Am linken Flussufer in Richtung Eiffelturm spazieren, an einem Bistro am Wasser einen Café Crème schlürfen, auf einer Liegewiese die Boote vorbeifahren sehen – dies ist der Traum des Pariser Bürgermeisters Bertrand Delanoë für seine Stadt und ihre Lebensader, die Seine. Bisher holte den Sozialisten jedoch stets der alltägliche Alptraum ein: Statt Vogelgezwitscher herrscht Autolärm, statt Blumenduft gibt es Abgasgestank. Mehrspurige Schnellstraßen auf beiden Uferseiten trennen die Pariser von ihrem Fluss. „Paris muss sich dem Auto anpassen“, lautete in den 60er Jahren der Wahlspruch des damaligen Staatspräsidenten George Pompidou. So wurden die Seine-Ufer, die über die Jahrhunderte hinweg Begegnungsstätten der Pariser waren, für die 1967 eröffnete „Voie rapide“ einfach zubetoniert. Ziel war es, eine schnelle Durchquerung der Stadt von Ost nach West und umgekehrt zu ermöglichen. Heute drängen sich zu Stoßzeiten bis zu 4000 Autos stündlich auf den beiden Hauptverkehrsadern.
Und trotzdem bietet Paris seinen Bewohnern (übrigens mit 20000 Einwohnern pro Quadratkilometer die europäische Großstadt mit der höchsten Bevölkerungsdichte, in Berlin zum Beispiel sind es rund 3 800 Einwohner auf gleicher Fläche) schon jetzt viele Gärten, baumbestandene Lebensadern – die Boulevards – und allerhand Stadtgrün. Zudem offenbart die französische Metropole im Hinblick auf Gestaltungsintensität ein in seiner Verschiedenheit vermutlich einmaliges Spektrum an ästhetischer Qualität: von den Klassikern des 17. Jahrhunderts über die schmuckvollen Parks des 19. bis zu den Projekten des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Dieser grünen Lunge hat sich Dr. Frank Maier-Solgk angenommen. Der Germanist, Philosoph und Kunstgeschichtler spazierte gemeinsam mit der in Paris lebenden deutschen Fotografin Deidi von Schaewen durch 37 Parks und Gärten der Hauptstadt und weiteren 38 der Île de France, der nordfranzösischen Region zwischen den Flüssen Seine, Marne, Oise und Beuvronne.
Die Tuilerien am Louvre, die zugleich den Ausgangspunkt der prächtigen Reise durch diesen opulenten und hochwertigen Bildband bilden, gefolgt vom Jardin de Luxembourg oder dem 10000 Pflanzensorten beherbergenden ehemaligen königlichen Heilgarten Jardin des Plantes dürften den meisten Parisbesuchern wohlbekannt sein. Aber schon die malerische Opulenz des Parc Monceau, die formale und geometrisch zugeschnittene, von Wasserflächen gerahmte Fläche des Parc André Citroën oder der Jardin de l'Arche im Hochhaus-Geschäftsviertel La Défense mit seinen von plattenartigen Schiefersteinen hineinkomponierten Wassertreppen warten mit Sicherheit noch darauf, von dem ein oder anderen entdeckt zu werden. Daneben öffnet der Autor und vor allem das fotografisch geschulte Auge von Deidi von Scharwen dem Betrachter noch so manch anderes Kleinod. Dies können zum einen zu einem Hotel gehörende wunderbare kleine Parkanlagen, zum anderen aber auch Grünflächen im kaum zu vermutenden architektonisch ambitionierten Großprojekt aus der Ära Mitterand – der Pariser Nationalbibliothek – sein. Der Cimetière du Père-Lachaise, auf dem die ehemalige künstlerische Gesellschaft der Stadt, angefangen von Balzac, Molière, Proust und LaFontaine bis hin zu den musikalischen Göttern um Bizet, Chopin, Maria Callas, Edith Piaf und Jim Morrison ihre letzte Ruhe gefunden haben, wird gleichfalls vorgestellt.
Neben den fantastischen Aufnahmen, die die Gärten und Parks in all ihren wunderschönen saisonalen Farbspielen und -schattierungen zeigen, warten hochinteressante Texte mit jeder Menge geschichtlichem, kunsthistorischem und architektonischem Hintergrundwissen auf. Und vielleicht reizt es beim nächsten Besuch dieser so reizvollen Metropole auch einmal die modernen Gärten von Paris aufzusuchen, die eine ganz eigene Art von Sehenswürdigkeit darstellen. Dort hat „eine gartenkünstlerische Phantasie ihren Niederschlag gefunden, die eine große, in Deutschland eher unbekannte gestalterische Variationsbreite aufbietet und darüber hinaus auch der Idee des Stadtparks neue, interessante Möglichkeiten eröffnet.“, so Frank Maier-Solgk. Auch hier lässt es sich vortrefflich träumen.
Apropos Traum: Das äußerst eingangs erwähnte reizvolle Konzept von Bertrand Delanoë ist mittlerweile von höchster Seite bewilligt. Damit kann die Umwandlung der Seine-Ufer in eine autofreie Zone beginnen. „Wir wollen die Uferstraße zu einem Bereich des Lebens, der Schönheit und der Kultur machen“, erklärte der stolze Bürgermeister. Im diesem Frühjahr soll am linken Seine-Ufer eine über zwei Kilometer lange Strecke zwischen Musée d'Orsay und Pont de l'Alma dauerhaft für den Verkehr gesperrt werden. Dort werden in unmittelbarer Nähe von Eiffelturm, Louvre und Notre Dame neue Grünflächen sowie Spazierwege, schwimmende Gärten, Sportgelegenheiten, Restaurants und Cafés entstehen. Paris werde ein „neues Gesicht“ erhalten, prophezeit der Rathauschef. Vom „alten“ kann man sich in diesem wunderschönen Buch ein Bild machen
Frank Maier-Solgk
Mit Fotografien von Deidi von Schaewen
Die schönsten Gärten und Parks in Paris
und in der Ile de France
DVA (Februar 2013)
224 Seiten, Gebunden
ISBN-10: 3421038732
ISBN-13: 978-3421038739
Preis: 49,99 EUR
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