Obama: Nobelpreis für Null Leistung

Es entbehrt einer gewissen Peinlichkeit nicht, dass die Norweger dem am meisten mit Vorschusslorbeeren überschütteten Politiker der Welt jetzt auch noch vorab einen Nobelpreis aufs Auge drücken. Hätte der Nobelpreis nicht zum Beispiel den von Obama gerufenen und dann im Stich gelassenen Oppositionellen im Iran gebührt?
Obama ist ein extrem monotoner Redner. Alle Reden hören sich gleich an und alle Reden sind auch irgendwie in der Substanz ziemlich nah beieinander, aber das alles perfekt und auf hohem rhetorischen Niveau.
Obama selber hat gesagt, dass er den Friedensnobelpreis nicht verdient hätte. Ein bisschen fishing for comliments ist sicher dabei, aber im Prinzip hat er mit dieser Feststellung recht, uneingeschränkt.
Es heißt allgemein Obama hätte viel angerissen, aber politisch nichts bewegt und noch keine politischen Ergebnisse vorzuweisen, aber Obama hätte einen neuen politischen Stil (von dem freilich niemand etwas hat) in die Welt gebracht und neue Töne und neue Atmosphären geschaffen. Soso, wenn dem wirklich realiter so wäre und sich nur irgendwelche gefühlten Atmosphären geändert hätten, dann hätte sich in neun Monaten Amtsinhaberschaft unvermeidlicherweise auch schon mal ein kleiner Erfolg eingestellt.

Stimmt es, dass Obama noch nichts (Positives) bewegt hat? Vielleicht nicht.

Im Nahostkonflikt hat Obama nichts Positives bewegt, was nicht jeder andere US-Präsident auch vermocht hätte, aber er hat palästinensische Hoffnungen geschürt, deren Erfüllung nicht in seiner Hand lag und das könnte konfliktverschärfend gewirkt haben. Obama irrlichtet gleichsam mit den schönste Reden durch den Nahost-Konflikt, und das was bisher.
Wenn jemand behaupten würde, dass Obama im Iran nach den dortigen Präsidentschaftswahlen im Sommer d.J. womöglich Verantwortung für den Tod von Regimegegnern und Oppositionellen trägt, würde er sich ganz auf der Linie etwa des Bundespräsidenten Gustav Heinemann bewegen.
Dieserwußte 1956, damals noch nicht Präsident, zum Besten zu geben, dass der Westen mit seinen Verlockungen und Friedensverheißungen und Schönrednereien die Ungarn zum Aufstand gegen die russischen Panzer ermutigt hätte. Der Ungarn-Aufstand wurde bekanntlich blutig niedergewalzt und der Westen sah zu. Heinemanns falscher Schluss damals war der, dass der Westen die Schuld an den Opfern russischer Gewehrkugeln trug. Das war Unsinn und erklärt sich aus der eigenartigen, wahrscheinlich historisch nicht geklärten Person Heinemann im Kalten Krieg.
Aber, um zu Obama zurück zu kommen: der hat sicher Hoffnungen im Iran geweckt. Die Oppositionellen rannten mit seinem Slogan „Change“ und „ Yes, we can“ durch die Straßen und glaubten, der neue Wunderpräsident würde ihnen helfen: Denkste! Obama half der Opposition im Iran nicht und spendete nicht einmal Trost. Er ließ seine von ihm geweckten Anhänger im Iran eiskalt im Stich.
Solche Traumata mutiger Opposition, die im Stich gelassen wurde, zeitigen Wirkung. So ein Versagen, fast noch mehr des Menschen Obama als des Politikers, ist ein kontraproduktives Moment für eine friedliche Weltentwicklung und schädigt Friedens-und Demokratisierungsprozesse. Man ist gewarnt. Auf Obamas schöne Rede ist Verlass, auf die Erfüllung der Versprechen nicht.
Der Friedensnobelpreis, der 2002 an Jimmy Carter ging, der mit seinem Singsang am Ende seiner einstigen Amtszeit schon fast Mitleid erweckte, zeigt, dass dieser Friedensnobelpreis offenbar gern an Schönredner vergeben wird, die viel vom Frieden reden, und nicht so gern an Realpolitiker, die möglicherweise mit dem Image des Bösewichts behaftet friedensbringende Realpolitik machen.
Ronald Reagan, dem linken Mainstream ein balkengroßer Dorn im Auge hat, nachdem Jimmy Carter fast alle politischen Handlungsspielräume der USA durch Realmachtverzicht und Abrüstung verspielt hatte, gezeigt, was die mächtigste, kapitalistische Demokratie in kürzester Zeit zustande bringen kann und den latent aggressiven Ostblock, verkürzt gesagt, in Grund und Boden gerüstet und damit in die Knie gezwungen.
Die Beendigung des Kalten Krieges haben nicht Willy Brandt und Jimmy Carter geliefert und auch nicht Egon Bahr, der seine Rolle selber wahrscheinlich für global und genial erachtet, sondern viel mehr und viel eher der ausgemachte Bösewicht Ronald Reagan. Wer diese These vertritt, hat in der Tat viele historische Tatsachen auf seiner Seite. Die Frage muss hier gar nicht entschieden werden, aber sie stellt sich.

Will man in Oslo Politik machen?

Wenn das Nobelkomitee in Oslo in Wahrheit selber gar keinen Preis verleihen möchte, sondern selber Politik machen möchte, dann sollte man das in Oslo frank und frei bekennen.
Wenn man Obama mit dem Nobelpreis motivieren will, ihm Glanz verleihen, ihm Visionen einhauchen will und missionarische Kraft, dann mussen die Osloersagen, wir wollten Obama aufpeppeln undaufmotzen undüber seine Person wohl auch ein bisschen ins Rad der Weltgeschichte eingreifen undwir verleihen denPreis in Zukunft nicht mehr fürLeistung, sondern fürschöne Worte.
Ein bisschen missraten ist diese Preisvergabe schon. Die Kritik an der Preisverleihung für Obama, der von den meisten Staats-und Regierungschefs artig Gratulationen entgegen zu nehmen hat, kontert das Obama-Lager mit dem Kalauer: besser mit Preisen überhäuft, als mit Schuhen beworfen werden. Damit spielen sie auf die Schlappen-Attacke auf George W.Bush im Irak an, die weltweit einige Nachahmer fand.
Und ein bisschen Diskriminierung schwingt in dem Preis auch mit, nämlich, dass Obama den Preis eben nicht für seine Leistung, sondern wesentlich für die Tatsache bekommt, dass er der erste „schwarze“ Präsidentsei, also für seine Hautfarbe. Und das wäre diskriminierend, weildies zu wenigwäre.
Zu Recht vermuten viele, dass Obama, zumal in der amerikanischen Innenpolitik, wo er ohnehin schon einen Abstieg hinzunehmen hatte, dessen Ende nicht abzusehen ist, durch diesen Nobelpreis eher belastet wird. Obama hat Hoffnung bei seinen Wählern geweckt, die er nicht erfüllen kann. Das ist viel weniger sein Verschulden, als dass es viel mehr der Naivität seiner Wähler geschuldet ist.
Dass die Hoffnungen durch den Nobelpreis noch größer würden, wie etwa CDU-Mann von Klaeden meint, und viele andere meinen, ist nicht ersichtlich. Die Obamania war schon vor Amtsantritt am oberen Ende der Fahnenstange angekommen. Da ist gar keine Steigerung, auch keine durch einen Nobelpreis mehr drin. Aber ein Nobelpreis, der ohne realen Grund verliehen wird, macht sichtbar, dass da viel heiße Luft umgewälzt wird und so etwas hinterlässt zweifelsfrei einen faden Nachgeschmack.

Warum haben die Norweger den Preis nicht den Demonstranten im Iran gegeben?

Vielleicht hätten die Norweger lieber den Demonstranten im Iran, die von Obama zumindest in ihrem Tun beflügelt und wie gesagt, im Stich gelassen wurden, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.Oderwäre dies dem Komitee vielleicht zu heiß gewesen? Dies hätte aber vielleicht wirklicheine friedensfördernde Wirkung entfaltet und diemutige iranische Oppositiongewürdigt.
Man erinnert sich an die Zeiten, als ein Carl von Ossietzky, während der Herrschaft der Nazis, den Friedensnobelpreis bekam, während er im KZ saß. Und der seinen Preis vor allem für seinen Mut den Nazis zu widerstehen bekommen hat.
Und Obama selber hat die Möglichkeit verpasst seinen Preis spontanden iranischen Oppositionellen zu widmen,das hätte wirklich etwas bewegt.
Wenn Obama in Oslo antreten wird, um den Preis entgegen zu nehmen, wird er sicher wieder eine schöne Rede halten.

Mit freundlicher Genehmigung von Bettina Röhl (www.welt.de)

Über Röhl Bettina 12 Artikel
Bettina Röhl, geboren 1962, ist eine deutsche Journalistin und Publizistin. Sie studierte in Hamburg und Perugia Geschichte und Germanistik. Seit 1986 arbeitet Bettina Röhl als Journalistin, unter anderem für die Zeitschriften Tempo, Welt, Vatikan-Magazin und Spiegel TV.

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