An
ARTE G.E.I.E.
z.Hd.v. Peter Boudgoust (Präsident)
4 quai du Chanoine Winterer
67000 Strasbourg – France
Berlin, den 12.11.2020
Sehr geehrter Herr Boudgoust,
sehr geehrter Vorstand,
sehr geehrte Gesellschafter*innenversammlung,
sehr geehrte*r Programmbeirat und Koordinator*innen,
sehr geehrte Damen* und Herren*,
mit großer Irritation haben wir die ARTE-Ausschreibung „Regisseurin gesucht“ vom 27. Oktober 2020 gelesen. Wir bezweifeln, dass ARTE mit dieser diskriminierenden Initiative die unzureichende Repräsentation von Regisseurinnen* ändern wird.
Die Erkenntnis, dass es eine strukturelle Benachteiligung von Frauen* in der deutschen Film- und Fernsehbranche gibt, ist nicht neu. Der Diversitätsbericht von 2018 belegt, dass Regisseurinnen* nicht angemessen in der Film- und Fernsehbranche vertreten sind, obwohl mehr als 50% der Absolvent*innen der Filmhochschulen Frauen* sind.
Seit 2014 engagiert sich Pro Quote Regie/Film filmpolitisch für eine Umsetzung der 50/50 Quote. Bereits 2016 erhielt ARTE ein umfangreiches Paket von Pro Quote Regie mit den Filmographien qualifizierter und zur Verfügung stehender Regisseurinnen*.
Welche Maßnahmen hat ARTE seitdem ergriffen um eine gerechte Teilhabe von Regisseurinnen* umzusetzen?
In der Ausschreibung „Regisseurin gesucht“ können wir kein ernsthaftes Anliegen von ARTE erkennen sich für Gleichberechtigung der Geschlechter* einzusetzen.
- ARTE schreibt einen Wettbewerb aus, für den Filmemacherinnen einen Kurzdokumentarfilm produzieren und einreichen sollen.
→ Das bedeutet, die Regisseurinnen* sind aufgerufen, unentgeltlich einen Film herzustellen.
2. ARTE limitiert die Ausschreibung auf das Thema „Unbeschreiblich weiblich“.
→ Das heißt, die Regisseurinnen* werden in ihrem Schaffen von vornherein auf die Themen der vermeintlichen „Weiblichkeit“ und des „weiblichen Blicks“ reduziert.
- ARTE bietet der Gewinnerin* des Wettbewerbs einen Entwicklungsvertrag für ein 52-minütiges Format an.
→ Die Ausschreibung fördert somit keine strukturelle gleichberechtigte Teilhabe von Regisseurinnen*, v.a. nicht auf einem Prime-Time Sendeplatz.
4. ARTE richtet seine Ausschreibung explizit an Nachwuchsregisseurinnen.
→ Das heißt, der Sender ignoriert die Existenz mehrerer Generationen qualifizierter Regisseurinnen*.
Wir fordern:
- eine sofortige Überarbeitung der ARTE-Ausschreibung „Regisseurin gesucht“
- Strukturelle Gleichberechtigung und gerechte Teilhabe von Regisseurinnen* bei ARTE
- Eine Einführung der 50/50 Gender-Quote für alle ARTE-Sendeplätze und ARTE-Filmproduktionen
- Transparente Maßnahmen aller ARTE-Redaktionen, um die Gendergleichberechtigung von Autorinnen*, Regisseurinnen*, Cinematografinnen*, Editorinnen*, Tonfrauen*, Filmkomponistinnen* und Produzentinnen* umzusetzen
- Gender-Monitoring von allen redaktionellen Entscheidungen
- verpflichtende Fortbildungen zu Feminismus- und Gendergleichberechtigung für alle ARTE-Redakteur*innen und Programmverantwortlichen*
Wir erwarten des Weiteren, dass ARTE als europäischer Kultursender mit Vorbildfunktion Verantwortung für die Produktionsbedingungen übernimmt. Regie ist nicht unser Hobby, sondern unser Beruf. Die Ausschreibung fördert eine (selbst)ausbeuterische Arbeitsweise, von der erneut diejenigen ausgeschlossen sein werden, die sich ein selbstfinanziertes Filmprojekt nicht leisten können.
Über ein konstruktives Gespräch freuen wir uns.
Erstunterzeichnerinnen:
- Pary El-Qalqili, Autorin und Regisseurin, NichtmeinTatort
- Biene Pilavci, Autorin und Filmemacherin, NichtmeinTatort
Unterstützende Verbände/Vereine/Initiativen:
- Bundesverband Regie (BVR)
- Bundesverband Filmschnitt Editor e.V.
- Pro Quote Bühne e.V.
- FC Gloria – Frauen Vernetzung Film
- La DOC – Frauen Dokumentarfilm Netzwerk
- Internationales Frauenfilmfestival Dortmund I Köln
- FIRST STEPS Der Deutsche Nachwuchspreis
- Crew United
- AG DOK Nord
- Filmbüro Bremen e.V.
- Queer Media Society
- Label Noir
- BIPoC Film Society
- KINOKAS, queer-feministisches FLINT* Filmkollektiv
- BLN. Berlin Lesbian Non-Binary Filmfest
- dokumentART. European Film Festival
- Kollektiv Ninotschka. Feministische Kunstproduktion
- V.A.M.P.S. Kollektiv für experimentelle künstlerische Bildung
- #wirwarenimmerda
- Into The Wild. Mentoring