Polen verbietet die Wahrheit

Straßenschild, Foto_ Stefan Groß

Ein von Parlamentariern verabschiedetes Gesetz verbietet in Polen das Aussprechen, das Schreiben und das Verbreiten gewisser historisch gesicherter Tatsachen. Verboten wird die Behauptung, dass die deutschen Nazis (SS, SA, Wehrmacht) im von ihnen besetzten Polen Unterstützung durch einheimische Polen erfahren haben. Konkret handelt es sich darum, dass polnische Bürger ihre jüdischen Mitbürger an die Nazis verpfiffen haben, um sich des Hab und Guts der Juden zu bemächtigen. Die Juden werden anschließend umgebracht. Die Polen handeln nicht anders als viele deutsche Volksgenossen daheim im Reich. Zuweilen werden von den Nazis geflohene Juden auch von Polen ermordet. Das letzte polnische Judenpogrom auf polnischem Boden findet 1946 in Kielce unter den Augen der polnischen Miliz statt. 42 Personen werden erschlagen, darunter auch zwei polnische Nichtjuden, die den polnischen Juden, die seit Kurzem den Holocaust überlebt haben, helfen wollen.

Dabei soll die Tatsache nicht verdrängt werden, dass den Juden in Polen sehr oft von Nichtjuden geholfen wird. Polen führt die Liste der „Gerechten unter den Völkern“ an, wie nichtjüdische Judenretter im Judentum genannt werden. Die lange Liste jedes einzelnen Gerechten unter den Völkern ist in Israels Hauptstadt Jerusalem unweit des Grabes des Staatsgründers Herzl einsehbar.

Begonnen hat das polnische Verbot der Wahrheit damit, dass sich die polnische Regierung zu Recht darüber aufregt, wenn von „polnischen“ Vernichtungslagern berichtet wird. Es sind deutsche Vernichtungslager auf besetztem polnischen Territorium!

Wer schriftlich oder mündlich verbreitet, dass es polnische KZ gegeben hat oder dass polnische Bürger sich an den Gräueltaten der Nazis beteiligt haben, darf mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen. Die Tatsachenverbreitungen sind auch dann strafbar, wenn sie im Ausland begangen werden. Hier erkennt man Parallelen zur heutigen Türkei, wo man beim Betreten des Landes verhaftet und angeklagt werden kann. Doch noch ist dieses Gesetz nicht vom Präsidenten Polens unterschrieben und somit noch nicht gültig. Rückwirkend gilt das Gesetz nicht, ansonsten müsste B. Obama angeklagt werden – angezeigt ist er bereits – da er mit den „polnischen Konzentrationslagern“ den Anfang gesetzt hat.

Es wird von den allermeisten Beobachtern Polens angenommen, dass das Gesetz durchkommt. In Deutschland ist das Gesetz des Nachbarlandes zur Unterdrückung der Wahrheit seit Einführung des NetzDG kein Aufmacher mehr.

Nachtrag:

„Szmalcownik“ ist in Polen die schlimmste vorstellbare Beleidigung. Das Wort bezeichnet einen polnische Nazi-Kollaborateur, der Juden an Nazis verkauft. Es ist ein Schimpfwort, das so grausam und bösartig ist, dass es nicht übersetzt wird.

Benutzt hat diese Beleidigung der Pole Ryszard Czarnecki, ein ranghohes Mitglied der in Polen regierenden „Partei für Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und in Strasbourg Vizepräsident der Abgeordnetenkammer und Mitglied der Konservativen und Reformer (EKR).

In einer Dokumentation über Polen verurteilt die konservative Europa-Parlamentarierin Roza von Thun, die früher an der Spitze von Solidarnosc gestanden ist, die rechtsstaatlichen Ausfälle der nationalkonservativen Regierung. Czarnecki zieht daraufhin in seinem Internet-Blog vom Leder: „Während des Zweiten Weltkriegs hatten wir Szmalcowniki, heute haben wir Rosa von Thun.“ Die Christdemokratin habe Polen bespuckt.

Szmalcowniki sind also Polen, die ihre jüdischen Mitbürger an die Nazis für Geld verpfiffen haben. Doch darüber darf man in Polen zukünftig nicht mehr berichten, weil es bald in Polen niemals Szmalcowniki gegeben hat. Ob der einflussreiche Pole Ryszard Czarnecki deshalb in seiner Heimat eingesperrt wird? Wird „Szmalcownik“ aus dem polnischen Wortschatz getilgt oder erfährt dieses Wort eine politisch korrekte Umdeutung?

 

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Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.

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