Im Verlauf der vorangehenden Essays habe ich nicht alle Aufgaben der globalen politischen Transformation, die ich sehen kann, aufgeführt, denn dies wäre für den Textfluss zu schematisch und umfangreich gewesen und hätte zu vieler Wiederholungen von Inhalten aus die „Elemente…“ [1] bedurft. Dies wollte ich weder den geneigten Lesern und Leserinnen, noch mir als Autor zumuten. Vielmehr habe ich mich didaktisch auf Eckpunkte und aktuelle Brennpunkte konzentriert. Dadurch ist eine integrative Darstellung entstanden, die ich hier im vorliegenden Essays noch einmal durch einen flüssigen Durchlauf durch die Themen ergänzen möchte, um vollständiger und übersichtlicher zu sein.
Einige Themen sind auch schon sehr gut von anderen Autoren behandelt worden, wie etwa LGBTQ-Rechte und die Rechte indigener Gemeinschaften. Deshalb hatte ich lediglich die Verbindungen zu meinem Projekt, bzw. die Einbindung dieser Aspekte globaler Transformation in mein Projekt erörtert.
Um diesen Punkt deutlich hervortreten zu lassen, möchte ich mich zunächst nochmal einer kurzen Skizze der Wirkungsweise meiner neuen globalen Finanzarchitektur in Kontrast zum bestehenden Zustand zuwenden.
Das ökonomische System wäre durch meine neue globale Finanzarchitektur gerade so zu justieren, dass mit Null-Wachstum eine Umschichtung von verfügbarem Geldvolumen, von Einkommen und Vermögen, vom oberen sozialen Segment der Gesellschaft hin zu den Grundbedürfnissen und sozialen Menschenrechten der Armen stattfindet.
Indem Einkommen für die Armen und Hungernden durch von den Zentralbanken gedrucktes Geld geschaffen wird, wird eine gewisse leichte Inflation erzeugt, nämlich durch die breite und unmittelbare Teilhabe dieser Gruppe am Wirtschaftsgeschehen und durch mit ihr verdientes Geld, das im Kreislauf der Realwirtschaft weiter zirkuliert. Und dies würde den Realwert des globale in Umlauf befindliche Geldvolumens (das das Weltsozialprodukt durch seinen Umlauf ja erzeugt) schrumpfen oder stagnieren lassen. Obere Einkommen und Vermögen würden abgeschmolzen, untere substituiert.
Die Umschichtung würde also dadurch bewirkt, dass gezielt Geldvolumen auf der Seite der Armen, da wo es gebraucht wird, in das System eingespeist wird und gerade dadurch der Realwert des Gesamtvolumens zum abschmelzen gebracht werden kann, bzw. insgesamt sich gezielter Zufluss und allgemeine Schrumpfung des Realwertes gerade ausgleichen: Null-Wachstums-Kapitalismus. Die kapitalistische Wirtschaft würde in qualitativ selektiver Weise zugleich angekurbelt und gedämpft, so dass soziale und ökologische Belange zugleich berücksichtigt werden.
Denn dieses System unterscheidet sich wohltuend vom jetzigen Zustand, der ebenfalls mit einem großen Volumen gedruckten Geldes operiert, aber von der Angebotsseite her, nicht von der Nachfrageseite. Indem ungeheure Geldmengen für Investoren und deren Verluste aufgebracht werden (Niedrigzinspolitik, Ankauf von Staatsanleihen und giftigen Papieren aller Art durch die Zentralbanken), wird ein Kapitalismus erzeugt, der industrielle und militärische Expansion in Großprojekte bevorzugt, somit hauptsächlich Einkommen am oberen Ende der sozialen Skala (Spezialisten für diese Hochtechnologie) erzeugt und den wirklichen Bedarf für die unerfüllten Grundbedürfnisse der Menschheit ignoriert. Diese Art von Wachstum kann nur unökologisch sein. Und der grüne Kapitalismus, der damit kombiniert wird, ist dann etwas ökologischer, aber immer noch lange zu unökologisch, denn dadurch wird – wie ich schon bemerkt habe – nur das Wachstum von schädlichen Emissionen auf schädliche Rohstoffausbeutung verlagert.
Der heutige Kapitalismus besteht also aus zwei Schichten, einerseits der technologischen Hyperakkumulation und Expansion in Digitalisierung (und somit Rationalisierung von Arbeit, dh. global dem Verlust von Arbeitsplätzen) und konsumptive Expansion für obere Einkommen (SUV’s, Superyachten, Roboter, Digitalfernsehen und so weiter) und andererseits einer etwas besseren Schicht grüner Energie, die beide in ihrer Überlagerung ökologisch völlig untragbar und perspektivlos sind. Denn was durch die grüne Energie erreicht wird, das wird durch die damit einhergehende Umweltzerstörung und die Expansion auf anderen Gebieten wieder kaputt gemacht (Umweltzerstörung durch Bergbau, anwachsender Verkehr, Energie- und Rohstoffverbrauch durch forcierte Digitalisierung – Millionen von Roboter in der Zukunft und Militarisierung schon der Gegenwart).
Meine neue globale Finanzarchitektur zur Lösung der sozialen Frage muss in Vermeidung dieser Richtung der Entwicklung daher so dimensioniert werden, dass Null-Wachstum des Kapitalismus die Randbedingung ist. Dabei kommt ein Beitrag der Finanzarchitektur von 500 Mrd. USD als Abschätzung heraus, der jährlich in einen Marshallplan für Afrika und insgesamt für die Entwicklungsländer einfließen kann.
Ich habe dabei die folgende kleine Formel verwendet, die ich aus einer geeigneten Differentialgleichung für den Wirtschaftsprozess abgeleitet hatte, die man aber auch unmittelbar anhand der obigen Beschreibung der angestrebten Wirkungsweise (Stichwort: Umschichtung) der neuen globalen Finanzarchitektur gewinnen kann:
> → (reales) Wachstum
(1) C = I * V
< → Degrowth
Worin C der Strom des gedruckten Geldes ist, I die Inflation und V das in der Realwirtschaft global zirkulierende Geldvolumen (alle drei positive reelle Zahlen). Diese Formel hat für die Wirtschaftstheorie in etwa die Bedeutung, wie E = m * C² für die Physik, denn sie trennt Sein von Nicht-Sein, Degrowth von unökologischem Wirtschaftswachstum, wenn der Kapitalismus durch gedrucktes Geld der Zentralbanken angetrieben wird.
Der Realwert des punktuell zufließendes Geldes muss für Null-Wachstum gerade so groß sein, wie die Abnahme von Realwert im ganzen (realwirtschaftlichen) System durch die Inflation. Denn dann ändert sich der Realwert des global aktiven Geldvolumens nicht und deshalb kann dessen Zirkulation im Kreislauf der Realwirtschaft im Nettoeffekt wertmäßig keine zusätzliche Produktion von Waren und Dienstleitungen erzeugen, jedenfalls nicht im Sinne des realen Weltsozialproduktes. Dies ist die Bedeutung der Formel.
Dabei nehme ich eine konstante Zirkulationsgeschwindigkeit des Geldes an, so dass sich das Sozialprodukt nur erhöhen kann, wenn der Realwert des Geldvolumens ausgedehnt wird. Das Geldvolumen wird ja hauptsächlich im Takt der Löhne und Gehälter ausgegeben und wieder verdient, rotiert also schwerpunktmäßig im Monatstakt. Dies ist mit „Kreislauf der Realwirtschaft“ hier gemeint.
Wenn man ein Geldvolumen von 10 Billionen USD annimmt, das in der Realwirtschaft global zirkuliert, dann sind 500 Mrd. USD gedrucktes Geld im Jahr und 5% jährlicher Inflation kompatibel mit Null-Wachstum. Dies ergibt sich dann konkret durch Anwendung dieser Formel.
Ich habe in dem Essay: „Utopie und System“ dafür argumentiert, dass diese Abschätzung richtig ist und insbesondere die angestrebte Inflation von 5% jährlich erreicht würde. Erfolgt die Umschichtung außerdem von den Reichen hin zu den Armen und Hungernden, dann ergibt sich sogar ein ökologisches Plus, denn deren Einkäufe sind viel ökologischer, als die der Reichen.
Die Formel zeigt übrigens auch, warum (reales) Wirtschaftswachstum heutzutage soviel schwerer erreichbar ist, als noch nach dem Zweiten Weltkrieg, denn das Geldvolumen, das eingespeist werden muss, um das gleiche prozentuale Wachstum zu erzielen, wird ja immer größer, wenn das Geldvolumen im Kreislauf der Realwirtschaft bereits stark angewachsen ist. Wegen der Proportionalität der Wachstumsschwelle zu V (konstante Zirkulationsgeschwindigkeit – hauptsächlich im Monatstakt der Löhne und Gehälter – immer vorausgesetzt). Seit und in der Nachkriegsphase der Weltwirtschaft ist das globale Geldvolumen natürlich stark gewachsen.
Mit der Inflation von 5%, also der breiten Abschmelzung von Realwert, ergibt sich nun aber ein soziales Problem. Es würden ja nicht nur die Vermögen und Einnahmen der Reichen und Super-Reichen abschmelzen, sondern auch die Einkommen der unteren Lohngruppen und des Mittelstandes, sowie die Vermögen der kleinen Sparer.
Zumal 500 Mrd. USD keinen Spielraum lassen, um auch die relative Armut in den Industrieländern zu beseitigen, wenn der Marshallplan für die Hungernden im Globalen Süden realisiert werden soll.
An der Grenzlinie zwischen Unterschicht und Mittelstand muss die vorangehende Justierung der neuen globalen Finanzarchitektur deshalb fiskalisch nachgebessert werden und ebenso für die Arbeitslosen eine Lösung gefunden werden, die ihre sozialen Menschenrechte angemessen realisiert.
Dieses Themas hatte ich mich deshalb in dem Essay über die institutionellen und sozialen Aufgaben der politischen Transformation angenommen. Dies sind von daher die Brennpunkte der Transformation, wenn als Eckpunkt meine neue globale Finanzarchitektur eingeführt werden soll.
Es mag als ein Opfer gesehen werden, dass die sozialen Verwerfungen in Deutschland nicht mittels meiner neuen globalen Finanzarchitektur aufgelöst werden können. Ich meine hier den Umstand, dass Deutschland keine Druckfazilität zugewiesen bekommen kann, wenn Null-Wachstum eingehalten werden soll.
Auch mag man es als ungerecht empfinden, wenn Länder, die die Menschenrechte verletzen, quasi dafür belohnt werden sollen, indem ihnen im Rahmen meines Systems 0,2% – 0,5% des BIP des jeweiligen Landes als Erhöhung ihrer Druck- und Transferfazilitäten angeboten wird, wenn sie diese Rechte dann erfüllen.
Aber die reichen Demokratien sollten auch sehen, was sie davon haben. Die Erfüllung sozialer Menschenrechte ist entscheidend für den Weltfrieden. Damit würde langfristig die Notwendigkeit entfallen, einen hochgerüsteten Überwachungsstaat als Bollwerk gegen die Bedrohung durch die vom Neoliberalismus global Abgehängten aufrecht zu erhalten oder aufzubauen. Die Flüchtlingsproblematik würde sich sehr viel günstiger entwickeln, weil kriegerische Konflikte im Globalen Süden abnehmen würden. Die Menschen würden durch den wirtschaftlichen Aufschwung, der mit dem angedachten Marshallplan einherginge, nicht mehr als Arbeitsmigranten in die Fremde gehen, wodurch ein weiterer Migrationsgrund abnimmt. Und Frieden ist ja auch eine Voraussetzung für Handel und Export.
Die Frage nach den Menschenrechten kann nun so gesehen werden, dass Menschenrechte eigentlich global nur in reichen Ländern wirklich bestand haben. Dies sind also bisher Rechte für eine globale Minderheit. Und deswegen ist die Erhöhung der Druck- und Transferfazilitäten sachlich begründet, denn sie ist die Anschubfinanzierung für die Verbesserung der sozialen Situation, um einerseits eben Toleranz für solche Menschenrechte gerade erst zu erzeugen, die dem traditionellen Verständnis nicht entsprechen (LGBTQ-Rechte im Besonderen). Und andererseits geht es dabei um die Abwehr diktatorischer Tendenzen, die ebenfalls an der sozialen Frage hängt. Damit würden also die demokratischen Bewegungen in den Entwicklungsländern entschieden unterstützt.
Und die fiskalische Umstrukturierung hierzulande wäre dann ein notwendiger Seiteneffekt dieser ganzen Politik, denn gedrucktes Geld wird als Geldgeschenke empfunden und dafür kann nur dadurch Akzeptanz geschaffen werden, dass die soziale Frage auch hierzulande gelöst wird.
Mehr Frieden mit friedlichen Mitteln ist so entscheidend. Man mache sich klar, wie US-Präsident Donald Trump alt aussieht, wenn es keine Kriege mehr gibt. Wieso soll er dann noch die Erhöhung der Verteidigungsausgaben fordern können? Abgesehen davon, dass die Kriege der USA es waren, die uns die vielen Flüchtlinge beschert haben. Demnach müssen Ausgaben für Flüchtlinge als (zivile) Verteidigungsausgaben gerechnet werden. Und das sind sie ja auch, denn dadurch werden in den Heimatländern die Folgen der Spannungen abgebaut.
[1] Alexander Sigismund Gruber: „Elemente einer globalen politischen Strategie – Wie die Menschheit besser kooperieren kann“, Verlagshaus Schlosser, 2019,
ISBN 978-3-96200-276-3
(Das
Buch wird voraussichtlich ab Mitte Dezember 2019 über den Buchhandel
verfügbar sein)