Österreich: Volksanwaltschaft legt Bericht für 2020 vor

Kollegium Volksanwaltschaft Juli 2019, Die österreichischen Volksanwälte Bernhard Achitz, Werner Amon und Walter Rosenkranz. (Foto: Volksanwaltschaft)

Banalitäten bleiben das Thema der österreichischen Volksanwaltschaft.  Ernsthafte Verletzungen der Grundrechte werden verschwiegen.


Marmelade ist der österreichische Begriff für Konfitüre. In den Strafanstalten wird den Häftlingen keine Marmelade serviert. Das erfährt man im Jahresbericht der österreichischen Volksanwaltschaft für 2020.

Der Bericht wurde am 12. Mai präsentiert. Von den Volksanwälten Werner Amon,  Bernhard Achitz und Walter Rosenkranz. Amon ist für das Ressort Justiz zuständig, Achatz für Soziales, Rosenkranz für Beschwerden über das Innenministerium und Übergriffe der Polizei .

Auch in diesem Jahr widmete die Volksanwaltschaft sich Bagatellen und Banalitäten.  Hingegen sollen ernsthafte Verletzungen der Grundrechte möglichst nicht in die Öffentlichkeit gebracht werden.

Schlechtes Frühstück

Den Bedingungen in den Strafanstalten wurden im Jahresbericht zwanzig Seiten eingeräumt, im Kapitel über die Justiz, in dem insgesamt 25 Seiten vorgelegt wurden. Die Unzufriedenheit mit dem Frühstück in den österreichischen Gefängnissen wurde ausführlich dargestellt, in der Länge von 3003 Zeichen.

Die Beschwerden über die erste Mahlzeit am Tag reißen nicht ab. (…) Ende Juni 2020 beklagte ein Insasse der JA Linz [Anm.: Justizanstalt Linz], dass es zu dem für den Mor­gen ausgegebenen Brot nicht jeden Tag Butter oder Marmelade gebe“.
(Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und den Bundesrat 2020. Band Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, S. 111)

Die Volksanwaltschaft betonte, dass bereits im Bericht für 2019 das schlechte Frühstück der Häftlinge zum Thema gemacht wurde: „Bereits im PB 2019 (Band „Kontrolle der öffentlichen Verwaltung“, S. 169 f.) hat sich die VA der Thematik zugewandt“.  Jetzt erklärte der Volksanwalt stolz, dass er in der Justizstrafanstalt Leoben eine Verbesserung des Frühstücks für die Gefangenen erreichen konnte.


Vermögenskonfiskation und Plünderungen

Erwachsenenvertretung ist der österreichische Begriff für brutal durchgeführte Plünderungen.  Im Code der Behörden werden diese Übergriffe auch gerne und grinsend „Erwachsenenschutz“ genannt. Es handelt sich um eine entwickelte Methode von Sachwalterschaft, die auf der Grundlage von Amtsmissbrauch der Justizbehörden durchgeführt wird. Dazu erschien ein erster Bericht bereits 2017 in The European:
Grundrechte in der Europäischen  Union werden verletzt: Der Fall Österreich
(The European, 6. 6. 2017)

Im Jahr 2020 wurden 123 Fälle, die solche Verletzungen des Eigentumsrechts betreffen, bei der Volksanwaltschaft angezeigt.  Diesen willkürlichen Vernögenskonfiskationen werden im Jahresbericht 1.722 Zeichen gewährt, das ist kaum mehr als eine halbe Seite.

Es wird kein einziger Fall einer solchen Enteignung, der der Volksanwaltschaft gemeldet wurde, als Beispiel für solche Vorfälle im Bericht besprochen. Im Unterschied zum schlechten Frühstück für die Häftlinge, deren Beschwerden ausführlich mit mehr als 3.000 Zeichen behandelt wurden.

Dunkelziffer bei Enteignungen

2020 wurden über die Justiz insgesamt 1.221 Beschwerden bei der Volksanwaltschaft vorgetragen.  123 Beschwerden über Verletzungen des Eigentumsrechts durch eine entwickelte Methode von Sachwalterschaft sind immerhin 10 Prozent der Beschwerden über die Justiz.

Allerdings ist bekannt, dass Mitarbeiter der Volksanwaltschaft den Betroffenen, die solche Enteignungen anzeigen wollen, rasch mitteilen, dass nicht eingegriffen werden kann, die Volksanwaltschaft nur Überprüfungen der Verfahrensdauer durchführt.

Es werden nicht alle Meldungen, die solche Vermögenskonfiskationen betreffen, von der Volksanwaltschaft dokumentiert. Aus den Vorjahren ist man in Kenntnis, dass bei solchen Enteignungen eine Dunkelziffer gegeben ist. Die Volksanwaltschaft gab bereits offen zu, dass telefonische Anfragen abgewehrt wurden, indem man erklärte, dass keine „Zuständigkeit“ bei solchen Vorfällen gegeben sei.

Auch in diesem Jahr erklärte der Volksanwalt, mit dem Begriff „Erwachsenenschutz“, dass willkürliche Verletzungen des Rechts auf Eigentum in Österreich weiterhin toleriert werden:

„Wie in den Vorjahren betraf ein großer Teil der Eingaben Sachverhalte, deren Klärung in die ausschließliche Zuständigkeit der unabhängigen Gerichte fiel. Die in den Eingaben angesprochenen Probleme umfassten den Erwachsenen­schutz.“
(
Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und den Bundesrat 2020. Band Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, S. 101)


Übergriffe durch Polizisten


Auch Beschwerden über Polizeikräfte will die Volksanwaltschaft möglichst abwehren. Im Bereich des Innenministeriums wurden 1.137 Fälle vorgetragen, wobei 294 Personen über Vorfälle mit Polizisten klagten. Neun Fälle betrafen Misshandlungen durch Polizisten. Doch wie schon im Vorjahr wollte die Volksanwaltschaft bei diesen Vorwürfen keine Übergriffe durch Polizisten erkennen. 2019 wurden diesbezüglich 19 Fälle bei der Volksanwaltschaft angezeigt.

Bei den weiteren 285 Beschwerden über Polizisten wurde nur in 10 Fällen eine Berechtigung durch die Volksanwaltschaft festgestellt.

Die Zahlen über Polizeiübergriffe in den Berichten der Volksanwaltschaft entsprechen allerdings weiterhin nicht der Statistik, die durch den jährlichen Sicherheitsbericht des Justizministeriums gegeben werden. Laut Sicherheitsbericht des österreichischen Bundesministeriums für Justiz für 2018, der am 15. Januar 2020 vorgelegt wurde, wurden 542 Fälle mit „Misshandlungsvorwürfen gegen Organe der Sicherheitsbehörden“ bei den Staatsanwaltschaften eingebracht.

Der aktuelle Sicherheitsbericht für 2019 wurde am 18. November 2020 vorgelegt. Es werden 439 Fälle genannt, die Misshandlungsvorwürfe durch Polizisten zum Inhalt hatten.
(Bundesministerium für Justiz: Si cherheitsbericht 2019: Bericht über die Tätigkeit der Strafjustiz, Wien 2020, S. 270)

Wie österreichische Polizisten einen solchen Übergriff exekutieren, das zeigte eine Fotoserie:
Unnötige Brutalität
Bilderserie belegte Übergriff der österreichischen Polizei

(Qolumnist, 28. 5. 2020)

Die österreichische Volksanwaltschaft zieht es vor, über solche Misshandlungen zu schweigen. Aber einen Exekutivbeamten will der Volksanwalt doch in die Kritik nehmen:

Der Polizist versuchte, „nach einer vermeintlichen Schlägerei eine Gruppe Jugendlicher zu zerstreuen“. Schließlich drohte er mit einer Festnahme. Die ausländischen Jugendlichen reagierten offenbar mit Protest. Da argumentierte der Polizist: „Des is mei Land!“

Der Ausdruck „Des is mei Land“ wird von der Volksanwaltschaft als schweres Vergehen bewertet:
„Daher sollte ein Exekutivbediensteter aus Sicht der VA nicht versuchen zu provozieren, indem er hervorhebt, dass er Österreicher ist“.
(
Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und den Bundesrat 2020. Band Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, S. 93)


Keine Unterstützung im Ausland

Der österreichischen Botschaft in Brüssel wurde vorgeworfen, dass einem Österreicher, der in Belgien lebt, bei der Frage nach der Antragstellung für einen neuen Reisepass, geantwortet wurde: „Er könne alles auf der Website nachlesen“.
Aufgrund der Kritik der Volksanwaltschaft führte die Botschafterin mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Gespräch über „die Grundsätze des Parteienverkehrs“. Da musste der Volksanwalt ein großes Lob aussprechen:
Die VA nahm die unbürokratische, vorbildliche Reaktion der Botschafterin von Belgien erfreut zur Kenntnis“.
(
Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und den Bundesrat 2020. Band Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, S. 75).

Es ist allerdings bekannt, dass Österreicher, die im Ausland komplett ausgeraubt werden, keine Unterstützung durch die Botschaft erhalten. Die österreichische Botschaft empfiehlt in einem solchen Fall, man solle doch Geld durch einen Bekannten über Western Union schicken lassen. Obwohl Mobiltelefon und Notebook ebenfalls verloren gingen, verweigert die Botschaft jegliche Hilfestellung.   Dieses Fehlverhalten, das offenbar im Außenamt als Richtlinie festgeschrieben wurde, will die Volksanwaltschaft nicht in die Debatte bringen.

Chinesischer Führerschein

In der Bezirkshauptmannschaft Kufstein wurde der Antrag gestellt, dass ein in der Volksrepublik China ausgestellter Führerschein in einen österreichischen Führerschein umgeschrieben werde.  Doch die Behörde wies den Antrag zurück, da man dafür glaubhaft machen müsse, dass man innerhalb der nächsten zwölf Monate zumindest 185 Tage in Österreich verweilen möchte. Das empörte offensichtlich den Volksanwalt so sehr, dass das zuständige Bundesministerium für Mobilität (BMK) erklärte, dass eine Umschreibung des Führerscheins, aufgrund der Rechtslage, jedenfalls möglich sei.  Danach kündigte die Behörde in Kufstein an, dass der Antrag im Sinne des Ministeriums erledigt werde. Somit ein weiterer großartiger Erfolg der Volksanwaltschaft in Österreich.
(Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und den Bundesrat 2020. Band Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, S. 126).

Umschreibung des Führerscheins“, das ist wohl ein falscher Begriff, denn der chinesische Führerschein bleibt erhalten. Das bedeutet, es wird für einen Führerschein der Volksrepublik China noch zusätzlich ein österreichischer Führerschein ausgestellt. 

Aufstockung der Beamtenzahl

Welche Fälle übernimmt die österreichische Volksanwaltschaft?
Die Verfahrensdauer im Bereich Justiz wird gerne kritisiert, wobei rasch betont wird, dass die personellen Ressourcen eben zu gering seien und eine Aufstockung der Beamtenzahl wohl erforderlich wäre.


Übermalkunst eines Volksanwaltes

Die kriminellen Vorfälle werden verschwiegen, die Justizbehörden und Sachwalter begehen, wenn sie unbescholtene Bürger willkürlich enteignen und ihre Wohnungen plündern. Die Volksanwaltschaft zieht es vor, bauliche Mängel in den Gefängnissen zu kritisieren, abgenutzte Möbel und zu kleine Heizkörper in den Zellen der Häftlinge müssen ausgetauscht werden, ein „Funcourt“ wird verlangt. Auf mehr als 5 Seiten setzt die Volksanwaltschaft für eine bessere Ausstattung in den Strafanstalten sich ein:

In den Hafträumen seien die Fenster so hoch, dass sie nur mit körperlicher Ertüchtigung erreicht werden können. Man müs­se zuerst auf ein Stockbett steigen, um von dort aus nach dem Fenstergriff zu langen“.
(Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und den Bundesrat 2020. Band Kontrolle der öffentlichen Verwaltung, S. 106)

Der Volksanwaltschaft ist dabei nicht bewusst, dass die Häftlinge in den Strafanstalten möglichst nicht an das Fenster gelangen sollten, damit Fluchtversuche gleich im Ansatz blockiert werden.  Es ist auch nicht vorgesehen, dass in den Zuchthäusern süße Marmelade geschlürft wird. Am Speisezettel sollte wohl eher das Sauerkraut die gesunde Ernährung sein. Es wäre für die Moral der Österreicher gut, wenn ein solcher Strafvollzug deutlich vermittelt wird. Denn es ist etwas faul im Staate Österreich.


Wenn der Volksanwalt dafür sich einsetzt, dass den Sträflingen die Marmelade als Frühstück ans Bett serviert wird, dann sind die Grundrechte wohl in Ordnung im ganzen Land. Diesen Eindruck will die österreichische Volksanwaltschaft vermitteln. Dann wird wohl nicht bemerkt, dass es ernsthafte Übergriffe gibt. Die Verletzungen des Eigentumsrechts durch die Justizbehörden, aus finanziellen und politischen Motiven durchgeführt, werden auf diese Weise gezielt übermalt.

Die Tätigkeit der Volksanwaltschaft kann nur noch mit den Aktionsbildern des Malers Arnulf Rainer metaphorisch verglichen werden. 

Anmerkung:
Der Bericht der Volksanwaltschaft für 2020 wurde am 12. Mai dem österreichischen Parlament übermittelt und im Juni wollen die Volksanwälte ihre „Wahrnehmungen“ persönlich mit den Abgeordneten debattieren.


Links:

Bericht der Volksanwaltschaft 2019:
Für Tätowierungen und verbotene Waffen: Jahresbericht der österreichischen Volksanwaltschaft wurde vorgelegt
(Tabula Rasa Magazin, 4. 6. 2020)

Bericht der Volksanwaltschaft 2018:
Abschied vom Rechtsstaat: Österreichische Volksanwaltschaft legte Jahresbericht für 2018 vor
(Tabula Rasa Magazin, 1. 5. 2019)

Bericht der Volksanwaltschaft 2017:
Österreichische Volksanwaltschaft legt Jahresbericht für 2017 vor: Erschreckende Fakten über die Verletzung von Grundrechten
(Tabula Rasa Magazin, 10. 5. 2018)

Bericht der Volksanwaltschaft 2016:
Grundrechte in der Europäischen Union werden verletzt: Der Fall Österreich

Foto:
Die österreichischen Volksanwälte Bernhard Achitz, Werner Amon und Walter Rosenkranz. (Foto: Volksanwaltschaft)

Über Johannes Schütz 108 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel