Buhs für Regisseur und Ausstatter, Beifall für Sänger und Dirigent – das war die eindeutige Reaktion des Premierenpublikums auf die Neueinstudierung von Giuseppe Verdis Oper „Un ballo in maschera“ an der Bayerischen Staatsoper. Intendant Nikolaus Bachler mochte das Resultat dieser seit Wochen völlig ausverkauften, mit hoher Erwartung belegten 4. Premiere der Spielzeit 2015/16 vorausgeahnt haben; durchstreifte er doch in der Pause die Nationaltheatergefilde mit Leichenbittermiene. Der Blick vom edlen Schwarz-Weiß-Design des Programmbuches auf Heike Scheeles sich drei Akte nicht ändernde fahl ausgeleuchtete Bühne im Zwanzigerjahre-Look mit toll geschwungener Freitreppe im gräflichen Lack-Ambiente machte nicht froh. Zumal die Optik der Inszenierung des Ex-Geigers Johannes Erath so enigmatisch wie trübe blieb und wegen ständig nach Lösungen von rätselhaften Vermummungen, Pappkameraden und Doppelfiguren nebst zerrverspiegelter Deckenbestückung dem Ohr für den grandios klingenden „Verdi satt“ aus dem Graben die Schau zu stehlen sich anmaßte.
Da konnte Zubin Mehta, am 29. April 80 Jahre zählender Ex-Generalmusikdirektor der Münchner Oper und „Ballo“-Debütant noch so feurig, so sammet-sanft und italienischer Grandezza den Taktstock schwingen und das Bayerische Staatsorchester zum Glühen bringen – dem Szenario dieser freilich total unpolitisch konzipierten Neuproduktion konnten nur wenige Sympathien entgegenschlagen. Es sei denn, jemand schwärmte für Art-Deco-Superkostüme (Gesine Völlm) und hatte etwas übrig für einen bald Morgenmantel, bald Frack tragenden Gouverneur, dem rachelüsterne Verschwörer im Zylinder auf den Fersen sind und eine mit Dämonen im Bunde stehende Wahrsagerin (Okka von der Damerau als Vamp-artig aufgeputzte Ulrica) zusetzt.
Zentralrequisit in diesem „Melodramma“ – in der 7. Szene (1. Akt) treffen Frauen und Kinder ins Schwarze der ganzen Neuproduktion, wenn sie singen: „Oh, wie hier alles düster erglänzt!“ – ist ein riesiges Doppelbett mit Kissenberg und Überdecke. Darin wälzen sich abwechselnd Riccardo solo mit und ohne seine Geliebte Amelia, pikanterweise die Gattin seines Busenfreundes Renato, dann auch dieser mit seiner Ehefrau, die ihn jedoch mit einem Polster ersticken oder mit Gift aus der Welt schaffen will. Alles wirkt aufgesetzt und entspricht weder Verdis und seines Librettisten Sommas Intentionen.
Wären da nicht die mit Hochgenuss zu vernehmenden Stimmen von Anja Harteros (als stets von Skrupeln zermürbte schöne Amelia), Piotr Beczala (darf als erschossener Riccardo noch lässig und weiterlächelnd die Freitreppe mit Vamp Ulrica ersteigen), George Petean (ein Renato wie aus dem Bilderbuch: fies und feist und fast der Beste Stimmlieferant des Abends) sowie von Sofia Fomina. Die junge Russin gibt als perlend zwitschernder Diener Oscar die größten Rätsel auf: Ist sie also kein Hosenrollen-Mann, sondern ein reales Weib, das Renato – ihr Spontankuss nach ihrer Entkleidung verriet es – schon immer begehrte?
Mit Anatoli Sivko (Samuel), Scott Conner (Tom) und Ulrich Reß (Oberster Richter) waren auch die Chargen staatsopernmäßig besetzt. Ganz großartig wieder Sören Eckhoffs Damen und Herren des Staatsopernchors, den Johannes Erath, das muss man ihm lassen, klug bewegte.
Die Neuinszenierung „Un ballo in maschera“ wird am 18. März um 22.10 Uhr im Rahmen von STAATSOPERN.TV kostenlos und in voller Länge auf der Website www.staatsoper.de/tv und auf arte übertragen.
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