Penthesilea, Poppea und Perlenfischer – Vorschau auf die Salzburger Festspiele 2018

Romeo Castellucci

38mal wird Oper gespielt, 58mal Theater, 89mal Konzert. Eine Gala, 20 Kindervorstellungen – insgesamt bieten die Salzburger Festspiele im Sommer (20. Juli bis 30. August 2018) 206 Veranstaltungen. Hierfür sind 224.054 Tickets zu 450 bis 5 Euro aufgelegt. Das Programm-Vorschau-Podium war prominent besetzt: Intendant Markus Hinterhäuser und Schauspiel-Leiterin Bettina Hering flankierten Direktorin Helga Rabl-Stadler, Konzert-Experte Florian Wiegand fehlte. Was den Journalisten im Loft vom „Haus für Mozart“ die Zähne lang machte, erfuhren 1700 „Freunde der Salzburger Festspiele“ schon tags zuvor – in der Felsenreitschule.

Dort eröffnet Kent Nagano mit dem „Orchestre Symphonique de Montreal“ das weltweit attraktivste Sommerfestival: Pendereckis „Lukaspassion“ gibt als Top-Programmpunkt der dankbar fortgeführten Serie „Ouverture Spirituelle“ das Motto des Festivals an: Obsession, Passion, Ekstase. Auch Mozarts „Zauberflöte“ passe da hinein, erklärte Hinterhäuser, da die Oper alle antagonistischen Kräfte bündelte und in ein ausbalanciertes Weltgefüge brächte. Jung-Regisseurin Lydia Steyer lässt Bruno Ganz die Geschichte aus der Perspektive der drei Knaben erzählen und unter Constantinos Carydis den Bariton Matthias Goerne den Sarastro singen. Strauss` „Salome“ (Titelpartie: Asmik Grigorian) übernehmen Franz Welser-Möst als Dirigent der Wiener Philharmoniker und Romeo Castellucci als Regisseur und Ausstatter (s. Foto).

Statt der geplanten „Aida“-Wiederaufnahme – Netrebko winkte schon 2017 ab, Muti will keine Oper mehr in Salzburg machen – stellte man flugs eine „Pique Dame“ auf die Beine, für die Mariss Jansons und Hans Neuenfels gewonnen werden konnten. Monteverdis letzte Oper „L`incoronazione di Poppea“ unter William Christie und Jan Lauwers dominiert Jungstar Sonya Yoncheva. Hans Werner Henzes „The Bassarids“, von ihm als das „Lacrimosa des Eros“ bezeichnet, kehrt an die UA-Stätte, 51 Jahre sind`s her, zurück, dirigiert von Nagano, inszeniert von Krzysztof Warlikowski. Zwei konzertante Opern ergänzen die szenischen: Gottfried v. Einems „Der Prozess“ unter HK Gruber und Bizets „Les Pecheurs de Perles“ – auf ausdrücklichen Wunsch des in der Bariton-Partie debütierenden Domingo.

Wem`s um Anna Netrebko leidtat, der sei getröstet: Sie bestreitet mit Gatten Yusif Eyvazov einen Verdi/Giordano-Abend am vorletzten Festspieltag. Da sind dann alle tollen Sachen gelaufen: 18 „Ouverture Spirituelle“-Werke, die Reihe „Orchester zu Gast“, ein Beethoven-Zyklus unter Teodor Currentzis, Solisten- und Wiener Philharmoniker-Konzerte, Kammermusik, Liederabende, Mozart-Matineen, Norrington-Dirigate bei der Camerata Salzburg …

Nicht zu vergessen die ins Sommerprogramm aufgenommene Bartoli-Pfingstfestspiel-Oper „L`italiana in Algeri“, vor allem den Schauspiel-Sektor, der zum Passions-Generalthema Dramatisches beiträgt: von Knut Hamsun (sein dramatisierter Roman „Hunger“ von 1890; Regie: Frank Castorf), Kleist (sein Trauerspiel „Penthesilea“ von 1808 in neuer Textfassung; Regie: Johan Simons), David Grossman (zum Drama mutierter Roman „Kommt ein Pferd in die Bar“ von 2014 mit Mavie Hörbiger und Samuel Finzi) und Aischylos (seine Tragödie „Die Perser“ von 472 v. Chr. unter Ulrich Rasche mit der exquisiten Valery Tscheplanowa). Dauerbrenner „Jedermann“ steht 14mal auf dem bewunderswert vielseitigen und hochkarätigen Spielplan. Er würde „vertieft“ und musikalisch erneuert, bleibe aber in der Besetzung von 2017 mit Tobias Moretti unverändert.

 

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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