Christian Antz (Hrsg.), Christian Gries , Ute Maasberg (Hrsg.), Regina Prinz (Hrsg.): Neues Bauen Neues Leben. Die 20er Jahre in Magdeburg, Deutscher Kunstverlag, Berlin 2018, ISBN: 978-3-422-92628-8, 29,90 EURO (D)
Das Buch ist eine unveränderte Neuauflage der ersten Auflage aus dem Jahre 2000. Es erzählt die Stadtgeschichte Magdeburg in den 1920er Jahren im Kontext des Neuen Bauens als einen Ort des Aufbruchs in eine neue Zeit. Das Neue Bauen und die städtebaulichen und architektonischen Projekte des Architekten Bruno Taut brachte Magdeburg internationales Bekanntheit und eine avantgardistische Stellung in der Architektur der neu gegründeten Weimarer Republik ein: „Ziel war es, das Image einer konturlosen Industrie- und Garnisonsstadt abzuschütteln und den Status einer Hauptstadt für ganz Mitteldeutschland zu erreichen.“ (S. 7)
Da dringender Bedarf an einer weitreichenden Stadtentwicklung bestand, berief der sozialdemokratische Bürgermeister Hermann Beims 1921 den avantgardistischen und kreativen Architekten Bruno Taut zum Stadtbaurat mit dem Auftrag, für Magdeburg einen Generalsiedlungsplan zu erstellen. Taut umgab sich mit einem Stab junger und gleichgesinnter Architekten wie Johannes Göderitz und Carl Krayl. Neben der Fertigstellung des Generalsiedlungsplans, der bis in die nachfolgenden Jahrzehnte Wirkung zeigte, setzte Taut seine architektonische Farbgebung in Magdeburg konsequent durch. Dazu startete er bereits im Jahr seiner Berufung eine Zeitungskampagne unter dem Titel „Aufruf zum farbigen Bauen“. Bis zur Eröffnung der großen „Mitteldeutschen Ausstellung Magdeburg“ im Jahre 1922 waren in der Innenstadt 80 Hausfassaden nach Tauts Entwürfen farbig gestaltet worden. Obwohl sich Taut damit heftige Kritik von Magdeburger Bürgern einhandelte, geriet die Aktion zu einem erfolgreichen Werbefaktor für die Stadt, die ihr zeitweilig den Titel „Bunte Stadt Magdeburg“ und eine beachtliche Resonanz in der Tages- und Fachpresse einbrachte. Im Zusammenhang mit der Ausstellung entwarf Taut die Ausstellungshalle „Stadt und Land“, die 1922 als sein einziges Magdeburger Einzelbauwerk fertiggestellt wurde.
Es entstanden moderne Wohnviertel in den Vorstädten wie die Beimssiedlung im Stadtteil Stadtfeld West und die Gartenstadt Reform. Weitere wesentliche Bauten waren das Ausstellungszentrum im Rotehornpark und die Magdeburger Stadthalle. Beide wurden anlässlich der 1927 veranstalteten Deutschen Theaterausstellung 1927 errichtet.
Das Neue Bauen setzte konsequent auf die neuen Materialien Glas, Stahl, Beton und Backstein. Damit ließen sich vor allem einfache Formen und deren Dekomposition kostengünstig realisieren: einfache kubische Formen, ineinandergeschobene Raumvolumen, freistehende Wandscheiben und Auskragungen. Ihre architektonischen Grundprinzipien waren die folgenden: Die Wohnungsnot und der daraus resultierende Massenwohnungsbau zwingen zur Einfachheit, Dekorationen wurden dabei als Verschwendung angesehen. Die einfache Formensprache stellte größere Anforderungen an den ästhetischen Anspruch des Entwurfs. Die Reduktion tragender Teile auf einzelne Punkte und Flächen erlaubt ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten – es ergeben sich freiere Formen bei weniger konstruktivem Aufwand. Der formale Rigorismus und die klare asketische Form repräsentieren Allgemeingültigkeit und Objektivität und stellen ein künstlerisches Ziel dar. Dem Gedanken des Gesamtkunstwerks folgend, in einigen Projekten bis hin zur vollkommen bezugsfertigen Ausgestaltung der Objekte.
Das Buch zum Neuen Bauen in Magdeburg wird flankiert von Beiträgen zu verwandten Themen wie Design, Fotografie, Reformschulbewegung und wird in die Geistes- und Kulturgeschichte der Weimarer Republik eingebettet. So entsteht ein umfassendes Gesamtbild, das umfassend beschreibt, wie Magdeburg in den 1920er Jahren Vorreiter für architektonische Neuerungen war, die auch heute noch Teile der Stadt prägen.