Damals, vor fast einem halben Jahrhundert, als an westdeutschen Universitäten die Studenten demonstrierten, um den „reaktionären Staat“ abzuschaffen, hätte man nie vermutet, dass Oskar Negt, einer der Wortführer der „außerparlamentarischen Opposition“ (APO) , geborener Ostpreuße ist. Damals war er noch, nachdem er 1962 bei Theodor Wiesengrund-Adorno (1903-1969) mit einer Arbeit über Positivismus und Dialektik bei Hegel und Comte promoviert worden war, Assistent bei Jürgen Habermas (1929) in Frankfurt am Main, konnte sich 1968 mit einer Untersuchung „Zur Theorie der Arbeiterbildung“ habilitieren und wurde 1970 auf den Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Hannover berufen.
Geboren wurde er am 1. August 1934 als jüngstes von sieben Kindern einer Kleinbauernfamilie auf Gut Kapkeim bei Königsberg in Preußen und floh im Januar 1945 mit zwei Schwestern auf einem Schiff nach Dänemark, wo er zwei Jahre ohne Eltern in einem Flüchtlingslager verbrachte. Nach dem Besuch der Oberrealschule in Oldenburg studierte er zunächst Rechtswissenschaften in Göttingen, später Soziologie und Philosophie bei Theodor W. Adorno und Max Horkheimer (1895-1973). Dem „Sozialistischen Deutschen Studentenbund“ (SDS) war er schon 1962 beigetreten.
Überblickt man die lange Liste seiner Veröffentlichungen, dann sieht man, dass er sich nur einmal, als er schon 64 Jahre alt war, zu seiner ostpreußischen Heimat geäußert hat. Das Buch „Königsberg – Kaliningrad. Reise in die Stadt Kants und Hamanns“ (1998) ist die Frucht eines Unternehmens, das ihn mit dem 1932 geborenen Theologen Hans Werner Dannowski, Sohn ostpreußischer Eltern aus Petershagen bei Berlin, in die alte Heimat geführt hat. Fünf Jahre später veröffentlichte er ein Buch über „Kant und Marx“ (2003) mit dem Untertitel „Ein Epochengespräch“.
Zum 80. Geburtstag Oskar Negts am 1. August bereitet der Steidl-Verlag in Göttingen eine Werkausgabe in 19 Bänden vor, in der auch die autobiografische Schrift enthalten ist. Der Autor ist 2006 mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse und 2011 mit dem „August-Bebel-Preis“ ausgezeichnet worden. Dass ostpreußische Dorf, aus dem er stammt, war eine prußische Gründung aus dem Jahr 1388 und blieb mehrere Jahrhunderte im Besitz der Familie von Perbandt, die von altpreußischem Uradel abstammte, im Samland hochangesehen war und den Hochmeistern des Deutschen Ordens wie Herzog Albrecht von Ansbach (1490-1568) treue Dienste in hohen Ämtern leisteten. Der erste, urkundlich nachweisbare Vertreter der Familie war Sklode von Quedenau (1200-1261), Ernst Heinrich von Perbandt (1773-1848) war preußischer Generalmajor.
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