PINAKOTHEK DER MODERNE | Rotundenprojekt der Staatlichen Graphischen Sammlung München Part I

Rotundenprojekt der Staatlichen Graphischen Sammlung 2022 | Part I, The Cast Whale Project | Gil Shachar Foto: Gunnar Gustafsson, Staatliche Graphische Sammlung München © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

THE CAST WHALE PROJECT | GIL SHACHAR 

ROTUNDENPROJEKT 2022 | PART I 

AUSSTELLUNGSDAUER: 22.12.2021–27.02.2022 

2022 feiert die Pinakothek der Moderne ihr zwanzigjähriges Jubiläum. In diesem Jahr wird die Staatliche Graphische Sammlung München das Rotundenprojekt ausrichten und sich dabei aktuellen Zeitfragen zuwenden. Eine Suite von vier aufeinander folgenden künstlerischen Interventionen lädt Sie dazu ein, überraschende Perspektivwechsel, inspirierende Denkanstöße und sinnliche Eindrücke zu erleben, als ein nachhaltiges Jubiläumsgeschenk für die Zukunft. 

Die Rotunde ist der zentrale öffentliche Raum in der Pinakothek der Moderne mit den vier Museen unter einem Dach. Das noch junge dynamische Ausstellungsformat der Rotundenprojekte lässt den Mittelpunkt des Hauses zu einem energetischen Pol im Kunstareal werden. Groß gedachte visionäre künstlerische Projekte laden Sie immer wieder neu dazu ein, in der Rotunde zu verweilen, anregende Gespräche zu führen oder einfach nur einen Raum für die eigenen Tagträume zu bekommen. 

Das Jubiläumsjahr wird mit „The Cast Whale Project“ von Gil Shachar eröffnet. Von dem riesigen Buckelwal, angestrandet in der Rotunde der Pinakothek der Moderne, geht eine beispiellose Ruhe aus, die sich auf uns Menschen überträgt. Instinktiv bewegt man sich achtsam durch den Raum, senkt die Stimme und verharrt augenblicklich in Stille. Man möchte verstehen, was hier passiert ist. 

Wale sind die größten lebenden Tiere auf unserem Planeten. Seit Jahren steht ihre Spezies ganz oben auf der Liste der gefährdeten Arten. Nur wenigen Menschen ist es in ihrem Leben vergönnt, Walen zu begegnen, beheimatet in den unendlichen Weiten der Weltmeere. Umso mehr fühlen wir uns zu diesen rätselhaften Wesen hingezogen und genießen die friedliebenden Giganten unsere Sympathie. 

Trotz aller finanziellen, bürokratischen und ethischen Vorbehalte verfolgte der Bildhauer Gil Shachar über Jahre das Ziel, sich seinen innigsten Wunsch zu erfüllen, einmal einen Wal abzuformen. Die Technik dazu ist ihm durch seine bildhauerische Arbeit vertraut, und er reizte sie bei diesem Projekt erstmals bis an die Grenzen des Machbaren aus. Im August 2018 war es endlich soweit. 

An der Küste Südafrikas formte ein Team um Gil Shachar einen dort gestorbenen und angestrandeten Buckelwal ab. Von dem natürlichen Abdruck wurde im März 2019 in Kapstadt in einem aufwendigen Arbeitsprozess über Wochen die Wal-Skulptur abgegossen. Jetzt ist die monochrom-graue Skulptur in der Pinakothek der Moderne angekommen, akustisch umrahmt von John Cages „Litany for the Whale“ von 1980 – ein archaisches Gesangstück für zwei Solostimmen, das in seiner klangvolle Ruhe an Gregorianische Gesänge erinnert. 

Bis heute bleibt für Gil Shachar die erste physisch-psychische Begegnung der Menschen mit der Skulptur ein magischer Augenblick, noch ehe man versucht ist, zu begreifen, einzuordnen und zu interpretieren. Jeder von uns wird in der ersten ganz persönlichen Begegnung mit „The Cast Whale Project“ auf seine Weise angesprochen. Möge es ein glücklicher Moment sein. 

Kurator: Michael Hering 

Hendrick Goltzius (Inventor), Jacob Matham (Stecher),  
Der 1598 bei Berckhey gestrandete Wal, 1598 
Kupferstich, 295/301 × 430 mm, 
© Staatliche Graphische Sammlung München