Obstes glaubst oder net – Das einzige Museum Bayerns, in das man nicht rein muss, um drin gewesen zu sein

Am Musseum des Hans Kotter in Mühldorf am Inn - Kunst für alle, Foto: Hans Gärtner

A Hund is er scho, der Ex-Bäck und Konditor-Moasta Hans Kotter, gebürtig aus Prien am Chiemsee, seit 1963 Bürger der Kreisstadt Mühldorf am Inn. Er ist schon deshalb, wie man ja in Bayern sagen darf, a Hund, weil er der einzige Museums-Privatier im ganzen Land ist. Einer, der auf eigene Initiative und Kosten in den eigenen Räumlichkeiten im selbst bewohnten, 500 Jahre alten Mühldorfer „Sebastian“-Haus, Stadtplatz 82, das einzige Museum in die Welt setzte, das sich mit ss schreibt, das Mühldorfer Jagdmusseum. Einer, der außerdem die seit ihrer Gründung am Scherzdatum 1. April 1998 global Beachtung in Print- und TV-Medien gefundene private Kultur-Institution heute noch immer leitet, erhält und ständig erweitert. Die zwei s hat er für sein „Musseum“ nicht umsonst gewählt. Sie wirken, was zum Kotter Hans eigentlich gar nicht passt, autoritär. Lassen ja keine Wahl. Machen das Mühldorfer Museum zum – wie`s heute gerne Denglisch heißt – „Must“, als ob sie locken würden: Da musst du rein. Ob du willst oder nicht. 

Immer an der Wand lang

Ein Hund ist der Kotter Hans aber auch deshalb, weil er – obstes glaubst oder net – weit und breit der einzige Museumsdirektor ist, in dessen Haus man nicht unbedingt hinein muss, um sagen zu können: Ich war im Museum. Im Kotter-Museum muss man, auch zu Corona-Zeiten, nicht drin gewesen sein, da genügt es, dran gewesen zu sein, um drin gewesen zu sein.

Es ist nämlich so: Am Museumsgebäude des Hans Kotter – möglichst lange und langsam – entlang gehend, ist man so gut wie mitten im Museum drin. Anders gesagt: Heraußen, an der Hauswand in Richtung „Auf der Wies“, nicht Richtung Stadtplatz, ist überhaupt gar nix als Museum: Da sind Tafeln, farbige Fliesen, Figuren, Schauteller, Relikte, Fundsachen, Krimskrams, Klimbim, Schilder, Werbegaben, schönster Kitsch aus Blech und Eisen, praktischste Apparaturen, lehrreiche, freche, verführerische, kluge, lustige, verschrobene, unverschämte, philosophisch angehauchte Auf- und Inschriften. Abgeschaut bei und zitiert nach weltberühmten Denkern, Erfindern, Künstlern von Laotse bis Martin Walser, von dem Kotter ausrichten lässt: „Man kann nicht spät genug geboren werden“. Ein anderer Denkspruch steht auf dem länglichen Rundholz einer beweglichen Gebetsmühle: „Jeder Mensch mit einer neuen Idee ist ein Spinner – bis diese Idee Erfolg hat“. Da kommt dem Leser, während er gemäß der Aufforderung an der Gebetsmühle weiterdreht, in den Sinn: Hans Kotters Selbsteinschätzung. Dieser Mann  dürfte, wie man ihn kennt, nix dagegen haben, augenzwinkernd als Spinner apostrophiert zu werden.

Gelehrte, geballte, geflügelte Worte

Kein Wunder, in diesen Tagen – Corona hält uns schon Monate in Atem – so  manchen Mühldorf-Besucher am Musseum entlang schleichen zu sehen, der den Mund nicht mehr zubringt, so sehr beschäftigen ihn des Hausherrn gesammelte gelehrte, geballte, geflügelte Worte, farbig auf Kacheln gemalt. „Bist du in Eile, geh langsam!“, werden Beschleuniger ermahnt. Befolgen sie den Rat, lesen sie weiter: „Alle Taten dieser Welt haben ihren Ursprung in der Fantasie“. Nicht nur Männern mag der Spruch „Die kluge Frau folgt ihrem Mann wohin sie will“ einiges zu denken geben.

Mancher „Musseumswand-erer“ fragt sich, wer wohl Maria Pauer war, deren Besen er kopfschüttelnd mit dem Sterbedatum „6. Okt. 1740“ zur Kenntnis nimmt, bis es ihm dämmert, das Putzmittel als Accessoire einer Hexe zu deuten. Ein anderer schaudert beim Anblick des Marmorgedenksteins für das CSU-Minister Schnappauf-Opfer Bruno vom 26. Juni 2006, der mittig als  gläsernes Problem-Bärchen angeklebt ist. Die vertrocknete langstielige Rose zwischen Marmor und Hauswand ist ihm vielleicht von einem Petzifreund aus Berchtesgaden zugesteckt worden. Verschlafene Kotter-Musseums-Fans reiben sich nicht die Augen, sondern sie Hände, wenn sie lesen: „Mit Träumen beginnt die Realität“. Schwergläubige sehen sich bestätigt, wenn sie an Peter Ustinovs Fernseh-Bonmot erinnert werden: „wer nicht zweifelt, muss verrückt sein / wer sich nicht verändert, ist dumm.“ 

Mit der Orthographie nimmt`s Kotter locker. Hier muss die Wahrheit ohne h auskommen, dort ist statt eines u ein v zu setzen. Kotter, der im Museum drinnen zeigt, mit wie vielen und welch berühmten Künstlern er aufwarten kann (von Gerhard Haderer und Herbert Achternbusch bis Uli Stein, Gaymann oder Hurzlmeier), hat draußen, an der Eingangstür, den Vornamen des großen deutschen Malers Beuys statt mit ph mit f geschrieben: „Josef Beuys war da“. Kann sein, dass da Absicht dahinter steht. Beim Kotter Hans weiß man ja nie …! Einer seiner Lieblingssprüche dürfte der von Phil Knight sein: „Wenn wir keine Fehler machen, heißt das, dass wir nicht genug neue Dinge ausprobieren“. Ist ja wahr: Wichtiger als der falsche Joseph ist, ob Beuys wirklich beim Kotter drin war. Bestimmt, sagen die einen, Schmarrn, sagen die andern. Eins steht fest: Beuys hätte auch „am“ Museum des Hans Kotter seine helle Freude gehabt.

Nichts zu lachen? Dann ans Musseum!

„Wer in letzter Zeit nichts zu lachen hatte, für den ist der Besuch (des Mühldorfer Jagdmusseums) von unschätzbarem Wert“. Auch diesem Spruch, den Kotter auf den ersten Werbe-Flyer vor fast einem Vierteljahrhundert setzte, hätte Joseph Beuys zugestimmt. Corona-Geschädigte könnten den Satz – und einige weitere Sätze mehr – als Einladung nehmen, sich als nächstes Ausflugsziel das Mühldorfer Jagdmusseum vorzunehmen. Dessen unterhaltsame Außenwand hält einige tröstliche Worte parat. Nicht wenige sind geradezu auf die Pandemie-Situation zugeschnitten: „Heit nix erlebt – a schee“ oder „Geld verloren – nichts verloren, Ehre verloren – viel verloren, Mut verloren – alles verloren“ oder „Das Wasser steht uns bis zum Hals, aber seine Qualität ist ausgezeichnet“ oder „Leben heißt, nicht zu wissen, was als nächstes kommt“ oder „Oft macht der Mensch sich`s Leben schwer / Auch wenn es gar nicht nötig wär“ und, in gut bairisch-archaischem Tonfall, den lapidaren Zuspruch, der womöglich nicht auf Anhieb zu dekodieren ist: „SCHEISSDA NIXDANNFEID DANIX“.

Um zum Schluss muss man noch einmal auf den Hund kommen. Irgendwie lässt sich der schöne Spruch – direkt oder indirekt – auf den „Hund“ Hans Kotter münzen: „Wer sagt: GLÜCK kann man nicht anfassen, hat niemals einen HUND gestreichelt.“  

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Über Hans Gärtner 502 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.