Am Wochenende verstarb Melanie Weber im Alter von 72 Jahren nach langer schwerer Krankheit. Zeit ihres Lebens setzte sich die 1940 in Annaberg-Buchholz Geborene für Informationsfreiheit und Aufklärung ein. Als gelernte Stenotypistin tippte sie 1968 heimlich Flugblätter auf ihrer Reiseschreibmaschine, fotografierte später kritische Bücher ab und brachte sie geschickt in Umlauf. Weil die Stasi trotz Verdachts ihr nie etwas nachweisen konnte, blieb es bei Verhören und subtilen Zersetzungsmaßnahmen.
Melanie Weber war 35 Jahre alt, als sie an Krebs erkrankte. Als Invalidenrentnerin durfte sie nun in den Westen reisen. Die Fahrten nach Stuttgart und West-Berlin waren jedoch keine touristischen Ausflüge, sondern Informationstreffen der besonderen Art. Melanie Weber gab Informationen über politische Häftlinge weiter, um deren Freikauf zu beschleunigen. Meist waren es solche, die weder prominent waren noch Verwandte hatten. Die Daten erhielt sie von einem Gefängnisseelsorger. Zur Aufheiterung schrieb Melanie Weber den Gefangenen persönliche Briefe. Manche nannten sie „Engel der Gefangenen“. Mindestens vierzehn Menschen kamen durch ihre Hilfe schneller frei.
Melanie Weber sagte später: „Keine Prominenten, keine Leute, um die sich irgendjemand kümmern würde. Diese namenlosen Menschen mit ihren schweren Schicksalen, kranke politische Gefangene, denen wollte ich helfen … mehr wollte ich nicht.“
Melanie Weber blieb Zeit ihres Lebens in Freiberg, auch als ihr Sohn 1984 in den Westen ausreiste und sie ihn nicht besuchen durfte. Von Krankheit gezeichnet, setzte sie sich bis zuletzt für eine kritische Aufarbeitung von SED-Unrecht ein und stand den Betroffenen helfend bei. Mit ihrem Verein „Forum 91 Freiberg“ wollte sie aufklären und erinnern: mit Veranstaltungen, Zeitzeugengesprächen und spektakulären Aktionen. So barg sie vor dem Abriss des Freiberger Gefängnisses, das jahrelang zum Frauengefängnis Hoheneck gehörte, verschiedene Teile. Heute erinnert eine Gedenktafel an diesen Ort.
Mit Melanie Weber ist ein Mensch gegangen, der die Unfreiheit in der DDR als persönliche Kränkung empfand. Widerstand war für sie unmittelbare Hilfe. Bewundernswert die Bescheidenheit, mit der Melanie Weber ihr risikoreiches Engagement später beschrieb: „Ich weiß gar nicht, warum das überhaupt erwähnenswert sein soll, wir haben nur das Selbstverständliche getan. Gut, wir waren damals nur wenige, die das gemacht haben, aber heute sind es doch auch nur wenige, die sich den Kopf zerbrechen, wie es weitergehen kann auf der Welt.“
Ihr Beispiel zeigt, wie auch der Einzelne – ohne Beziehungen und Einfluss – sehr wohl Einfluss nehmen konnte auf die Gesellschaft, sogar unter den schwierigen Bedingungen der DDR-Diktatur. Es zeigt auch, wie politische Aktivität den Lebensmut stärken kann.
Die Freunde und Bekannten sind sich einig: Melanie Weber war etwas Besonderes und ihre Stimme wird fehlen. Für mich ein Grund mehr, weiterhin für den Aufbau einer Gedenk-, Erinnerungs-, und Begegnungsstätte im ehemaligen Frauenzuchthaus Hoheneck einzutreten. Neben und hinter den prägnanten Lebensgeschichten der dort Inhaftierten sollte auch an jene Menschen erinnert werden, die für ihre Freiheit kämpften. Melanie Webers Geschichte würde dort einen würdigen Platz einnehmen.
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