Für alle, die es nicht wissen (können), „Weltall-Erde-Mensch“ war das Jugendweihe-Standardwerk in der DDR, in dem die Zivilisations- und Technikgeschichte auf das Prokrustesbett des „Dialektischen und Historischen Materialismus“ gezwungen wurde. Dabei war nicht alles falsch, sozialistisch zurecht gebogen war jedoch alles. Der intellektuell nicht zu 100 Prozent auf sozialistischer Droge stehende Ostdeutsche wusste vigilant (sächsisch viechelant) mit der Anekdotensammlung umzugehen. Das „zwischen den Zeilen lesen“-Können war allgemeiner Standard und hilft unerwarteterweise sogar seit 2015 in der bundesdeutschen Medienwelt weiter. Orwell lässt grüßen.
Nicht nur Orwell lässt grüßen, die SPD Sachsen grüßt mit. Auf der Suche nach dem vergessenem Wähler fordert sie eine Wahrheitskommission zur „Aufarbeitung der Treuhand“. Ostdeutschland wurde demnach wie Südafrika mittels Apartheid unter Kontrolle gehalten. Was die Buren als Weiße den Schwarzen antaten, sollen demnach Westdeutsche an den Ostdeutschen vollzogen haben? Absurd und fake news.
Statt über Halbwissen aufzuklären wird Verdummung fortgeschrieben. Die Historisch-Materielle Grundlage für die Forderung nach einer Wahrheitskommission ist Petra Köppings Buch „Integriert doch erstmal uns!“
Ich habe das Buch nach wichtigen Namen durchsucht. Namen, die gleichzeitig mit realen Ereignissen und politischen Ausrichtungen in enger Beziehung stehen. Günther Mittag und Gerhard Schürer sind in Köppings Anekdotensammlung nicht auffindbar. Kein Verweis auf die „Staatliche Plankommission“ und Schürers‘ Bericht vom 30.10. 1989 an das Politbüro der SED. Die Suche lässt sich mühelos fortsetzen.
Für Köpping gab es die DDR mit ihrer system-immanenten Inkompetenz in der Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht. Sie beschreibt eine Art DDR-Fortsetzungsgeschichte ohne deren ersten Teil zu erwähnen. Der wirtschaftliche Zusammenbruch erfolgte bei Köpping nach der Deutschen Einheit infolge bundesdeutscher Politik.
Anders als Köpping, der höchstens Bleistift oder Kugelschreiber an ihrem DDR-Schreibtisch fehlten, vermochte der ostdeutsche Normalbürger ganze Lieder über Ersatzteilmangel, desolate Industrieanlagen, kaputte Landschaften usw. usf. zu singen.
Die DDR war 1989 wirtschaftlich und sozial auf dem Wege nach Rumänien und keinesfalls in der Lage, aus eigener Kraft das Ruder herumzureißen. Was nicht an den Menschen lag. Das hätte Petra Köpping schon erklären können. Wenigstens das.
Es war die Klugheit der Ostdeutschen, nicht mit einem „Dritten Weg“ auf einen weiteren Sozialismusversuch nach nationalen und realen Sozialismusversuchen zu setzen und den Parteien, die die Deutsche Einheit wollten, am 18. März 1990 ihr klares Mandat zu geben.
Petra Köpping öffnete uns vor einigen Wochen öffentlich ihr Herz. Auch sie sei durch „Wutbürger“ aus dem Amt (erstmals Bürgermeisterin von Großpösna bis Mai 1990) gejagt worden. Der Satz lässt tief blicken. Verachtung pur. Die Montagsdemonstranten 1989/90 als Wutbürger, das ist neu. Abgesehen von dieser Sicht, der Akt des aus dem „Amt Jagens“ fand so nicht statt. Die Kommunalwahlen 1989 waren (wie immer) gefälscht und wurden im Mai 1990 wiederholt. Petra Köpping verlor also ihr 989 zugeschanztes Amt 1990 auf demokratischem Wege. Auch diese Wahrheit fehlt in ihrem Buch.
Cui bono? Das Ziel scheint klar. Die SPD wärmt die Märchen und Sagen der Gebrüder Gysi/Modrow auf und hofft auf Anschluss bei dem Teil der Bevölkerung, der noch immer nicht weiß, wieso es zum Zusammenbruch der DDR kam. Weder ist dieser Wähleranteil für die SPD relevant, noch für die SPD aktivierbar. Viele dieser Wähler sind schon längst auf dem Nenner, „bis 2015“ war es doch ganz schön hier. Wenn die SPD darüber nicht nachzudenken bereit ist, wird sie außer dem Fortschreiben von Halb- und Nichtwahrheiten nicht viel zu Wege bringen.
Für ostdeutsche Interessen in Gesamtdeutschland vorangehen, sich mit der irren Mainstreamlinie der Mutterpartei anlegen und erkennbar werden, Aufklären statt Vernebeln – das wäre ein Erfolgstripp der Sachsen-SPD. Dazu gehört Mumm, der nicht vorhanden ist.
Eine Wahrheitskommission zur Treuhandanstalt gab es übrigens schon. Der Treuhanduntersuchungsausschuß wurde 1993 vor allem auf Betreiben der SPD eingesetzt.
Richard Schröder machte sich ebenfalls seine Gedanken über Petra Köppings Buch:
Die SPD macht ernst. Im Februar 2019 soll ein „Zukunftskonvent Ost“ eine gesamtdeutsche „Wahrheits- und Versöhnungskommission“ zur Umbruchszeit nach 1989 fordern. Sie soll auch die Kränkungen, Demütigungen und Ungerechtigkeiten behandeln, die Ostdeutschen in jener Zeit wider-fahren seien. Die sächsische Integrationsministerin Petra Köppe hat diese Forderung zuerst aufgestellt und in einem Buch untermauert: „‘Integriert doch erst mal uns.‘ Eine Streitschrift für den Os-ten.“ Im Zentrum ihrer Kritik steht die Arbeit der Treuhandanstalt. Sie habe im Interesse der westlichen Konkurrenz Existenzen vernichtet und Lebensleistungen zerstört. Jene Demütigung trans-formiere sich nun in den Hass und die Wut ostdeutscher Demonstranten, etwa bei Pegida. Diese beiden Thesen Köppings, eine ökonomische und eine psychologische, sollen im Folgenden überprüft werden.
Zur Treuhand führt Köpping in ihrem Buch nur zwei konkrete Beispiele an. Am ausführlichsten geht sie auf die Margarethenhütte in Großdubnau ein. Sie erzählt: die Margarethenhütte habe sehr erfolgreich Hochspannungsisolatoren aus Porzellan produziert und zu 80 Prozent exportiert, auch in den Westen. Sie verfügte über moderne Maschinen aus der Schweiz. „Plötzlich hieß es aber über Nacht, der Betrieb müsse geschlossen werden. Es wurde behauptet, alles sei völlig veraltet und marode. Doch das ist nicht alles: Die damaligen Ingenieure erzählten mir, wie nachts die wichtigsten Betriebsunterlagen und Porzellan-Rezepturen sowie die letzten Mitarbeiterlöhne samt Tresor weggeschleppt wurden. Ich kann nur wie die ganze Belegschaft vermuten: das geschah zugunsten der Konkurrenz.“ Und niemand hat die Kripo gerufen, als das letzte Gehalt gestohlen wurde?
Köppings Erzählung folgt einem Stereotyp, das auch von anderen Stilllegungen so erzählt wird. Westdeutsche kauften Ostunternehmen und machten sie platt, um sie als Konkurrenz auszuschalten. Die Maschinen und die vollen Auftragsbücher nahmen sie mit. So haben sich westdeutsche Unternehmen am Volkseigentum bereichert. Und deshalb stieg damals die Zahl der West-Millionäre. Die Story ist verbreitet, aber in keinem Falle unanfechtbar belegt – abgesehen von Kriminalfällen, bei denen die Staatsanwaltschaft tätig wurde. Aus dem Munde einer Ministerin haben wir jene Story bisher allerdings nicht gehört. Sie galt bisher nicht als seriös.
Köppings Erzählung lässt sich überprüfen. Bündnis 90 hat nämlich 1992 an die Bundesregierung eine Große Anfrage zur Margarethenhütte gerichtet, die diese auf neun Seiten beantwortet hat. Wer „Margarethenhütte“ bei Google eingibt, bekommt sie präsentiert.
Die Schließung der Margarethenhütte hatte überhaupt nichts zu tun mit Verkauf, Privatisierung oder westdeutscher Konkurrenz. Sie wurde auch nicht von der Treuhand veranlasst. Die Margarethenhütte gehörte zum „VEB Keramische Werke Hermsdorf“, aus dem 1990 „Keramische Werke Hermsdorf – Tridelta AG“ wurde, mit insgesamt 19 Standorten, davon drei für Elektrokeramik. Bis zur Währungsunion war das ein sehr erfolgreiches DDR-Unternehmen, das sogar den Börsengang vorbereitete. Zu dem Zweck wurde eine Standortkonzentration vorgenommen. Aber seit der Währungsunion kam es zu massiven Einbrüchen im Absatz. Der Börsengang musste aufgegeben wer-den, weil die Banken bei defizitärer Bilanz nicht mehr mitzogen. In der Antwort der Bundesregierung heißt es: im Dezember 1990 „wurde einvernehmlich mit den Arbeitnehmern im Aufsichtsrat und dem Betriebsrat der ‚Margarethenhütte‘ der Stillegungsbeschluss gefasst“, der dann im Mai 1991 (und nicht über Nacht) vollzogen wurde.
An keiner Stelle ihres Buches erwähnt Köpping die katastrophale Wirkung von Maueröffnung und Währungsunion auf die ostdeutsche Wirtschaft. Sie erwähnt auch nicht die Auflösung des Handelssystems zwischen den „sozialistischen Ländern“ (RGW) zum Jahresende 1990, die Abschaffung des Transferrubels und den Zusammenbruch des Ostexports der ostdeutschen Länder durch Zahlungs-unfähigkeit der östlichen Handelspartner, allen voran Russlands. Keine Fabrik kann ohne Kunden produzieren.
Für den Westexport bedeutete die Währungsunion das Ende, weil sich die Kosten für Lohn und Material vervierfachten. Man konnte Rückstände in der Arbeitsproduktivität (30 Prozent der westlichen) nicht mehr über das Tauschverhältnis 1:4,5 kompensieren. Also entweder die Preise über Weltmarktniveau erhöhen oder defizitär produzieren, das heißt: Schulden machen. Ostdeutsche Produkte hatten nach der Währungsunion entweder ein Qualitätsproblem, wie die Kameras, oder, bei akzeptabler Qualität, ein Preisproblem. Sie waren teurer als die Angebote der westliche (oder ostasiatischen) Konkurrenz. Selbst ostdeutsche Lebensmittel waren nach der Währungsunion zu-nächst teurer als westdeutsche! Das Preisproblem verschweigt sie und behauptet stattdessen, man habe behauptet, die Maschinen seien Schrott. Das war zwar tatsächlich sehr oft der Fall, aber auch neuere Maschinen waren keine Garantie für weltmarktfähige Preise. Indem sie eine absurde und manifest falsche Begründung für die Schließung unterstellt, erscheint die Schließung als willkürlich, irrational und verlogen und ist dann nur noch aus Bosheit und finsterer Absicht zu erklären. Damit ist das Tor zu Verschwörungstheorien weit geöffnet.
Da die Schließung der Margarethenhütte eine innerostdeutsche Entscheidung zur Standortkonzentration war, konnte der von Köpping angeprangerte „Betrug von westdeutschen Kapitalisten an ostdeutschen Arbeitern“ hier jedenfalls gar nicht stattfinden. Und die Betriebsunterlagen gehörten doch nicht der Belegschaft der Margarethenhütte, sondern der Tridelta AG Hermsdorf am Hermsdorfer Kreuz. Dort werden sie wohl bis heute liegen. Denn Tridelta produziert weiterhin auch Elektroporzellan. Damit bricht aber auch Köppings Vorwurf in sich zusammen, durch die Entwendung jener Unterlagen sei die Belegschaft der Margarethenhütte um ihre Lebensleistung betrogen worden.
Wie einem Spiegel-Artikel vom 18.05.92 zu entnehmen ist (bitte bei Google „Tridelta“ eingeben), wurde das operative Geschäft von Tridelta Hermsdorf schließlich von Lothar Späths Gründung „Jenoptik“ in Jena übernommen, wohl dem einzigen „Ostkonzern“. Zu jenem Zeitpunkt hatte Tridelta die Folgen der Währungsunion noch immer nicht verkraftet und produzierte ein monatliches Defizit von fünf bis zehn Millionen DM, die die Treuhand als Eigentümer zu bezahlen hatte, wie früher der Staat die Defizite der VEB bezahlt hat. Dadurch hat die Treuhand Tridelta vor dem Konkurs und vor der Konkurrenz geschützt. Tridelta hat sich übrigens erholt und produziert bis heute.
Ihr anderer konkreter Treuhandfall ist die Schließung des Kalibergwerks Bischofferode. „Das Bei-spiel Kaliabbau Bischofferode offenbarte, wie man eine ‚am Boden liegende Firma aus dem Westen auf Kosten einer ostdeutschen saniert.‘“ In Wahrheit wurden damals unter Assistenz der Treu-hand der hessische und der thüringische Kalibergbau in einem neugegründeten grenzüberschreitenden Unternehmen „Kali und Salz“ zusammengefasst. Da es auf dem Weltmarkt ein Überangebot an Kalisalzen gab, wurden im östlichen und im westlichen Bergbaugebiet je zwei Gruben geschlossen. In Bischofferode lagen nach der Währungsunion die Förderkosten pro Tonne 300 DM über dem Weltmarktpreis. Vertreter der Belegschaft behaupteten, ihr bisheriger norwegischer Abnehmer würde auch diese zusätzlichen 300 DM bezahlen, da er auf die spezielle Körnung der Bischofferoder Kalisalze eingestellt sei. Die Norweger haben das aber auf Anfrage nicht bestätigt. Sie kämen mit jeder Körnung klar. Außerdem gab es Probleme mit Grubengas, das später bei einem benachbarten Kalibergwerk zu einer Explosion mit Todesopfern geführt hat – Vorsicht also mit der Behauptung: das war nur eine Ausrede. Aber gegen den Heldenmythos Bischofferode kommen solche trockenen Tatsachen heute natürlich nicht mehr an. Die Bischofferoder Bergleute haben ihren Lohn nach der Schließung des Bergwerks zwei Jahre weiterbezahlt bekommen, was es bei unseren östlichen Nachbarländern nirgends gegeben hat.
Ich will ja gar nicht behaupten, dass alle Entscheidungen der Treuhand auch nachträglich als optimal erscheinen. Ich behaupte auch gar nicht, dass alles in Köppings Buch kritikwürdig sei. Sie gibt verbreitete Auffassungen, ein Stimmungsbild also, oft instruktiv und korrekt wider. Sobald sie aber selbst Stellung bezieht, habe ich den fatalen Eindruck: die PDS/die Linke lassen grüßen. Dass jemand eine Wahrheitskommission fordert, die eigene Wahrheitssuche aber nicht einmal bis zur Google-Anfrage forciert (und der Lektor des Verlags auch nicht), ist schon bemerkenswert. Könnte man ihre leichtfertige Verbreitung von fake news nicht auch Populismus nennen?
Aus ihren vielen Bürgergesprächen berichtet Köpping: „fast in allen Fällen war recht schnell nicht mehr „die Flüchtlingsproblematik das entscheidende Thema. Es ging um etwas viel tiefer Liegen-des“, nämlich „unbewältigte Demütigungen, Kränkungen und Ungerechtigkeiten“ der „Nachwendezeit“.
Es ist nicht unmittelbar einleuchtend, dass viele, die einmal unerwartet und unverschuldet arbeits-los wurden, deshalb ein Viertel Jahrhundert später gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ (so der hintere Teil des Kürzels Pegida) demonstrieren, Ausländerhass zeigen und gegen Flüchtlinge hetzen. Köpping erklärt uns das so: „Viele scheinen bereit, sich von der Stimmung anstecken zu lassen, dass man scheinbar (gemeint ist: anscheinend, RS) das Recht habe, gegenüber anderen Gruppen von Menschen ungerecht zu werden, weil man sich selbst ungerecht behandelt fühlt.“ Ich möchte doch gern mal jemanden kennenlernen, der so argumentiert. Ich fürchte: es gibt ihn nicht. Ich halte das für Küchenpsychologie. Wahrscheinlich stand Köpping eine These der Entwicklungs-psychologie vor Augen, die plausibel erklärt: wer als Kind physische Gewalt erfahren hat, neigt öfter als Erwachsener zu physischer Gewalt. Wenn man Arbeitslosigkeit mit physischer Gewalt gleich-setzt und Erwachsene mit Kindern, kommt man zu Köppings These. In den Wissenschaften sind solche flotten Gleichsetzungen allerdings unzulässig.
Köpping will mit ihrer These offenbar Ostdeutsche entlasten: wenn Pegida-Demonstranten gegen die Migrationspolitik demonstrieren, einen Miniaturgalgen mit dem Text „für Merkel“ vor sich her-tragen und die Regierenden wegen ihrer Migrationspolitik als Volksverräter beschimpfen, dann haben sie „eigentlich“ gar nichts gegen Fremde, denn sie sind traumatisiert durch die Entwürdigungen der Nachwendezeit. Deshalb wissen sie nicht wirklich, warum sie das tun. Köpping aber weiß es und sagt es uns. Dieser Entlastungsversuch geht voll nach hinten los. Denn er ist eine Entmündigung, weil er die betroffenen Ostdeutschen infantilisiert und pathologisiert. Wer Angst vor einer Islamisierung des Abendlandes hat, mit dem sollte man diskutieren, ob diese Angst berechtigt ist. Diese Diskussion wird nicht ganz einfach werden! Wer ihm stattdessen sagt: „eigentlich hast du gar nichts gegen Muslime, sondern du bist durch die Entwürdigungen des Einigungsprozesses traumatisiert“, der nimmt ihn nicht ernst. Im Klartext heißt das übrigens: am Ausländerhass ist mittelbar die Treuhand schuld. Küchenpsychologie ist eine Art von Zauberei, die alles mit allem erklären kann. Wer rational bleibt, fragt sich, ob wirklich ohne die Untaten der Treuhand die Ostdeutschen fremdenfreundlich wären. Warum ist in Polen, Tschechien, Ungarn die Ablehnung von Migranten weitaus stärker als in Ostdeutschland, obwohl es doch in diesen Ländern gar keine Treuhand gab? Und warum werden migrationskritische Parteien in allen westlichen und südlichen Ländern Europas zunehmend stärker? Die Treuhand kanns nicht gewesen sein.
Nun hat Köpping die Erfahrung gemacht, dass in Großdubnau kaum jemand von der einstigen Belegschaft zum Gesprächsangebot über die Nachwendezeit erschienen ist. Man könnte daraus folgern, dass das die Leute nicht mehr so recht interessiert. Es ist lange her, ändern lässt sich ohnehin nichts mehr und wir haben ja wieder Arbeit gefunden. Mithilfe der Küchenpsychologie kann man das aber auch viel dramatischer deuten, in Anlehnung an die Traumaforschung: die Ostdeutschen seien nach einem viertel Jahrhundert noch nicht in der Lage, über diese schrecklichen Erlebnisse zu sprechen. Sie konnten die notwendige „Trauerarbeit“ noch nicht leisten über den Verlust ihres Arbeitsplatzes und – was Köpping doch zitierend tatsächlich aufzählt – den Verlust ihres Schulsystems, ihres politischen und wirtschaftlichen Systems. Wir wissen, dass ehemalige SED-Mitglieder das manchmal bis heute es so sehen – und einige allzu verständnisinnige Westjournalisten.
Wenn die SPD eine „Wahrheits- und Versöhnungskommission“ im Sinne Köppings installieren will, die von westdeutschen Funktionsträgern das Eingeständnis erwartet, durch die Gestaltung des Transformationsprozesses Ostdeutschen systematisch und grundsätzlich Unrecht getan zu haben, ist die SPD nicht mehr meine Partei – und auf dem Weg zur Sekte. Noch kann sie das abwenden.