Georg Baselitz (*1938) hat dem Museum zu Ehren von S.K.H. Herzog Franz von Bayern sechs Gemälde und eine Skulptur aus den Jahren 2008 bis 2017 geschenkt
Die Schenkung ist Ausdruck einer über Jahrzehnte kontinuierlichen Verbundenheit zwischen dem international anerkannten deutschen Künstler, einem seiner frühesten Sammler und langjährigem Wegbegleiter sowie den Mitarbeitern des Museums.
Am Donnerstag, 06. Juni 2019, 18.00 Uhr, werden die Werke im Rahmen eines Festakts in der Pinakothek der Moderne der Öffentlichkeit vorgestellt und anschließend in der ständigen Sammlung gezeigt.
Dank der Schenkung verfügen die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen nunmehr über ein seit 1972 aufgebautes Ensemble von 31 Einzelwerken des Künstlers, das dessen Entwicklung von den frühen 1960er Jahren bis in die Gegenwart erfahrbar macht. Der Baselitz-Schwerpunkt ist in der Sammlung im Kontext der umfangreichen und teils ebenfalls in Künstlerräumen präsentierten Bestände von Joseph Beuys, Dan Flavin, Donald Judd, Anselm Kiefer, Sigmar Polke, Arnulf Rainer oder Andy Warhol verankert.
Die
Ursprünge der Georg Baselitz Sammlung in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen
Die
Ursprünge der heutigen Baselitz-Sammlung, die nun durch die Schenkung
gekrönt wird, liegen rund ein halbes Jahrhundert zurück und beginnen im
Jahr 1972 mit der Erwerbung des Gemäldes
„Seeschwalbe“ (1971/72) durch das Museum. Vier Jahre später fand im
Hause eine vom Galerie-Verein geförderte Retrospektive des damals noch
nicht einmal vierzigjährigen Georg Baselitz statt. Mag ein solches
Ereignis heute selbstverständlich wirken, so war diese
erste Einzelausstellung eines zeitgenössischen Künstlers in den
Bayerischen Staatsgemäldesammlungen damals ein Meilenstein. Als
maßgeblicher Anreger dieses Ereignisses wie auch als großer Befürworter
einer gegenwartsorientierten Ankaufspolitik im Museum ist
Prinz Franz von Bayern
zu nennen. Das
Museum
hat
den kontinuierlichen Sammlungsaufbau über Generationen von Direktoren
und Kuratorinnen hinweg verfolgt und mit Beharrlichkeit das Engagement
Vieler befördert. Die gemeinsamen Initiativen
griffen wie Räder ineinander, um die heutige Fülle aufzubauen. Ein
Quantensprung für die Sammlung erfolgte 1984, in dem Jahr, in dem Prinz
Franz von Bayern insgesamt neun Gemälde von Georg Baselitz vorwiegend
über den
Wittelsbacher Ausgleichsfonds
in den Pinakotheken verankerte.
Unersetzliche Beiträge wurden auch über
PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne,
die
Theo Wormland
Stiftung, die
Michael
&
Eleonore Stoffel Stiftung
sowie
Georg Baselitz
selbst geleistet. Seit 2009 sind auch die
Baselitz-Werke der
Udo und Anette Brandhorst Sammlung
Teil des Kunstareals.
Die Werke der Schenkung
Die
Arbeiten der nun erfolgten Schenkung geben Einblick in Georg Baselitz‘
Beschäftigung mit dem Thema Spätwerk. „Piet in kurzer Hose (Remix)“
(2008) ist zeitlich und stilistisch das Bindeglied
zur bereits bestehenden Sammlung. Es ist ein „Remix“ des
skandalumwitterten Bildes „Die große Nacht im Eimer“ (1962/63) und damit
auch einiger Kernthemen von Baselitz,
darunter die Auseinandersetzung mit
kollektiver und individueller Erinnerung. Im Bild verquickt er
ideologisch aufgeladene Motive wie die Swastika oder den Totenkopf mit
Hitlerfrisur mit seiner freien Übertragung der ikonischen
Abstraktion Piet Mondrians und eigenen Bildsujets. Vergangenheit und
Aktualität, das Schöpferische und das Zerstörerische, das Private und
das Öffentliche verbinden sich zu einem die Betrachtung immer wieder neu
herausfordernden Geflecht. Baselitz‘ erfindungsreicher
Umgang mit einem überlieferten Bilderkosmos prägt auch „Willem taucht
auf“ (2013) und „Willem geht ab“ (2014), in denen er über Malstil und
die Titel das Schaffen des für ihn einflussreichen Künstler Willem de
Kooning paraphrasiert und sich zugleich eigenwillig
von ihm absetzt.
Wird die menschliche Gestalt in diesem und zahlreichen früheren Gemälden von Baselitz durch Bilddetails in Zeit und Raum verortet, so treten in den seit 2013 entstandenen Gemälden solche Bezugspunkte zunehmend zurück. Der alternde Künstler entwickelt vielmehr ein zukünftiges (Selbst-)Bildnis und zeigt jeweils einen nackten, sich zunehmend entmaterialisierenden Körper im zeit- und grenzenlosen Raum. Unter Verzicht auf tradierte Symbole, etwa den Totenkopf, konzentriert er sich auf das Entschwinden des menschlichen Körpers in schonungsloser Offenheit. Das Offenbaren des Unwiderruflichen jenseits von gesellschaftlichen, religiösen Ankerpunkten, ist Grundlage der epochalen Kraft dieser Bilder und Skulpturen im Spätwerk.
50 Jahre Sammlungsgeschichte in einem Band
Aus
Anlass der Schenkung haben die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eine
Publikation zum Gesamtbestand der Gemälde und Skulpturen von Georg
Baselitz in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen
und im Museum Brandhorst erarbeitet. Herausgegeben wird die Publikation
von Bernhard Maaz, der als Generaldirektor der Bayerischen
Staatsgemäldesammlungen zudem das Vorwort beisteuerte, sowie von Corinna
Thierolf, seit 2002 Leiterin des Sammlungsbereichs „Kunst
ab 1945“, die eine Einleitung zum Sammlungskontext verfasste. Autorin
des zentralen Aufsatzes ist Carla Schulz-Hoffmann, renommierte Kennerin
von Baselitz‘ Werk. Von 1975 bis 2011 hat sie zunächst als Kuratorin,
dann als stellvertretende Generaldirektorin
diesen Sammlungsbereich entscheidend mitgeprägt.
Publikation
Georg Baselitz in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen
herausgegeben von Bernhard Maaz und Corinna Thierolf
Mit einem Essay von Carla Schulz-Hoffmann
144 Seiten, ca. 100 Abb. in Farbe, € 34.90
Hirmer Verlag
Deutsche Ausgabe ISBN: 978-3-7774-3334-9
Englische Ausgabe ISBN: 978-3-7774-3232-8