Der Paritätische fordert ein Ende der Hartz-IV-Sanktionen und die Anhebung der Regelsätze auf ein bedarfsgerechtes Niveau.
Aktuelle Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele zur Notwendigkeit von Sanktionen in Hartz IV als „Handhabe gegen die kleine Gruppe, die sich sonst entzieht“ treffen auf scharfe Kritik des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Sanktionen seien weder sachgerecht noch zielführend und eine Kürzung des Existenzminimums nicht zu rechtfertigen. Der Paritätische Gesamtverband erinnert an den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, die aktuelle Praxis grundlegend zu reformieren und fordert eine grundsätzliche Abschaffung von Hartz-IV-Sanktionen.
„Sanktionen unter das Existenzminimum sind weder sachgerecht noch zielführend und sie sind schon gar nicht mit unserer Verfassung vereinbar“, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. „Es wird höchste Zeit, dass wir diese antiquierte Rohrstockpädagogik aus dem vorletzten Jahrhundert überwinden und zu einem den Menschen zugewandten sanktionsfreien Hilfesystem gelangen. Wenn es die Bundesregierung ernst meint mit ihrem Bürgergeld, ist für eine solche Mentalität schwarzer Pädagogik kein Platz mehr in der Bundesagentur für Arbeit.“
Der Verband zeigt sich empört angesichts der jüngsten Abkehr der Bundesregierung von einem wirklichen Sanktionsmoratorium. Ein Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sah Ende Februar noch vor, die geltenden Sanktionsregelungen bis zum Jahresende 2022 befristet außer Kraft zu setzen. Das Kabinett verständigte sich im März dann aber auf einen wesentlich veränderten Gesetzentwurf, mit dem die große Mehrheit der Hartz-IV-Sanktionen beibehalten würde.
„Statt des versprochenen Sanktionsmoratoriums hat die Ampel eine echte Mogelpackung vorgelegt, ein ernüchterndes und schlechtes Signal für den Umgang mit den Ärmsten in unserer Gesellschaft“, kommentiert Ulrich Schneider. Er wies darauf hin, dass die große Mehrheit der Sanktionen auf Meldeversäumnisse entfielen und diese weiter sanktioniert würden. „Es kann nicht sein, dass der Kühlschrank leer bleibt, weil jemand seine Sachbearbeiterin nicht erreicht oder einen Termin verschusselt hat. Diese menschenunwürdige Praxis muss beendet werden“, so Ulrich Schneider weiter.
Aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass 3,1 Prozent der Leistungsberechtigten im vergangenen Jahr mindestens einmal sanktioniert wurden. Damit sei die Zahl der verhängten Sanktionen 2021 gegenüber dem Vorjahr um etwa 23.000 gestiegen, so der Paritätische Wohlfahrtsverband.