Preisträger*innen in der Sektion Perspektive Deutsches Kino

Berlinale Bär im Sony Center am Potsdamer Platz, Bildquelle: Berlinale

Pressemitteilung – Die Preisträger*innen in der Sektion Perspektive Deutsches Kino sind:

  • Kompass-Perspektive-Preis: Janna Ji Wonders für Walchensee Forever 
  • Kompagnon-Förderpreise: Hristiana Raykova (Perspektive Deutsches Kino 2019) und Ian Purnell (Berlinale Talents 2020)
  • Heiner-Carow-Preis: Natalija Yefimkina für Garagenvolk

Janna Ji Wonders

Der Kompass-Perspektive-Preis für den besten Film des Programms geht an Janna Ji Wonders für den Film Walchensee Forever

Am Abschlussabend der Perspektive Deutsches Kino haben die Juror*innen Melanie Andernach, Bernd Lange und Mia Spengler den mit 5.000 Euro dotierten Preis vergeben.
Als Trophäe bekam die Regisseurin einen Kompass überreicht, der ihr symbolisch Orientierung geben und die Richtung weisen soll. 

Die Jurybegründung im Wortlaut: 

Dieser Film ist ein Kristall. Je länger man ihn betrachtet, desto mehr erkennt man neue Facetten. Über fünf Generationen hinweg portraitiert er die Frauen einer Familie in Bayern. Ergänzt von herausragendem Material aus dem privaten Archiv der Familie berichten die Protagonistinnen aufrichtig, klug und direkt in die Kamera. Aus diesen Einzelgeschichten entsteht ein Gesamtbild privaten Lebens im zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhundert. Dabei bleibt das Erzählte immer persönlich und individuell und entwickelt nicht zuletzt durch die uneitle Haltung der Filmemacherin und ihrer Protagonistinnen eine überwältigende Wucht. Klug montiert, klar gefilmt und mit Herzenswärme erzählt und produziert, hören und sehen wir Apa, Norma, Anna, Frauke und Janna zu. Stiller Chronist ist der Walchensee, der ihre Leben verbindet. 

Ian Purnell, Hristiana Raykova

Die beiden Kompagnon-Förderpreise Perspektive Deutsches Kino und Berlinale Talents gehen an Hristiana Raykova (Perspektive Deutsches Kino 2019) sowie an Ian Purnell (Berlinale Talents 2020).

Seit 2017 wird der Kompagnon-Förderpreis jeweils für ein neues Filmprojekt an eine*n Autor*in und/oder Regisseur*in von Berlinale Talents sowie an eine*n Regisseur*in der Perspektive Deutsches Kino vergeben. Mit dem Kompagnon-Förderpreis möchten Berlinale Talents und Perspektive Deutsches Kino in Deutschland lebende Regisseur*innen und Drehbuchautor*innen nachhaltig bei ihrer Arbeit unterstützen. Die Auszeichnung bietet neben dem Stipendium von 5.000 Euro (Kurzfilme: 2.500 Euro) auch ein Mentoringprogramm mit berufsbegleitenden Coachings zur Stärkung der persönlichen Handschrift und zur Vernetzung in der Branche. Die Juror*innen Melanie Andernach, Bernd Lange und Mia Spengler verliehen die Preise.

111 von Hristiana Raykova — die Begründung der Jury im Wortlaut: 

Was sind wir bereit für unsere Freiheiten aufzugeben? Die bulgarische Journalistin Miroluba Benatova konnte die neuen Bedingungen ihres Nachrichtensenders nicht mehr akzeptieren. Sie begab sich freiwillig in die prekäre Situation als Taxifahrerin, um weiterhin die Geschichten der Menschen ihres Landes zu erzählen. Die Regisseurin Hristiana Raykova begleitet Miroluba Benatova auf ihren Fahrten. Die Fahrgäste werden zum Spiegelbild einer Gesellschaft, in einem Land, das den 111ten Platz in der Welt und den letzten Platz in der EU auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt. Um den Mut und die Entschlossenheit dieser klugen Rebellion eine Form zu geben, möchten wir den Film 111 von Hristiana Raykova mit dem Kompagnon-Preis auszeichnen.

Arctic Link von Ian Purnell — die Begründung der Jury im Wortlaut: 

Arctic Link von Ian Purnell ist ein hybrider Dokumentarfilm und visueller Essay. In der Arktis ist ein Schiff unterwegs. Es wird das längste Glasfaserkabel unter dem ewigen Eis verlegen, um die Welt mit einem schnelleren Internet zu versorgen. Dies ist nur aufgrund des Klimawandels möglich. Der hybride Dokumentarfilm Arctic Link von Ian Purnell verbindet die Geschichten der Menschen auf dem Schiff mit der Lebenswirklichkeit in einem arktischen Dorf und virtuellen Liebesgeschichten. Er setzt menschliche Sehnsüchte in Relation zu den nicht mehr widerrufbaren Auswirkungen unseres Handelns auf dem Planeten. Wir sind gespannt auf eine beeindruckende, visuelle Reise in das Herz der Dunkelheit unserer Gegenwart.

Der Heiner-Carow-Preis 2020 zur Förderung der deutschen Filmkunst geht an Natalija Yefimkina für 

Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird von der DEFA-Stiftung ausgelobt und zum ersten Mal in der Sektion Perspektive Deutsches Kino verliehen. Ausgezeichnet werden Dokumentar-, Spiel- oder Essayfilme, die sich sozialen und politischen Fragen der Gegenwart und Geschichte mit außergewöhnlichen ästhetischen Mitteln annehmen. Über die Vergabe des Gewinnerfilms entschied eine dreiköpfige Jury, bestehend aus Annekatrin Hendel, Anne Möller und Jan Speckenbach. 
Die Preisverleihung ist barrierefrei gestaltet. 

Die Jurybegründung im Wortlaut:

„Der Gullideckel ist meine Tür, aber ich bin glücklich. Mein Leben ist schön“, sagt eine der Figuren des Filmes. Die Entscheidung für diesen Preis ist uns sehr schwer gefallen in diesem starken Jahrgang der Perspektive Deutsches Kino. Wir haben uns für Garagenvolk von Natalija Yefimkina entschieden. Großes Kino. 

Die Regisseurin lässt uns in einen Mikro-Kosmos schauen, der uns wie eine Parallelwelt erscheint. Die komplexe Welt einer morbiden Garagenanlage eines Bergarbeiter-Ortes im Norden Russlands erinnert an eine Kleingartenkolonie ohne Garten. In jeder einzelnen dieser kleinen Garagen entsteht, je länger der Film sich Zeit nimmt hinzuschauen, ein eigenes Universum. Anfangs skurril scheinende Charaktere werden zu Reflektoren der Gesellschaft. Liebe, Freundschaft und Alkohol, Träume von Wohlstand und Zukunft sowie das kleine Glück finden hier Behausung. 

Die Zukunft all dieser Menschen ist JETZT. Und wenn das rastlose Handeln, ob es die Schrottsuche ist, der Kellerbau, die schiefen Töne der Punkbandprobe, die Prügelei oder die geschnitzten Ikonen, wenn dieses Handeln zum Erliegen kommt, dann stockt auch der Lebensfluss, dann gibt es keine Zukunft mehr. Wenn einer der Protagonisten sich unterhalb seiner Garage fünf Stockwerke in die Tiefe gräbt, eine Sisyphusarbeit ohne Ziel, außer der Beglückung des Moments, findet der Film Bilder von metaphorischer Dimension, die über die reine Beobachtung hinausreichen. Die Absurdität der Handlungen in der allgemeinen Chancenlosigkeit der Figuren lässt die Garagenwelt immer mehr zur Realität werden. Nicht die Figuren des Filmes leben in einer Parallelwelt, sondern wir.

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