Ouvertüre eines Innenministers – zur Terrorismusgefahr in Deutschland

Seit den verheerenden Terroranschlägen vom 11. September 2001 warnen Innenminister regelmäßig vor der Gefahr von Terrorismus, so auch Bundesinnenminister Friedrich. Es gäbe derzeit zwar keine konkrete Gefahr vor Terrorismus, allerdings müsse sich die deutsche Gesellschaft der Bedrohung bewusst sein, so die Aussage des Ministers während seiner Israelreise in der vergangenen Woche. Derartige Aussagen sollen künftige staatliche Sicherheits- beziehungsweise Überwachungsmaßnahmen rechtfertigen. Die Sicherheitsdebatte wurde bereits in die Agenda der Deutschen Islamkonferenz aufgenommen. Hier warb Friedrich für eine Sicherheitspartnerschaft mit den Muslimen. Gestern sprach sich der Minister, zur Sicherheit aller Deutschen, für eine sechsmonatige Mindestspeicherfrist von Telefondaten aus. Erst im März 2010 wurde die Vorratsdatenspeicherung durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt. Friedrich kündigte an einen neuen Gesetzesentwurf zu unterbreiten.
Es ist keinesfalls ein risikoloses Unterfangen, die Überwachungskompetenzen des Staates beziehungsweise der Gouvernementalität für die Sicherheit seiner Bürger fortwährend auszuweiten. Ferner tragen derartige Debatten und Sicherungsmaßnahmen wenig zur Prävention von Terrorismus bei.
Selbstverständlich ist die Gefahr vor Terrorismus in Deutschland gegeben. Terrorismus ist in erster Linie eine Kommunikationsstrategie, die Gehör finden will. Besonderes Gehör findet Terrorismus in westlich demokratischen Industriestaaten, da hier der öffentliche Raum nicht von Gewalthandlungen geprägt ist. Die terroristische Botschaft erhält in friedlichen Gesellschaften ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit, da hier die Schockwirkung im Falle von Anschlägen besonders hoch ist. Terroristische Anschläge erzielen erst durch erhebliche Grausamkeit ihre Wirkung. Über moralische und rechtliche Restriktionen setzen sich Terroristen hinweg. Gänzlich unbeteiligte willkürlich ausgeguckte Menschen können Opfer eines terroristischen Angriffs werden. „Es wäre wenig schlimm, wenn sie (die Terroristen) jemanden umbrächten, weil sie ihn persönlich hassen; das Unmenschliche besteht darin, dass sie ihn töten, ohne eigentlich etwas gegen ihn zu haben.“ beschreibt der spanische Schriftsteller Sánchez Ferlosio treffend das terroristische Kalkül.[1]
Eine Chance der Reduktion von terroristischem Potential scheint durch den Dialog mit Terroristen möglich zu sein. Im Jemen konnten durch „Dialoge auf Augenhöhe“ inhaftierte Al Qaida Kämpfer zu einer Abkehr vom Terrorismus bewegt werden.
Um eine nachhaltige Prävention von Terrorismus zu erzielen, sollten terrorismusbegünstigende Faktoren verringert werden. Terrorismusbegünstigende Faktoren können unter anderem kollektiv empfundene Benachteiligungen, ein empfundener Reduktionismus von Werte- und Identitätsmuster oder eine mangelnde politische Durchsetzungsfähigkeit sein. Größere Sicherheit und bessere Terrorismusprävention erzielt man, indem die gesellschaftliche Integration gefördert wird und der Fokus weniger auf Sicherheitspartnerschaften mit den in Deutschland lebenden Muslimen in anmutender hegemonialer Art und Weise gelegt werden.
Die Argumentationen der Innenminister gleichen der Monotonie der Nibelungen Ouvertüre eines Richard Wagners. Ähnlich eintönig erklingen ihre Floskeln von der Notwendigkeit umfassenderer Überwachungsmaßnahmen und entsprechend paralysiert, erscheinen auch ihre Handlungsweisen hinsichtlich der Prävention von Terrorismus und der Sicherheitsförderung. Sicher ist, dass der Kampf gegen den Terrorismus, wie er derzeit geführt wird, nicht zu gewinnen ist.

[1] Waldmann, Peter (2005) Terrorismus. Provokation der Macht: Murmann: Hamburg.

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