Philosoph Nida-Rümelin: „Konstruktives Misstrauensvotum mit Merz als Kandidat ist das Gebot der Stunde“

Staatsminister a. D. Prof. Dr. Dr. h.c. Julian Nida-Rümelin, Foto: Stefan Groß-Lobkowicz

„Lindner wird unwidersprochen damit zitiert er habe dem Kanzler im Koalitionsausschuss, nachdem dieser eine Diskussion seines 18 Seiten Papiers zu einer liberalen „Wirtschaftswende“ abgelehnt hatte, vorgeschlagen, die „noch offenen Fragen des laufenden Haushalts zu regeln und dann einvernehmlich eine vorgezogene Bundestagswahl abzuhalten“ (FAS vom 10. Nov). Niemand weist darauf hin, dass die deutsche Verfassung ein solches Vorgehen nicht zulässt.

In Deutschland – anders als z B in England – steht es nicht im Belieben einer Bundesregierung vorgezogene Wahlen – einvernehmlich oder nicht – abzuhalten (aus guten Gründen, wenn man an das Ende der Weimarer Republik denkt). Daher tue ich es jetzt und weise auf einen zweiten offensichtlich verbreiteten Irrtum hin: Das Parlament ist keineswegs gezwungen abzuwarten, wann der Kanzler die Vertrauensfrage stellt, diese dann verliert und damit innerhalb 60 Tagen eine Neuwahl stattfindet.

Es gibt das Instrument des konstruktiven Misstrauensvotums, also der Abwahl und zugleich Neuwahl eines Bundeskanzlers. Nur mit der Wahl eines anderen Bundeskanzlers, ist der bisherige abgesetzt (erinnert sich noch jemand an das Drama Brandt gegen Barzel? Brandt hatte die Mehrheit im Bundestag durch Parteiwechsler verloren, blieb aber im Amt, weil die Wahl des Oppositionsführers Barzel zum Bundeskanzler scheiterte). Also liebe Union: Konstruktives Misstrauensvotum mit Merz als Kandidat, ist das Gebot der Stunde, wenn es der Opposition so eilig ist. Sonst bleibt nur abzuwarten, bis Scholz die Vertrauensfrage stellt.“

Quelle: Faceboook

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Über Julian Nida-Rümelin 17 Artikel
Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, geboren 1954, war von 2004 bis 2020 Professor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 1975-1980 studierte er Philosophie, Physik, Mathematik und Politikwissenschaft an den Universitäten München und Tübingen. 1983 folgte die Promotion und 1989 die Habilitation. 1994-1997 war er Präsident der Gesellschaft für Analytische Philosophie; 1998 bis 2001 Kulturreferent der Stadt München, 2001-2002 Staatsminister für Kultur und Medien. 2009 wurde Nida-Rümelin zum neuen Präsidenten der „Deutschen Gesellschaft für Philosophie“ gewählt. 2010 kandidierte er bei der Wahl des Präsidenten der Ludwig-Maximilians-Universität gegen den Amtsinhaber Bernd Huber. Zuletzt erschien 2011: Die Optimierungsfalle. Philosophie einer humanen Ökonomie.