Politiker haben den Bürgern und nicht sich selbst zu dienen

Konzertflügel, Foto_ Stefan Groß

Wider die Planwirtschaft im Bildungswesen

Die nachvollziehbarer Weise sehr intensive, aber nicht nur im Hinblick auf den Umgang mit Migration unangemessen selbstgerechte Auseinandersetzung vieler Mitbürger mit dem neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten führt derzeit dazu, dass wichtige andere Politikfelder kaum noch Beachtung finden. Ich denke dabei primär nicht an den bereits begonnenen Bundestagswahlkampf. Ihn dürfte der allgemeine (Anti-) Trump-Medienhype im Ergebnis nicht tangieren, denn die Wähler werden im Herbst unabhängig von den Wahlprogrammen der bundesdeutschen Parteien wohl jene Partei bzw. jenen Kanzlerkandidaten wählen, der in aktuell schwierigen Zeiten am überzeugendsten Kompetenz und Führungsstärke vermittelt.

Note „mangelhaft“ ? – Kommt auf das Bundesland an

Im toten Winkel der allgemeinen Aufmerksam liegen trotz seiner enormen Bedeutung für unsere Kinder die haarsträubenden Defizite unseres 16fach fragmentierten Bildungswesens. Mancher mag diese Aussage aufgrund des gelegentlichen medialen Aufbäumens kundiger Journalistinnen und Journalisten für übertrieben halten, aber fühlen Sie sich nicht an die ruinöse Planwirtschaft und lähmende postfaktische Statistik-Propaganda der DDR erinnert, wenn der Hamburger Senator für Schule und Berufsbildung die Ergebnisse einer unterdurchschnittlich ausgefallen Abitur-Vorklausur im Fach Mathematik top-down um 3 Notenpunkte, d. h. um eine volle Ziffernnote, anhebt? Die gerade von der SPD seit Jahrzehnten im Munde geführte „Bildungsgerechtigkeit“ stelle zumindest ich mir anders vor.

Politiker haben den Bürgern und nicht sich selbst zu dienen

Das oben angesprochene jüngste Beispiel für die Anpassung der Realität an gewünschte Planvorgaben bzw. KMK-benchmarks zeigt offen die Fäulnis des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland im Schulbereich.

Dass der Bildungsföderalismus durch die 16 Bundesländer gleichwohl vehement verteidigt wird, überrascht nicht: die 16 Landesregierungen möchten das letzte Hoheitsgebiet natürlich nicht aufgeben. Nur in diesem Bereich können sie noch autark entscheiden und mit jeder neuen Legislatur versuchen, sich durch Reformen beim Wahlvolk beliebt zu machen. Und die Kultusministerien? Sie verteidigen ihren Apparat schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb mit Klauen und Zähnen.

Zersplitterung lähmt auch die Elternschaft

Leider sind durch ihre schulpflichtigen Kinder stets nur relativ wenige Bürger von den immer neuen Schulexperimenten der Bundesländer betroffen. Sie mögen protestieren, können als Wählerinnen und Wähler, die über 16 Bundesländer verteilt sind, in Summe allerdings keinen wirksamen politischen Druck ausüben. Den Eltern all jener Jugendlichen wiederum, die die Schule durchlaufen und hoffentlich auch etwas für das Studium und Leben mitgenommen haben, fehlt zumeist die Motivation, sich über den Schulabschluss der Kinder aktiv für ein grundständig verbessertes Schulsystem einzusetzen. Und die Eltern noch nicht schulpflichtiger Kinder denken über den leider oft nicht einmal vorhandenen Kindergartenplatz meist noch nicht hinaus und nehmen nicht war, welcher Schul-Wirrwarr ihre Kinder mit Beginn der Schulpflicht erwartet.

Stillstand gefährdet Zukunft

Die im internationalen Vergleich alarmierende Struktur unseres Bildungswesens, das zumindest aufmerksame Schüler der höheren Klassen an die fatale deutsche Kleinstaaterei des frühen 19. Jahrhunderts erinnert, darf nicht länger achselzuckend als in Stein gemeißelt hingenommen werden.

Ein Staat, der es seinen Bürgern aufgrund eines zersplitterten, undurchschaubar ausdifferenzierten und sich partiell ständig verändernden Bildungssystem unnötig erschwert, sich über Bundesländergrenzen hinweg beruflich zu verändern, schadet sich selbst massiv. Oder würden Sie ohne Not in ein anderes Bundesland umziehen, wenn zu befürchten ist, dass Ihre Kinder in der neuen Schule den Preis für Ihre Mobilität und Flexibilität zahlen werden?

„Education first!“

Die von politischer Seite immer wieder zu hörende Behauptung, einheitliche Fachcurricula und ein bundesdeutsches Zentralabitur seien zwar durchaus wünschenswert, würden aber zu einer Absenkung des bewährten schulischen Niveaus insbesondere der süddeutschen Bundesländer führen, ist einerseits durch nichts zu belegen, macht andererseits aber Zweierlei deutlich:

 

  1. Offenbar gibt es im Hinblick auf den schulischen Anspruch an Schülerinnen und Schüler tatsächlich gravierend Unterschiede zwischen den Bundesländern – ein absolutes Armutszeugnis für die Kultusministerkonferenz mit ihrem teuren Apparat und ein angesichts des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Grundgesetzes inakzeptabler Zustand für alle BUNDESbürger.
  2. Unsere Bildungspolitikerinnen und -politiker sind offenbar nicht nur nicht bereit, sondern fühlen sich ausgehend von ihren eigenen Verlautbarungen auch nicht in der Lage, einer offenkundigen Notwendigkeit politisch den Weg zu ebnen.

Letzteres sollte mündige Bürgern aufschrecken und den Spitzen unserer inzwischen gar nicht mehr so etablierten Parteien zu denken geben. Verwundern sich viele ihrer hochrangigen Vertreter derzeit doch öffentlich über Menschen, die unabhängig von ihrer politischen Orientierung mit erkennbarer Faszination verfolgen, wie ein amerikanischer Präsident innerhalb weniger Tage überkommene Verhältnisse auf den Kopf zu stellen oder zumindest zum Gegenstand einer intensiven gesellschaftlichen Diskussion zu machen vermag.

 

 

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