Politik ist, was unten ankommt. Und unten kommt nichts Gutes an

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Von Gastautorin Annette Heinisch

Berlin ist immer eine Reise wert. Die Eindrücke, die man dort bekommt, reichen von skurril bis ungewollt komisch. In letztere Kategorie fällt ein Zitat, das ich vor ein paar Tagen las. Es stammt von der ein – und ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und befindet sich in Metall gegossen beim Aufgang aus der Tiefgarage der „Mall of Berlin“:

„Wir haben am 09.November 1989 das Unmögliche als möglich erlebt. Es ist eine wunderbare Erfahrung, dass Mauern eingerissen werden können.“

Angesichts anhaltender Diskussionen in der Politik über Mauerbau  – verstärkung ist das an Komik kaum zu überbieten! Mauern sind ja derzeit wieder total angesagt in Deutschland; die Politik überschlägt sich geradezu in ihrem Ehrgeiz, als fleißiger Maurer in die Geschichte einzugehen. Die heutige Mauer wird allerdings rein politisch gebaut, denn so richtig mit Stein und Mörtel kann im Parlament ja kaum einer umgehen. Vielleicht eher mit Hammer und Zirkel, aber auch das ist ungewiss. Ausgegrenzt wird aber nicht die Mauerbaupartei, wie man eigentlich vermuten könnte, im Gegenteil: Die darf sogar gemeinsam mit den anderen die Mauer gegen jene Partei bauen, die ursprünglich als Ableger der Union gestartet war, als Alternative zur Alternativlosigkeit. Nur wollen die Parteien gar keine Alternative, denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft – und das will niemand, stört es doch das angenehme Regieren nach Gutsherrnart gewaltig.

Also grenzt man sie aus und versucht, sie abzuwürgen. Nun ist es aber so, dass im Osten des Landes die von Merkel gemeinte „wunderbare Erfahrung“ gemacht wurde, dass Mauern eingerissen werden können. Dort lässt man sich also nicht so schnell einschüchtern. Hinzu kommen mittlerweile immer mehr Bürger im Westen des Landes, die von Merkelianern und Ampelmännchen schlicht die Nase voll haben.

Politik ist, was unten ankommt. Und unten kommt nichts Gutes an. Ich muss den ganzen Kram jetzt nicht noch einmal aufzählen, jedenfalls weichen die Wünsche der Bürger nach einem exzellent funktionierenden Gemeinwesen und einer erfolgreichen, prosperierenden Wirtschaft von dem, was uns die Politik bietet, erheblich ab – vorsichtig formuliert. Bürgern ist es komplett egal, ob Parteien irgendwelche Mauern gegen ihre Konkurrenz hochziehen, dass ist Berliner Polit – Getüdel. Sie wollen, dass an ihrem Ende etwas Gutes ankommt und wenn es die einen nicht schaffen, dann sollen es eben die anderen versuchen.

Der wunderbare Don Alphonso, der so wie die meisten Bürger im normalen Deutschland lebt, also fern der selbstreferentiellen polit – medialen Blase, hat die Nutzlosigkeit politischer Mauern auf den Punkt gebracht:

„In Bayern sagt man, des is a gmahde Wiesn. Da kommen wir nicht mehr raus, und man hat es ja nun wirklich mit allen denkbaren Methoden versucht. Mit Nazivorwürfen, mit dem Verfassungsschutz gegen die Memes des Stolzmonats, mit Meldestellen und Multimillionenprogrammen. Man muss ehrlich konzedieren: Es klappt nicht. Im Gegenteil, langsam rollt die AfD auch den Westen auf. Wenn die AfD lokal die stärkste Partei ist, haben einfach zu viele Menschen die Angst vor ihr verloren, oder, was ich auch häufig höre, sie betrachten die AfD als kleinere Gefahr für ihr Leben als die anderen, als totalitär empfundenen Parteien….

Ich habe meine Zweifel, ob eine von oben geforderte Fundamentalgegnerschaft einen Unschlüssigen dazu bringt zu sagen: Super, die brandmauern was für mich noch oben drauf. Noch mehr grundsätzliche Differenzen mit den ausgesuchten Sympathieträgern Ruprecht Polenz, Ricarda Lang, Kevin Kühnert und Georg Restle als Aufpasser. Die wähle ich.

Tatsächlich wird die Regierung zunehmend als totalitär und von einem irren Größenwahn besessen wahrgenommen. Schlimmer, so denken viele, können die anderen auch nicht sein. Und wenn dann führende Politiker so fulminant ihre Verachtung gegenüber den Bürgern kundtun wie kürzlich nach dem Sommerinterview des CDU – Vorsitzenden Friedrich Merz, dann muss man sich nicht wundern, wenn „die Bösen“ plötzlich Zulauf bekommen. Was hatte Merz noch einmal gesagt?

“Natürlich muss in den Kommunalparlamenten nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet.“

Klar war das falsch, denn es gibt keine Kommunalparlamente. Die Politik ist lediglich Teil der kommunalen Selbstverwaltung, die in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantiert ist. Aber das hat niemand bemängelt. Im Gegenteil, mancher Politiker, der bereits zuvor als besonderer Merz – Gegner aufgefallen ist, stilisierte die Kommunen zur „Wiege der Demokratie“. Dann ist es allerdings sehr schade, dass die Bürger bei Kommunalwahlen eher zu Hause bleiben.

Wie die aufgescheuchten Hühner gackerten diejenigen herum, die sich für politisch bedeutsam halten. Auch der Söder Markus, dem im Herbst Landtagswahlen ins Haus stehen, konnte sich nicht zurückhalten. “Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab – egal auf welcher politischen Ebene.”

Das ist nun auch wieder ungewollt komisch, nicht nur wegen der tatsächlichen Zusammenarbeit in vielen Kommunen. Wie Don Alphonso sehr anschaulich berichtet, ist es anders auch schwer möglich. Hinzu kommt, dass ein solches Verhalten bei den in den Kommunen zu behandelnden Themen ernsthaft übel wäre. Worum geht es denn dort?

Nehmen wir die Schulen: Lehrer und Lehrplan kommen vom Land, für die Schulgebäude und sonstiges Personal sind allerdings die Kommunen zuständig. Wenn also die AfD die Sanierung eines baufälligen Schulgebäudes vorschlägt, sollen dann die anderen dagegen stimmen? Ernsthaft? Und wie es bei Kitas?

Wenn die AfD vorschlägt, dass die Feuerwehr einen dringend benötigten neuen Rüstwagen bekommt, wird das abgelehnt? Sollen die Bürger lieber verbrennen, Hauptsache, die „Brandmauer“ steht?

Liebe Politik, glaubt ihr wirklich, dass ihr so Wählerstimmen bekommt? Ich bin kein Politikwissenschaftler, aber ich würde wetten, das klappt nicht. Nie und nimmer. Im Gegenteil, mit jedem dieser politischen Winkelzüge verliert ihr Vertrauen. Und Vertrauen ist die Währung für Wählerstimmen. Es ist ja nicht so, dass das Vertrauen in die Politik so grandios und unverrückbar fest wäre, im Gegenteil, in einer Forsa – Umfrage wurden „Politiker und Parteien … mit 32 Prozent als wichtigste Probleme genannt“. Vertrauen müsst ihr euch erst wieder verdienen. Das ist ein schwerer Weg. Weiter so auf demselben Weg, der euch schon das Vertrauen und in der Folge viele Stimmen kostete, wird euch nicht helfen. „Mehr vom Selben“ ist ein Rat aus Paul Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“, es ist schon kurios, wie sehr die deutsche Politik diesen (Fehl-)Verhaltensweisen real folgt. Ein gutes Beispiel für angewandte Wissenschaft, zugleich der Grund für den Niedergang eines einst erfolgreichen Landes.

Abgesehen von der Kommunalpolitik dürfte die Methode „Mauerbau“ auch sonst nicht sonderlich erfolgversprechend sein. Nur mal so bummelig in die Gegend gedacht: Was ist denn, wenn die Bürger denken, der Atomausstieg, der sich so absolut fatal für unser Land auswirkt, sei auf das Mauerbauen zurückzuführen? Hat die FDP als Regierungspartei diesen nur deshalb nicht verhindert, die Union als Opposition diesen deshalb nicht lauthals angeprangert, weil die AfD für einen Weiterbetrieb der AKW war? Seid ihr alle ernsthaft bereit, unser Land zu verschrotten, weil ihr euch als Mauerbauer wohler fühlt? Glaubt ihr wirklich, dass honorieren die Bürger? Nichts gelernt aus der Geschichte?

Mauern stehen nicht für ein freies, demokratisches Gemeinwesen, im Gegenteil. Und viele Themen, sogar die meisten, sind reine Sachfragen, deren religiös – politische Aufladung unserem Land und seinen Bürgern schadet. So werdet ihr keinen Blumentopf gewinnen, geschweige denn Wahlen. Die AfD muss euch nur machen lassen. Was dabei wirklich interessant ist: Dass den meisten Parteien das Wohlergehen der Bürger und des Landes offenbar völlig egal ist, wird immer klarer; es scheint vielen Politikern nur um das eigene Wohlergehen zu gehen. Dass aber deren Selbsterhaltungstrieb so schwach ausgeprägt ist, ist schon überraschend.

So ist nun tatsächlich der Tag gekommen, an dem ich Frau Merkel zustimmen muss: „Es ist eine wunderbare Erfahrung, dass Mauern eingerissen werden können.“

Quelle: Vera Lengsfeld

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