Lisz Hirn, Friedrich Nietzsche – Die menschliche Existenz zwischen Hedonismus und Pessimismus, Verlagshaus Hernals, Wien 2009, ISBN: 978-3-9502577-9-3
Sie selbst begreift sich als Kosmopolitin, und ist es auch. Lisz Hirn, Jahrgang 1984, studierte Geisteswissenschaften, aber auch Gesang und Kunst in vielen europäischen Metropolen. Nun hat die junge Philosophin im Verlagshaus Hernals ihre Promotion vorgelegt. Und auch hier zeigt sich ihr vielschichtiges Denken, sie plädiert für Gesamtschau, und was läge da näher, als sich mit einem zu beschäftigen, der für diese Gesamtschau steht, mit dem Dichterphilosophen und Titan aus Röcken bei Lützen, Friedrich Nietzsche? Mit Friedrich Nietzsche – Die menschliche Existenz zwischen Hedonismus und Pessimismus legt Hirn speziell ihren Fokus auf die frühen Schriften des Professors in Basel und ehemaligen Eleven, der einst in Schulpforta studierte. Dabei steht die Schaffensperiode zwischen 1870-1876 im Mittelpunkt einer Studie, die nicht nur um Begriffe wie Dionysisch und Apollinisch – auch und unter Bezugnahme auf Euripides, Sophokles und Homer – kreist, sondern darüber hinaus die Sprachstruktur des jungen Nietzsche mit im Blick behält, einem Sprachstil, der seinen Enthusiasmus aus der vorsokratischen Philosophie bezieht. Im Fokus dabei immer wieder die Schrift Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik von 1872, denn in ihr kommt ebenso der Pessimismus der Philosophie Schopenhauers als auch die Wiederentdeckung des Tragischen, der Antike und der Tragödie zur Geltung.
Wie tiefgreifend und prägend für den Altphilologen Nietzsche nicht nur die Auseinandersetzung mit der klassisch-antiken Welt war, sondern welch prominenten Einfluß Heraklit, Sokrates, Epikur – und unmittelbar Schopenhauer – auf seinen Denkweg hatten, beleuchtet kursorisch das Kaptitel Griechentum und Pessimismus in der Philosophie Nietzsches, das sich dezidiert mit den einzelnen griechischen Denkern auseinandersetzt und jeweils das aus ihren Philosophemen herausfiltriert, was Nietzsches Griechentum und Pessimismus geradezu ausmacht.
Den zentralen Schritt ihrer Dissertation, die These, entwickelt Hirn im dritten Kapitel, das dann darin kulminiert, daß sich Nietzsches zentrales Denkmotiv der frühen Jahre eben in jener Zerrissenheit der menschlichen Existenz äußert, die zwischen Hedonismus und Pessimismus schwankt. „Es ist die These, dass Nietzsche in seiner frühen Schaffensperiode erkennt, dass die menschliche Existenz von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende zwischen Hedonismus und Pessimismus steht (S. 73).“
Darüber hinaus gibt das Buch Einblicke in den Begriff des Mythos frei, in seine Mehrdeutigkeit und Ambivalenz und wendet sich schließlich dem Mythischen im 20. Jahrhundert zu, zeigt in Ansätzen wie dieser Begriff auf die Postmoderne beispielsweise ausstrahlte und diese einfärbte. Aber auch Begriffe wie Hybris, Pothos, Pathos und Heros werden eingehend bedacht, die schließlich ausschlaggebend für Nietzsches spätere Anthropologie waren. Kurzum: Hirns Promotion wirft eine Menge von Fragen auf, die auch den Leser von heute interessieren. „Kann man gleichzeitig ‚Lust haben’ und ‚pessimistisch sein’?“ Und: „Inwiefern ist unsere Epoche tragisch oder anti-tragisch? Welche Bedeutung hat das tragische Gedankengut für den (post-) modernen Menschen?
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