I’ve ever written. It’s the most inappropriate to sing to your beloved girlfriend.” Doch zunächst ist es ein wunderbares, tanzbares Stück Musik, in dem das Leben gefeiert und zugleich ein kommender, ein großer Verlust vorweggenommen wird, denn: „the beat is gone“. Das geht uns alle an – wir alle tragen Verlustängste in uns. „The Hamburg Beat“ ist für ein Millionenpublikum geschrieben.
Das Projekt „Triptych” wird seinem Namen mit vier politischen Songs gerecht; sie folgen jeweils auf eines der Liebeslieder. „The Plea“ beschreibt John Watts selbst so: „It’s the story of a young Russian conscript whose colleagues have all been killed. He’s asking the mayor not to send any more innocent young men into pointless conflict.” Über soziales Elend in England singt er in „Amoral Vacuum” – wie es scheint, hat er kein besonderes Faible für die Tories und Boris Johnson. Musikalisch besonders intensiv ist „Berta“. John nennt dies Lied „the true story of an environmental activist from Honduras who was killed because she spoke out corrupt destroyers of the environment. A nature activist murdered by corporate businesses for trying to protect the environment and its inhabitants.” Aktueller geht es kaum.
Auch „Still On The Train” zählt John zu politischen Liedern auf „Triptych”. Es handelt von den Schwierigkeiten, den eigenen Werten und Überzeugungen treu zu bleiben. Aber ist es nicht auch eine Referenz an seinen Vater, verlässlich und beständig, der er einst das berühmte Lied „The Worker“ widmete? Zeigt sich hier nicht die tiefe Sehnsucht, endlich anzukommen, und dennoch genau das nicht zu können? Der Querbezug zu einer gescheiterten Liebesbeziehung, die in seiner aktuellen Musik mitschwingt, die aber jeder schon durchlitt, quasi also eine universelle Erfahrung – er deutet sich an.
Aus dem dritten Teil dieses musikalischen Triptychons sei hier „Blue Sound“ genannt. Dieses Lied beschließt diese große Konzept-LP, jetzt schon als CD vorliegend, auf melancholisch-heitere, dabei aber raffinierte Weise. Die Schwerkraft verlassend entschwebt die Musik und läßt die Hörerschaft bereichert zurück. Im Begleitchor tritt uns die nächste Künstlergeneration entgegen in Person von Johns Tochter, Leila Watts, die auch an der bemerkenswerten Gestaltung des Plattencovers beteiligt war; Nato Welton hat photographiert.
Spätestens mit „Red Skies Over Paradise“, erschienen 1981, erspielte sich Fischer Z einen Platz in der ewigen Bestenliste. Nun scheint das Kunststück gelungen, abermals den originalen englischen New Wave der 1980er bruchlos in eine neue Tonsprache, 40 Jahre später, zu übertragen. Alle Songs sind gleichermaßen perfekt produziert, der Klang klar und kraftvoll, die Balance ausgezeichnet. Liebhaber gut durchdachter, raffiniert produzierter Musik, brandaktuell, aber immer auf dem klassischen englischen New Wave fußend, sollten sich das Werk deswegen auch, sobald verfügbar, auf Vinyl zulegen.